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Kriegsfolgen im IrakEssen im Koffer statt im Kühlschrank

Trotz verbesserter Sicherheitslage bleibt Gewalt ein dominierender Aspekt im Leben von irakischen Frauen. Vor allem Witwen leiden unter der Armut.

Jede dritte Irakerin musste erleben, wie mindestens ein Familienmitglied einen gewaltsamen Tod gestorben ist. Bild: dpa

KAIRO taz "Irakische Frauen leiden eine stille Not, gefangen in einer Spirale von Gewalt, Armut und persönlicher Unsicherheit, trotz der generellen Abnahme der Gewalt im Land". So lautet die düstere Schlussfolgerung einer Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam mit dem Titel "In ihren eigenen Worten".

Die Umfrage wirft ein erschreckendes Schlaglicht auf die Lage der Frauen im Irak. Sie zeigt, wie besonders Frauen trotz verbesserter Sicherheitslage mit den Konsequenzen des Krieges täglich zu kämpfen haben. Gewalt bleibt ein dominierender Aspekt im Leben der 1.700 befragten Frauen. Mehr als die Hälfte bezeichnen sich als Opfer von Gewalt. Jede fünfte Irakerin spricht von häuslicher Gewalt. Jede dritte irakische Frau hat erlebt, wie mindestens ein Familienmitglied einen gewaltsamen Tod gestorben ist.

Vor allem beim Tod der Ehemänner, Väter und Brüder hat das oft den Absturz in Armut zur Folge. 76 Prozent der Witwen erhalten keinerlei Rente vom Staat. Dazu kommt, dass seit dem Krieg 2003 über die Hälfte der Frauen mindestens einmal aus ihren Häusern vertrieben wurden.

"Mein Vater hatte einen Laden für Farben im Zentrum von Bagdad. Es ging uns finanziell gut. Als die Gewalt zunahm und wir umziehen wollten, ging er am 16. Juni 2004 ein letztes Mal in sein Geschäft, als davor eine Bombe explodierte und ihn tötete. Er hatte das einzige Einkommen der Familie verdient. Meine Mutter bekam als Witwe keine Pension vom Staat", wird Huda in der Oxfam-Studie zitiert. Danach wurde ihr Bruder von Milizionären umgebracht. Huda wurde später noch zweimal aus ihrem Haus vertrieben und versucht heute, mit zwei Jobs ihre Familie zu ernähren. Sie ist kein Einzelfall.

Zeinab berichtet, wie ihr Antrag auf Witwenrente immer abgelehnt wird: "Mein Mann ist weder krank, behindert noch tot. Er wurde entführt und wurde seitdem nie mehr gesehen. Er gilt als vermisst. Dafür gibt es keine Gesetzesregel und damit auch kein Geld. Ich arbeite als Putzfrau und an manchen Abenden habe ich mit meinen Kindern nur Brot und Tee zum Essen".

Ein Viertel der befragten Frauen hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ein Drittel hat weniger als drei Stunden am Tag Strom. Wie Amal: "Ich würde meinen Kindern gerne sauberes und kaltes Trinkwasser anbieten und unsere Lebensmittel nicht statt in einem Kühlschrank in einem Koffer lagern. Ich würde gerne richtige Arbeit finden. Ich bin total ausgelaugt, aber immerhin muss ich noch nicht betteln gehen. Meine Würde ist alles, was mir geblieben ist", sagt sie. Amal verkauft Ziegel, die sie gesammelt hat.

Über 40 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass ihre Söhne und Töchter nicht zur Schule gehen. Die Unsicherheit des Schulweges, hohe Transportkosten oder konservative Vorstellungen über Mädchenausbildung werden als häufigste Gründe angegeben. Der Irak hatte vor dem Krieg die höchste Einschulungs- und die geringste Analphabetenrate in der arabischen Welt.

Da jeder dritte Iraker ein Feuergefecht oder einen Bombenanschlag erlebt hat und jeder zehnte erfahren hat, wie er selbst oder ein Familienmitglied entführt oder verhaftet wurde, erhebt sich zudem die Frage, welche psychischen Folgen die Gewalt im Land für die Einzelnen haben. Um das herauszufinden, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO in Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung über 4.300 Iraker über ihren psychischen Gesundheitszustand befragt.

Das Ergebnis der Studie, die jetzt im Journal World Psychiatry veröffentlicht wurde, ist überraschend. Die Iraker scheinen nach Jahrzehnten des Krieges und schwerer Lebensumstände mental relativ abgehärtet zu sein. Nur 17 Prozent gaben an, unter einem posttraumatischen Stresssyndrom oder einer Depression gelitten zu haben.

"Traumata und der Umgang damit scheint nach sechs Jahren brutalen Konflikts und nach den Jahren unter Saddam Hussein eine Art irakischer Way of Life zu sein", folgern die Autoren der Studie. "Die Fähigkeit, mit riesigen Problemen fertig zu werden, gibt uns Irakern große Hoffnung für die Zukunft", erklärte der irakische Gesundheitsminister Saleh Al-Hasnawi in Bagdad bei der Vorstellung der Studie.

Allerdings scheinen dabei nur die wirklich schweren Fälle angegeben worden zu sein, da psychische Krankheiten im Irak stark stigmatisiert sind. Das zeigt sich daran, dass sieben von zehn Irakern, die angaben, unter einer solchen Krankheit gelitten zu haben, erklärten, dass sie mit dem Gedanken an Selbstmord gespielt hätten.

Nur zehn Prozent derer, die unter psychischen Krankheiten litten, erklärten, dass sie behandelt worden sind. Von den wenigen spezialisierten Ärzten sind viele ins Ausland geflohen. In dem Land mit fast 30 Millionen Einwohnern gibt es laut der 102-seitigen Studie ganze 437 Psychiater und Sozialarbeiter.

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