piwik no script img

Krise in GriechenlandWas die Griechen noch verdienen

Vor allem im öffentlichen Dienst leiden die Menschen unter drastischen Einkommenskürzungen: Ein Polizist kommt nur noch auf 685 Euro netto im Monat.

Wer würde da nicht nachdenklich: Polizisten bewachen die griechische Nationalbank. Bild: dpa

ATHEN taz | Seit Beginn der Krise sind die Löhne in Griechenland um mehr als ein Drittel gesunken, vor allem im öffentlichen Dienst. Beispiele:

Ein Grundschullehrer, der seit zehn Jahren im Dienst ist, verdient ca. 900 Euro netto im Monat. Vor 2009 hätte er sich noch auf ein anständiges Nettogehalt von 1.500 Euro gefreut. Zulagen, etwa für Weiterbildung, wurden gestrichen.

Besonders kritisch ist die finanzielle Lage derjenigen Lehrer, die nicht an ihrem Dienstort wohnen und am Wochenende ihre Familie besuchen. Schon vor der Krise wollte der Staat nicht für Pendlerkosten oder Zweitmiete aufkommen, das mussten die Pädagogen aus ihrem Nettoeinkommen zahlen. Das müssen sie immer noch – nur reicht das Geld jetzt erst recht nicht.

Ein Polizeibeamter hat, je nach Dienstgrad, Einbußen von bis zu 45 Prozent erleiden müssen. Heute beträgt sein Grundgehalt 685 Euro netto im Monat, im Gespräch ist eine weitere Kürzung um 7 Prozent. Die nicht gerade üppige Zulage von 2,93 Euro pro Stunde für Nachtarbeit wird bis Ende des Jahres nicht mehr ausgezahlt. Gewerkschaftsführer warnen davor, die Polizei als Instrument der Repression gegen die Streikenden zu nutzen. „Auch Polizeibeamte sind leidende Arbeitnehmer wie der Rest der Bevölkerung auch“, erklärt der Chef der griechischen Polizei-Gewerkschaft.

Ein Zeitungsjournalist mit zehnjähriger Berufserfahrung hätte, laut Tarifvertrag, Anspruch auf ein Mindestgehalt von 1.670 Euro. Doch spätestens seit 2010 werden Tarifverträge meist ignoriert. Verleger lassen ihre Journalisten neue Einzelverträge unterschreiben, in denen Gehaltskürzungen von mindestens 10 bis 20 Prozent vorgesehen sind. Wer nicht mitmacht, wird in der Regel fristlos entlassen, hat aber immerhin noch Anspruch auf eine Abfindung.

In der sonstigen Privatwirtschaft gibt es keine einheitliche Regel für Gehaltskürzungen, da hier Tarifautonomie herrscht – zumindest auf dem Papier. „Ermutigt“ durch die Kürzungen im öffentlichen Dienst haben allerdings auch viele Arbeitgeber in der Privatwirtschaft Gehaltskürzungen von 20–30 Prozent durchgesetzt oder sind mit Personalzahlungen im Verzug.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • TW
    Teodor Webin

    Was in dem Beitrag leider vollkommen fehlt, ist die Zahl der gearbeiteten Stunde und Tage - wenn man nämlich die Stundenlöhne errechnen würde, dann käme da noch wesentlich mehr raus.

     

    Zu den Vorkommentaren: Ich kann denjenigen die hier meinen, die "faulen Griechen" würden "uns" auf der Tasche liegen, garantieren, in der Krise hat Deutschland bisher aus Griechenland lediglich Gewinn geschlagen, kein Cent von "euren" Steuern ist in Griechenland.

     

    Darum geht es nämlich auch letztlich nicht: Es wird, wie Söder ja deutlich sagte, ein Exempel statuiert. Exempel soll heissen beispielhaft - die Aufweichung von Tarifen, der 13-Stunden-Tag und die 6-Tage-Woche kommen auch hier. Dann werden alle, die heute über die "faulen Griechen" schimpfen plötzlich darüber schimpfen, dass die Griechen sich nicht ordentlich dagegen gewehrt hätten.

     

    In dem Sinne behalten die Polizisten Griechenlands hoffentlich ihre Ausrüstung in der Hand und drehen sich mal um...

  • C
    Cometh

    ... mir fehlt auch eine ehrliche Übersicht über die Vermögenslage der Griechen, einschließlich Immobilienbesitz, Booten, Autos u.ä.

     

    Angesichts der veröffentlichten Summen, die von gr. Konten ins Ausland transferiert wurden, kann man mir nicht erzählen, dass die alle arm sind.

     

    Im Moment sieht es seher so aus, dass geringverdienende deutsche Arbeitnehmer vergleichsweise (noch) wohlhabende Griechen finanzieren sollen. Das ist ein neuer Begriff von Solidarität.

     

    Möglichweise sind die 680 Euro Posten auch nur einfach eine spezifisch griechische Form des bedingungslosen Grundeinkommens und man erarbeitet den eigenen Wohlstand daneben.

