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Krise der Berliner SPDSozi kritisiert Sozi

Der einflussreiche Abgeordnete Torsten Schneider wirft Berlins SPD-Landeschef Michael Müller Führungsschwäche vor.

Ein Bild aus besseren Tagen: Michael Müller, Raed Saleh und Torsten Schneider (von links) 2015. Foto: dpa

Der Nachwahl-Schlagabtausch in der SPD verschärft sich weiter. Erstmals richtet sich die Kritik jetzt explizit gegen Landeschef Michael Müller, der zugleich Regierender Bürgermeister ist. Der parlamentarische Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion, Torsten Schneider, wirft ihm falsche Schlüsse aus dem Wahlergebnis vor: Müllers „Analysen halten einer Faktenbetrachtung nicht stand“, schreibt Schneider in einem zweiseitigen Papier, das der taz vorliegt. Bei der Bundestagswahl hatten die Sozialdemokraten so schlecht wie nie abgeschnitten und wurden hinter CDU und Linkspartei nur drittstärkste Kraft. In dieser Woche liegen sie erstmals auch in Umfragen zur Abgeordnetenhauswahl hinter der Linkspartei.

Schneiders Wortmeldung ist die dritte eines führendes Berliner SPDlers nach der Wahlschlappe: Zuerst legte Parteivize und Bildungsstaatssekretär Mark Rackles ein Thesenpapier vor, in dem er eine stärkere Zusammenarbeit mit der Linkspartei anregt. Dazu gehört für ihn, dass SPD und Linkspartei in knappen Wahlkreisen Stimmen bündeln, um den Sieg eines CDU-Kandidaten zu verhindern. Der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh hatte diesen Vorschlag als „dämlich“ abgetan. Er forderte seinerseits in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel den Austausch der Führungsriege in der SPD-Bundesspitze. Den Bundesvorsitzenden Martin Schulz nahm er davon aus.

Müller hatte das Wahlergebnis unter anderem mit einem europaweiten Rechtsruck erklärt und intern kritisiert, sein Landesverband sei zu einer Partei der Arbeitsgemeinschaften und Fachausschüsse geworden, quasi zu einer „Aneinanderreihung von Minderheitenpositionen“ – was Schneider hingegen als „Bereicherung“ betrachtet.

Schneider, der als parlamentarischer Geschäftsführer eng mit Saleh zusammenarbeitet, verstärkt dessen Kritik. Wahlkreiskandidaturen mit der Linkspartei abzusprechen, sei eine „Abwendung vom Alleinstellungsmerkmal“ der Berliner SPD, die „Berlinpartei“ zu sein. Der Vorschlag beinhalte „die unsolidarische und kurzsichtige politische Abspaltung sämtlicher ehemaliger Ostberliner Kieze und von Friedrichshain-Kreuzberg“, schreibt Schneider, der seinen Wahlkreis in Pankow hat. Nur in zwei Westberliner Bezirken würde die SPD von solchen Absprachen profitieren. „Bundesweit würde diese regionale Aufteilung bedeuten, dass die SPD reine ,Westpartei' wird.“

In seinem Fazit wähnt Schneider Müller hinter Rackles’ Thesenpapier: Die Vorschläge offenbarten „eine bis zur Selbstaufgabe ausufernde Führungsschwäche und Praxisferne“, schreibt er. Sie müssten von der Partei zurückgewiesen werden. Die will in dreieinhalb Wochen ihren Landesparteitag abhalten – am 11. November, anderswo Auftakt der närrischen Jahreszeit. Vorstandswahlen stehen dort allerdings nicht an, sondern erst beim folgenden Parteitag im Mai.

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