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Kriegsflüchtlinge in Syrien„Wie Hunde, elend und verdreckt“

Palästinensische Flüchtlinge in Syrien werden an der Flucht gehindert oder gleich massakriert. Viele von ihnen stranden an der syrisch-libanesischen Grenze.

Ein Mädchen steht im Flur einer Schule an der syrisch-libanesischen Grenze, wo ihre Familie Unterschlupf gefunden hat. Bild: dapd

BEIRUT taz | „Wir waren vorbereitet. Jeder in unserem Lager wollte für unsere Brüder und Schwestern aus Syrien zusammenzurücken. Aber die syrischen Grenzer ließen sie nicht in den Libanon reisen. Nun sind sie tot,“ sagt Mohammed al-A. Er is ein hochrangiges Mitglied der PLO im palästinensischen Flüchtlingslager Burj al-Barajneh in Libanons Hauptstadt Beirut.

Mindestens 20 Menschen starben, 45 wurden verletzt, viele davon verstümmelt oder verbrannt, als regimetreue Soldaten und Milizen am Donnerstag das palästinensische Flüchtlingslager Yarmuk bei Damaskus angriffen.

Die Palästinenser in Syrien sind bislang kaum am bewaffneten Aufstand beteiligt. Sie geben Damaszener Binnenflüchtlingen und auch Rebellen der Freien Syrischen Armee Unterschlupf. Doch bereits am Dienstag erfuhr der Beiruter PLO-Mann, dass an der syrisch-libanesischen Grenze rund 100 palästinensische Familien gestrandet seien. Weder ließen die Syrer die Flüchtenden ausreisen, noch erlaubten die Libanesen ihnen die Einreise. Die PLO und auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah konnten die syrischen Behörden nicht davon abbringen, die Ausreisegenehmigungspflicht auszusetzen.

Die 100 Familien reisten also am Mittwoch zurück nach Yarmuk. Einige durften das Land dann verlassen. Andere bekamen am Donnerstag keine Papiere mehr – und sahen sich, nachdem sie zu Wochenbeginn bereits 100 Meter vor der Grenze Libanons gestanden hatten, inmitten eines Angriffes.

Eine Damaszenerin berichtet von einer im Straßenschmutz kauernden und schlafenden palästinensischen Familie, kaputt und ausgebrannt. „Wie die Straßenhunde lagen sie da, elend und verdreckt“, erzählt sie.

179 Tote an einem Tag

Auch anderswo dauerten nach Oppositionsangaben die Angriffe syrischer Regierungstruppen auf Zivilisten an. Etwa 50 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, seien am Donnerstag bei einem Angriff im zentralsyrischen Hama getötet worden. Nach Angaben der oppositionellen Beobachtungsstelle für Menschenrechte war der Donnerstag mit mindestens 179 Toten einer der blutigsten Tage seit Beginn der Revolte im März 2011.

Gestern beschoss die syrische Armee Rebellenviertel von Damaskus und Aleppo, wie Aktivisten berichteten. Kämpfe gab es in Damaskus um das Viertel Tadamun, nahe dem palästinensischen Flüchtlingslager Yarmuk, letzte Hochburg der Rebellen in der syrischen Hauptstadt. Aktivisten berichteten am Freitagnachmittag, Dutzende von Panzerfahrzeugen seien dabei, in das Viertel einzurücken.

Im nordsyrischen Aleppo beschoss die Armee das Stadtviertel Salaheddin, eine Hochburg der Rebellen. Laut UNHCR ist es wegen der Blockade durch die Armee unmöglich, Hilfsgüter in die Stadt zu bringen.

Türkischen Behörden zufolge flohen binnen eines Tages rund 1.000 Syrer in die Türkei. Die Gesamtzahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei steige damit auf 45.000, darunter mindestens 25 Generäle.

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7 Kommentare

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  • H
    Holkan

    Warum sollte es einem Volk, das seit Jahrzehnten von Syrien wie aussätzig behandelt wird, plötzlich -- im Bürgerkrieg -- besser gehen als zuvor? Und -- dies als Antwort auf meinen Vorschreiber Thomas H. -- warum sollte die Linke jetzt Assads Aparheitspolitik anprangern, die sie jahrzehntelang toleriert und unterstützt haben?

  • TH
    Thomas H

    Und was sagen z.B. die linken Aktivist/innen der hiesigen "Palästinasolidarität" zu den gegen die palästinensischen Einwohner Syriens gerichteten Vertreibungsaktionen und Massakern des Assad-Regimes?

     

    NICHTS!

     

    Vermutlich haben diese "palästinasolidarischen" Genossinen und Genossen derzeit einfach keine Zeit für solche Petitessen, weil sie gerade vollauf mit der propagandistischen Unterstützung des untergehenden Assad-Massenmordregimes ausgelastet sind, dem man das Palästinensermorden unter "Antiimperialisten" natürlich großmütig nachsieht ...

  • R
    rebellenfeind

    Die All-Quaida gestützten Rebellen führen bereits ethnische Säuberung in den von ihnen eroberten Gebieten durch. Masakriert werden Christen und Aleviten sowie Schiiten Frauen und Kinder.

    Ich kann das nicht gut finden, komisch das das hier so kritiklos passiert.

  • NK
    Neuer Kunde

    Der Araber hat die Lehren aus dem Sykes-Picot Abkommen gründlich mißverstanden.

     

    Er hat eigentlich keine Wahl. Die Syrer sollten sich sofort den Rebellen ergeben und die Großzügkeit Obamas anerkennen.

  • J
    jaz@taz.de

    ***KORREKTUR: 145 Menschen in Yarmouk schwer verletzt gezählt bis Fr., 16h Ortszeit Beirut***

  • T
    toddi

    -und wie so oft gigt es auch noch die andere (argumentativ belegte) Wahrheit

    Zitat: "So haben Terroristen gestern das Palästinenser-Camp Yarmouk bei Damaskus mit Granaten beschossen, wodurch mehr als ein Dutzend Zivilisten ums Leben gekommen sind. Heute behaupten die Terroristen, die syrische Regierung sei für den wahllosen Beschuss der Palästinenser verantwortlich. Das Yarmouk-Camp wird von PFLPGC-Chef Ahmed Jibril und seinen Leuten beherrscht. Ahmed Jibril hat auch in der jetztigen Krisenzeit weiter eine gute Beziehung zu Bashar Assad und die von ihm angeführten Palästinenser mischen sich in die gegenwärtigen innersyrischen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und FSA nicht ein. Mit dem zu Propagandazwecken von den Terroristen verbrochenen Granatbeschuss des Yarmouk-Camps bricht die häufig geäußerte Behauptung der von Zionisten und Wahhabiten unterstützten Terroristen, sie würden sich mehr für die Rechte der Palästinenser einsetzen als Bashar Al-Assad, noch weiter zusammen." Zitat Ende ...

  • BG
    Bernd Goldammer

    "Auch anderswo dauerten nach Oppositionsangaben die Angriffe syrischer Regierungstruppen auf Zivilisten an" Mörderbanden als Informanten, die TAZ ekelt sich für nichts!