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Krimi Zwölf Winter mit Jürgen VogelKleinbürger im Untergrund

Eine herrlich traurige Gaunerballade, basierend auf einer wahren Geschichte: Am Freitag um 21 Uhr sind Jürgen Vogel und Axel Prahl in "Zwölf Winter" auf Arte zu sehen.

Noch schauen die beiden Bankräuber zuversichtlich in die Zukunft. Bild: wdr/tom trabow

Eine Bank überfallen? Schwierig. Einfacher ist es heutzutage wohl, eine Bank mal eben mittels Aktiengeschäften auszurauben, jedenfalls scheint es da weniger Überwachung zu geben als in der Schalterhalle. Trotzdem: Gerade jetzt, in der Bad-Bank-Zeit, legt der Regisseur Thomas Stiller mit "Zwölf Winter" einen herrlich melancholischen Film vor, eine Gangsterballade, basierend auf einer wahren Bankraubserie.

Liebevoll inszeniert Stiller die Tristesse der Provinz und des Lebens sowie die Wehmut, die alle Filmfiguren umweht. Der Film hält sich dabei, wie seine Protagonisten, an ebenso strenge wie einfache Regeln und ist damit das genaue Gegenteil von Stephen Sonderberghs Gaunermovie "Oceans Eleven": Kreisstädte statt Vegas, Reduktion auf das Wesentliche statt großem Tamtam, geradlinig erzählt statt dramaturgisch verwirrend.

Zwölf Jahre lang überfallen Klaus Stark (Axel Prahl) und Mike Roth (Jürgen Vogel) Banken. Das ist ihr Job. Die Überfälle finden stets im Winter statt, immer im Schutz der Dunkelheit, immer ohne Gewalt, und immer trifft es Sparkassenfilialen in Käffern und Kreisstädten, aber nie mehr als zwei, drei im Jahr. Stark und Roth haben sich im Knast kennengelernt; ein dritter Kumpel muss aussteigen, er hat Krebs. Stark erscheint mit Stullen und Thermoskanne zu den Observierungen, im Prinzip ein Kleinbürger im Untergrund, der für den Lebensabend in Marokko spart. Roth dagegen verprasst die Beute munter: Frauen, Partys, Autos, all das. Und da die Coups gut geplant sind, müssen die Polizisten lange Katz und Maus spielen, um den Knackis das Handwerk zu legen.

Bitter anzusehen ist der Kampf gegen die unbarmherzig voranschreitende Zeit, der sich als Motiv durch alle Handlungsebenen des Films zieht: Die Täter werden von den Zeugen immer wieder jünger geschätzt, als sie tatsächlich sind. Der Grund: Sie trainieren eisern, treiben Sport. So versuchen sie, sich der Zeit entgegenzustemmen.

Andererseits jedoch arbeitet die Zeit an allen Fronten gegen die beiden: Etwa wenn sie monatelang eine Bank observieren, um sie schließlich zu erstürmen und festzustellen, dass die Kassierer längst durch Automaten ersetzt wurden. Oder wenn Roth im Gefängnis von seiner Freundin verlassen wird, weil sie nicht auf ihn warten möchte. Oder wenn das Fortschreiten der Zeit dem erkrankten Freund der beiden geradezu auf den zerfallenden Leib geschrieben ist.

Kameramann Marc Liesendahl hat die melancholische Grundstimmung in perfekte Bilder gefasst: kühle Farben, Wald, Nebel. Ein schlichter Film. Doch genau in dieser Schlichtheit liegt eben auch seine Schönheit.

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