Krimi-Serie in Dublin: Ermittlerin mit Elektroschocker
In der Serie „Harry Wild“ geht eine pensionierte Literaturprofessorin auf Mörderjagd. Ihren neuen Job betreibt sie mit kreativen Methoden.
Mit einer launig-schmissigen Abschiedsrede sagt Literaturprofessorin Harry Wild (Jane Seymour) ihren Student*innen Lebewohl und begibt sich auf direktem Weg von ihrem Arbeitsplatz in ihren Dubliner Lieblingspub. Dort wird ihr Rentnerinnen-Einstand mit viel Schnaps begossen, und in der Hoffnung auf ein paar Knutschereien mit dem neuen Geschichtsprofessor wird der Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Am nächsten Tag jedoch sieht das Leben für die Seniorin schon ganz anders aus. Langweilig ist ihr. Und das Buch, das sie schreiben möchte, will auch nicht so recht gelingen – aber immerhin schmeckt der Rotwein ganz gut, und die Aussicht auf ein paar Dates ist auch nicht ganz verkehrt. Aber es fehlt der Pep, die Aufgabe in ihrem Leben. Doch Ablenkung von ihrem neuen tristen Alltag kommt Harry Wild dann schneller, als ihr lieb ist. Am helllichten Tag wird sie von einem jungen Mann ausgeraubt und leicht verletzt. Wilds Welt ist erschüttert.
In der Folge zieht sie vorübergehend zu ihrem Polizistensohn Charlie (Kevin Ryan) und dessen Frau Orla (Amy Hubermann) sowie ihrer Enkelin Lola (Rose O'Neill). Sonderlich beliebt macht sich Harry in ihrem neuen Zuhause allerdings nicht – Rauchen im Haus oder der Wunsch nach einem schönen Joint stoßen bei ihrem sehr disziplinierten Sprössling auf wenig Gegenliebe.
Zudem hat Charlie selbst auch alle Hände voll zu tun, denn neben seiner überfallenen Mutter hat er einen leicht psychopathisch anmutenden Mord aufzuklären: Ein alter, pädophiler Mann wurde in seiner Wohnung mit einem Hammer erschlagen. Seine Leiche wurde mit Kerzen umstellt und damit ordentlich in Szene gesetzt. Und dann ist da auch noch eine junge Schauspielerin, die verschwunden ist.
„Harry Wild – Mörderjagd in Dublin“, erste Staffel mit acht Episoden in der ZDF-Mediathek
In ihrem neuen Zuhause wird Harry natürlich auch schnell wieder langweilig. Sie beginnt also im Haus ihres Sohnes herumzustöbern und stößt – Überraschung – auf die Ermittlungsakte zum Hammermord. Kaum reingelesen, kommt ihr ein Ermittlungsansatz in den Sinn. Denn das Mordvorgehen erinnert sie stark an die Handlung aus einem alten Buch, das sie mal gelesen hat.
Aufgeregt versucht sie, Charlie von ihrer Erkenntnis zu überzeugen – erfolglos! Ihr Sohn ist not amused und versteift sich auf die klassische alte Polizeiarbeit. Er will nichts von literarischen Vorbildern hören.
Und so kommt es, wie es kommen musste: Die Seniorin Harry besorgt sich einen potenten Elektroschocker und ermittelt auf eigene Faust. Ungeahnte, und nicht ganz freiwillige Hilfe bekommt sie dabei von niemand anderem als Fergus (Rohan Nedd), dem jungen Mann, der sie überfallen und verletzt hatte. Denn: Man begegnet sich immer zwei Mal im Leben, und niemand ist nur schlecht oder nur gut.
„Harry Wild – Mörderjagd in Dublin“ ist eine kurzweilige, amüsante Krimiserie mit einer überzeugenden und immer schlagfertigen Hauptdarstellerin.
Sicher ist der ein oder andere Kriminalfall unrealistisch und ein bisschen drüber. Doch das kann man, mit Blick auf den hohen Unterhaltungswert, durchaus verkraften. Das sehen wohl einige so, denn eine zweite Staffel ist schon bestellt. Bis die hierzulande zu sehen ist, heißt es abwarten. Bis dahin: Habt Respekt vor älteren Damen! Du weißt nie, ob sie nicht einen Elektroschocker dabei haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen