Krieg in der Ukraine: Europa öffnet seine Türen
Die Innenminister haben beschlossen, dass Ukrainer:innen sich 90 Tage lang visafrei in der EU bewegen dürfen. Bislang ist keine Umverteilung geplant.
Bislang ist für sie auch keine Länderzuweisung oder Umverteilung geplant. Ukrainer:innen können sich zunächst 90 Tage visafrei in der EU bewegen und selbst entscheiden, in welchem Land sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragen wollen.
Klar ist, dass es dabei starke Clusterbildungen geben wird. Wichtige Faktoren sind dabei die Sprache, die Größe der ukrainischen Diaspora und die geografische Nähe zur Ukraine. So wurden in den Nachbarstaaten bis Dienstag 1,8 Millionen Ankommende in Polen, 453.000 in Rumänien, 337.000 in Moldau, 263.000 in Ungarn und 213.000 in der Slowakei registriert.
Viele der Menschen sind aber zwischenzeitlich in andere Staaten weitergezogen. Die Bundespolizei etwa registrierte bis Dienstag offiziell 160.000 Ankommende in Deutschland, doch nicht alle werden erfasst. Erst in den kommenden Wochen und Monaten wird sich zeigen, wo die Geflüchteten tatsächlich bleiben wollen.
Soziale Versorgung ist ein Faktor für die Wahl des Ziellandes
Ende der Woche treffen sich in Brüssel die EU-Innenminister. Dem Vernehmen nach ist nicht geplant, an dem „Free Choice“-Modell zu rütteln. „Darüber wird erst geredet, wenn die Zahlen noch deutlich weiter steigen und manche Länder wegen Erreichen der physischen Grenze Alarm geben“, sagt Karl Kopp, Europa-Referent von Pro Asyl.
Für Flüchtende ohne persönliche Beziehungen in einen EU-Staat dürfte auch die zu erwartende soziale Versorgung ein Faktor für die Wahl des Ziellandes sein. Noch ist nicht entschieden, welche Sozialleistungen Ukrainer:innen jeweils bekommen. Wahrscheinlich ist aber, dass sich die Höhe an den Leistungen für Asylsuchende im jeweiligen Land bemisst. Die variiert innerhalb der EU erheblich: Während Asylsuchende in Deutschland bis zu 354 Euro im Monat bekommen können, sind es etwa in Schweden 224 Euro, in Frankreich 204 Euro und in Griechenland nur 70 Euro.
Frankreich etwa hat auf freiwilliger Basis bislang 13.500 Ukrainer:innen aus den Grenzstaaten aufgenommen, am Dienstag etwa 2.500 aus Moldau. Dafür fordert Paris London auf, die Ukrainer:innen, die am Ärmelkanal festsitzen, einreisen zu lassen. Die britische Regierung war heftig kritisiert worden, weil sie nur sehr restriktiv Visa an Ukrainer:innen vergeben hatte. Daraufhin hatte sie ein Programm aufgelegt, mit dem individuelle Visa für Schutzsuchende aus der Ukraine privat gesponsert werden können. Innerhalb eines Tages hatten sich am Montag fast 89.000 Briten registriert, um für mehrere Monate Flüchtlinge aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. Kurz nach dem Start der Vermittlungswebsite am Montag brach diese kurzzeitig zusammen.
Haushalte bekommen für die Hilfeleistung eine Aufwandsentschädigung von umgerechnet 415 Euro pro Monat. Interessierte müssen für mindestens sechs Monate einen Raum mietfrei bereitstellen und sich vorab Kontrollen unterziehen. Außerdem müssen sie die Flüchtlinge, die sie aufnehmen wollen, namentlich benennen können. Minister Michael Gove sagte, das Programm solle zunächst mit Ukrainern starten, die bereits Verbindungen nach Großbritannien hätten, aber im weiteren Verlauf auch anderen offenstehen.
Ungleiche Lastenverteilung bei der Aufnahme
Auch innerhalb der EU steht die Frage an, welchen finanziellen Ausgleich es für die ungleiche Lastenverteilung bei der Aufnahme der Ukrainer:innen geben wird. Zwei konkrete Vorschläge dazu gibt es bereits, über die in dieser Woche im EU-Parlament abgestimmt wird.
Zum einen sollen von den Mitgliedstaaten nicht verbrauchte Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (Amif) nicht nach Brüssel zurückfließen, sondern für die Flüchtlingsversorgung ausgegeben werden dürfen. Damit sollen 420 Millionen Euro mobilisiert werden. Mit 10 Milliarden Euro wesentlich größer ist der Posten, der 2022 aus dem sogenannten Kohäsionsfonds der EU für die Flüchtlingsaufnahme umgewidmet werden soll. Auch diese Summe wird aber kaum reichen, falls sich der Krieg in der Ukraine noch länger hinzieht.
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