Kriminalität: Nachts sind alle Katzen grau
Infolge von Schüssen in der Potsdamer Straße starb ein Mann. Zwei Männer wurden schwer verletzt, darunter ein Radfahrer. Der Hintergrund ist unklar.
Polizei und Rettungskräfte hatten in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag in Schöneberg viel zu tun. Gegen 1 Uhr kam es dort laut Staatsanwaltschaft zu einem Tötungsdelikt. Bei Schussgaben in der Bülowstraße Ecke Potsdamer Straße seien drei Männer im Alter von 44 und 42 Jahren verletzt worden. Einer der beiden 42-Jährigen sei auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Die beiden anderen wurden operiert und befinden sich nach wie vor in stationärer Behandelung.
Zur falschen Zeit am falschen Ort, das gilt für den anderen 42-Jährigen. Dem Vernehmen nach ist inzwischen klar, dass der Mann mit der Schießerei nichts zu hatte, sondern zufällig auf einem Fahrrad vorbeikam. Von den Schüssen getroffen, lag er nicht ansprechbar auf dem Bürgersteig. Über die Hintergründe wurde bisher nichts bekannt. Eine Mordkommission ermittelt, heißt es nur. Der oder die Täter seien auf der Flucht.
Redseliger zeigt sich Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, auch wenn es sich dabei zugegebenermaßen um Spekulationen handelt. Dass die Tat einen Bezug zur Organisierten Kriminalität habe, sei nicht auszuschließen. „Wir alle wissen“, so Jendro, dass im Bereich Potsdamer Straße der Prostitution nachgegangen werde und diese ein lukratives Feld der Organisierten Kriminalität sei. Dabei gehe es um viel Geld und die Durchsetzung von Macht auf der Straße, auch mit Waffengewalt.
Am Morgen danach geht das Leben auf der Potsdamer Straße seinen normalen Gang. In den Cafés und Geschäften nimmt man es gelassen. Auf die Frage, ob er was mitbekommen habe, immerhin befindet sich die entglaste Haltestelle vor seiner Tür, ruft der Schuster in gespielter Empörung: „Ich habe geschlafen!“ Der Obdachlose schläft immer noch tief auf seinem Stammplatz vor der ehemaligen Post.
Der Einzige, der einen kritischen Ton anschlägt, ist ein Verkäufer in einem der Döner-Imbisse. „Scheiße Straße“, schimpft er und macht eine Bewegung, als wolle er sich eine Spritze in den Arm jagen. „Viele Drogen“.
Man kann der Potse, wie die Straße auch genannt wird, vieles nachsagen, aber nicht das. Probleme mit Junkies und Dealern gehören – anders als am Kreuzberger Kotti und im Wrangelkiez – schon lange der Vergangenheit an. Die Potse ist bunt und multikulti, es wohnt sich dort ziemlich gut. Nicht nur tagsüber. Und nachts sind alle Katzen grau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht