Krise im Antidopingkampf: Die Wada kann’s nicht mehr
Die USA stoppen den Geldfluss zur Behörde der Antidopingkämpfer. Eine längst überfällige Aktion, denn in der Wada ist nicht mehr drin, was draufsteht.
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W enn die Welt etwas zusammen unternimmt, dann ist das eine irgendwie feine, aber auch ziemlich komplizierte Sache. Wie ernst es eine bestimmte Nation unter den vielen assoziierten Nationen meint, wird aber erst dann deutlich, wenn sie die Brieftasche öffnet. Wird der Jahresbeitrag fällig für die gemeinsame Anstrengung oder die guten Absichten, trennen sich Dampfplauderer von aufrichtigen Playern.
In den UN zum Beispiel haben sich 193 Länder zusammengefunden, aber nur etwa 150 zahlen ihren vollen Mitgliedsbeitrag; im Jahr 2002 waren es sogar nur 117. In der internationalen Gesundheitsorganisation WHO ist der reguläre Beitrag der Mitglieder so klein, dass freiwillige Regierungsspenden oder Geld von Privaten die Organisation über Wasser halten.
In der internationalen Antidopingbehörde Wada sind sie zwar noch nicht so weit, sich querfinanzieren zu lassen, was ja Fragen nach der Unabhängigkeit des Tuns aufwerfen würde, aber ein großes Finanzierungsthema hat die Wada auch. Zu den knapp 50 Millionen US-Dollar, mit denen die in Toronto ansässige Behörde für sauberen Sport sorgen will, trägt das Internationale Olympische Komitee die Hälfte bei.
Die restlichen 50 Prozent kommen von den entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten. Auch hier ist die Zahlungsmoral schlecht. Im Jahr 2024 sind 32 afrikanische Länder säumig gewesen, das heißt, sie haben, obwohl ihre Belastung eh sehr gering ist, gar nichts bis fast nichts bezahlt, ebenso acht Länder aus Asien, vier aus Europa (Island!, Malta!), 17 aus Nord- und Südamerika. Stets vorbildlich in Finanzfragen: Ozeanien.
Merkwürdige Nachlässigkeiten
Als interessierter Beobachter fragt man sich natürlich, warum Nationen, die keine Lust haben, ihren Beitrag zum weltweiten Antidopingkampf zu leisten, nicht gesperrt werden. Die Sportler aus Surinam, Puerto Rico, Kuwait, Honduras, Iran, Turkmenistan, der Elfenbeiküste oder Gabun könnten dann nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Aber dem ist nicht so. Die Welt-Anti-Doping-Agentur ist merkwürdig kulant – was den größten Beitragszahler, die USA, ins Grübeln gebracht hat.
Die Wada war auch den Chinesen gegenüber kulant, als die einen großen Schwimmdopingskandal zuerst vertuschen und dann bagatellisieren wollten. Die Chinesen erklärten, die Schwimmer hätten eine verbotene Substanz im Urin gehabt, weil ein mit Anabolika gepimptes Schwein durch die Hotelküche gerannt sei – oder so ähnlich. Die Erklärungen können gar nicht absurd genug sein, um nicht als Entschuldigung zu taugen und von Funktionären geglaubt zu werden.
Die Wada jedenfalls hat in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, ihren Ruf anzukratzen: Reformstau, eine ungute Nähe zum IOC, eine erstarrte Bürokratie – und ein Verfolgungsdruck, den viele Sportler als Wohlfühlmassage erleben. Kein Wunder, dass die Zufriedenheit mit der Wada unter den Sportlern jährlich steigt. Die Zufriedenheit der USA mit der Wada ist freilich auf einem Tiefpunkt angelangt.
Man hat deswegen den Jahresbeitrag für 2024 von 3,6 Millionen US-Dollar – keiner zahlt mehr – einbehalten. Schon 2022 hatten die USA damit gedroht, die Zuwendungen einzufrieren. Dass sie das nun in die Tat umgesetzt haben, ist ein guter, ein längst überfälliger Schritt, denn der Antidopingkampf braucht einen neuen Anschub, eine harte Revision. Es gäbe wirklich viel zu tun.
Die Zweifel, dass die Wada diesen Job noch substanziell gut erledigen kann, wachsen von Tag zu Tag. Denn in der Behörde unter dem Vorsitz des Polen Witold Bańka ist nicht mehr drin, was draufsteht.
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