Krise in Somalia: Mogadischu wieder Kampfzone
Statt Wahlen abzuhalten, verlängert Somalias Präsident seine Amtszeit. In der Hauptstadt bekämpfen sich nun Teile der Streitkräfte gegenseitig.
Nairobi taz | Die politischen Spannungen in Somalia über verschobene Wahlen eskalieren in bewaffnete Auseinandersetzungen in der Hauptstadt. Am Sonntag beschossen sich zwei verschiedene Teile der Armee gegenseitig nicht weit vom Präsidentenpalast in Mogadischu. Es ist unklar, wie viele Opfer es gab.
Bei den Kämpfen am Sonntag wurden schwere Waffen wie Raketenwerfer eingesetzt
Am Montag wurde weiter geschossen. Lokale Medien berichten, dass mehrere Hundert Militärs, die die Verlängerung der Amtszeit von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“ ablehnen, sich an strategischen Orten im Nordteil der Stadt verschanzt haben.
Die Amtszeit des Präsidenten, der seit 2017 im Amt ist, war eigentlich am 8. Februar abgelaufen, aber es gelang den somalischen Institutionen nicht, rechtzeitig Wahlen zu organisieren. Vor zwei Wochen hatte Somalias Parlament daher mit überwältigender Mehrheit die Verlängerung der Amtszeit um zwei Jahre beschlossen.
Der Senat lehnte das als verfassungswidrig ab. Die politische Opposition wie auch die UNO und die Afrikanische Union kritisierten den Schritt ebenfalls: Sie fürchteten neue Instabilität im Land. Die ist nun eingetreten.
Bei den Kämpfen am Sonntag wurden schwere Waffen wie unter anderem Raketenwerfer eingesetzt. Während der Kämpfe sagte ein aufständischer Soldat der US-Presseagentur AP: „Wir können nicht noch einmal leben mit einem Siad Barre.“ Das war Somalias einstiger Diktator, der 1991 von Rebellen gestürzt wurde. Seitdem hat das Land keine stabile Regierung mehr.
Einwohner von Mogadischu bleiben seit Sonntag möglichst zu Hause, während es auf den Straßen von Militär und Polizei wimmelt. Die wichtigen Verkehrsadern sind alle blockiert.
Kein Entrinnen aus den Clanrivalitäten
Die Aufständischen kommen wahrscheinlich von Stützpunkten außerhalb der Stadt und gehören überwiegend zum mächtigen Hawiye-Clan, dem die beiden Expräsidenten Hassan Sheikh Mohamud und Sharif Sheikh Ahmed angehören. Die zwei haben geschworen, Farmaajo, der zum ebenfalls mächtigen Darod-Clan gehört, zu entfernen, wenn er nicht zu Verhandlungen über die Wahlen zurückkehrt oder zurücktritt. Beide sagen, dass Farmaajo-treue Soldaten ihre Häuser attackiert hätten. Die Regierung verneint das. In Mogadischu herrscht vorläufig ein Patt.
In Somalia wird alles vom Clansystem kontrolliert. Politische Zusammenarbeit ist schwierig für die Leiter der Clans, sie wollen alle so viel Macht wie möglich für die eigene Gruppe. Aber Farmaajo, der lange in den USA gelebt hat, gewann vor vier Jahren die indirekten Wahlen mit der Unterstützung nicht nur seines eigenen Clans. Viele Somalier glaubten, dass er über den Clanstreitigkeiten stehen würde. Aber darin wurden sie enttäuscht. Um seine Wiederwahl 2021 zu sichern, spielte auch er die Clankarte.
Die Wahlen sollten schon im Dezember 2020 stattfinden, dann Anfang Februar 2021. Aber Farmaajo, die Opposition und zwei der fünf somalischen Bundesstaaten – Puntland und Jubaland – konnten sich nicht über das Abstimmungsverfahren einigen. Somalia hat ein einzigartiges Wahlsystem: Es gibt keine direkten Wahlen, sondern die Führer der Clans wählen die Abgeordnete des Parlaments und die fünf Bundesstaaten wählen den Senat. Parlament und Senat zusammen wählen dann einen Präsidenten.
In den letzten vier Jahren sollte Farmaajo diese vorläufige Verfassung in eine dauerhafte Verfassung verwandeln, die direkte Wahlen garantiert. Er hat das nicht geschafft, und direkte Wahlen in Somalia gelten ohnehin noch nicht als realisierbar wegen der großen Unsicherheit im Land, das zu großen Teilen von den islamistischen Shabaab-Rebellen kontrolliert wird.