     

    Es leuchtet nicht ein, warum sich die Griechen nicht an ihre unsolidarischen Landsleute mit Auslandskonten usw. halten, bevor sie sich an uns wenden. Sind wir einfach nur netter?

  • P
    p3t3r

    tja die griechen bluten für die reichen, denn wohin fließen die milliarden die griechenland einspart, um die zinsen der reichen zu bezahlen, zu den banken der reichen.

    die umverteilung von unten nach oben erreicht die näxte ebene, in dem ganze staaten ausgepresst werden und die politische elite der einzelnen staaten machen mit, weil sie denken das sie zu den großen playern dieser welt gehören,

    wohin solln sie aber wenn der staat ihnen um die ohren fliegt...

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Wenn ich sehe wieviele Griechen noch mit dem Auto fahren kann die Krise noch nicht so schlimm sein. Gerade bei den Benzinpreisen ist noch Luft nach oben!

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • RF
    Rick Fischer

    Das ist etwa bei den Lehrern ein Gehalt, vergleichbar mit Polen oder Littauen. Und immer noch eine Ecke mehr als die Lehrer im Euroland Slowakei - dass sich nach Willen der anderen Mitglieder an den Hilfen für das wohlhabendere Griechenland beteiligen sollte! - bekommen.

     

    Statt von Kürzungen muss hier eher von Normalisierung gesprochen werden. Der Rausch ist vorbei, jetzt kommen halt die Kopfschmerzen. Dass sich mein Mitgefühl in Grenzen hält, bereitet mir da kein schlechtes Gewissen.

     

    Einfach nur die Zahlen von Deutschland und Griechenland gegenüberzustellen ist schlicht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Oder Oliven mit Autos.

     

    mfG

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Das ist für die Betroffenen definitiv sehr hart - man darf dabei allerdings auch nicht vergessen, dass das verfügbare Realeinkommen der Griechen von 2000 bis 2010 zwischen 40% (ärmste Einkommensdezentil) und 20% (reichste Einkommensdezentil) gestiegen ist (ohne dass die griechische Volkswirtschaft das auch nur ansatzweise hergegeben hätte), während das verfügbare Realeinkommen der Deutschen in demselben Zeitraum zwischen 9% (ärmste Einkommensdezentil) und 8% (reichste Einkommensdezentil) fiel: http://ftalphaville.ft.com/blog/2012/08/17/1123391/greece-portugal-and-spain-really-have-benefitted-most-from-the-euro/

  • P
    Polizeikritik

    Die Polizei wählt Chrysi Avgi, in diesem Sinne ist jede Spaltung von Faschisten mit und ohne Uniform wünschenswert.

     

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/wahl-in-griechenland-krise-macht-die-rechtsextremen-stark-a-838966.html

  • E
    e.a.

    fast 700 euros... das ist ja immernoch spätrömisch-dekadent viel... Nicht jeder soll das recht haben, von seinem gehalt leben zu können, sind wir hier etwa im kommunistischen schlaraffenland? Nur eine kleine Eliten-Schicht hat das Recht, bekömmlich zu leben.

  • FV
    Frank von der Kammer

    Wenn die Kürzungen bei den offiziellen Gehältern offenbar nix bringen, dann muss der Hund woanders begraben sein.

  • JK
    Juergen K.

    Da werden wir wohl auch irgendwann mal "wettbewerbsfähig" werden müssen.

     

    Oder outgessourced.

  • IS
    Internationale Solidarität

    Warum arbeiten eigentlich noch griechische Polizisten mit einem Grundgehalt von 685 Euro netto im Monat für einen Staat, der sie und alle Bürger ausbeutet und die reichsten Menschen schützt? Die Frage kann man natürlich für jedes Land stellen, aber gerade bei solch lächerlich niedrigen Löhnen sollte doch die Bereitschaft drastisch sinken, weiterhin für ein ungerechtes ausbeuterisches System zu arbeiten. Oder wie sieht ihr das?

    Meine ganze Solidarität haben auf jedenfall alle Arbeiter und Arbeiterinnen Griechenlands. Ich hoffe wir alle werden es einestages schaffen, gemeinsam für eine bessere Welt zu kämpfen und echte demokratische Strukturen aufzubauen, in der arbeitende Menschen über ihr Schicksal und nicht Herrschende und Vermögende entscheiden. Für Frieden und Gerechtigkeit!

  • M
    Meier3

    Griechenland hat fast doppelt so viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst wie Deutschland. (bezogen auf die Gesamtbevölkerung)

     

    Dennoch sind die staatlichen Dienstleitungen schlechter als bei uns.

     

    Ein Grund ist überbordende Bürokratie.

     

    Statt die Gehälter noch weiter zu kürzen, sollten diejenigen rausgeschmissen werden, die nicht nur nichts tun, sondern die tatsächlich arbeitende Bevölkerung auch noch beim Arbeiten stören.

     

    Die verbleibenden könnten dann ordentlich bezahlt werden.