Krieg in Syrien: Ankara stellt Assad ein Ultimatum
Nach der Konfrontation zwischen der Türkei und Syrien spitzt sich die Lage in Idlib weiter zu. Erdoğan fordert das Assad-Regime zum Rückzug auf.
Schon zuvor hatte Erdoğan gegenüber Journalisten erklärt, die Türkei werde keine weiteren Geländegewinne des syrischen Regimes in der Provinz Idlib mehr zulassen. Das soll Erdoğan auch in einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am späten Dienstagabend gesagt haben, in dem er zudem weitere Militäraktionen angekündigt haben soll.
Putin erklärte, die Lage in Idlib sei besorgniserregend. Es gebe „eine starke Zunahme von Aktivitäten terroristischer Gruppen“. Dazu passt eine Meldung der türkischen Zeitung Cumhuriyet, die berichtete, am Dienstag seien vier hochrangige russische Militärberater von Dschihadisten der Gruppe Hai'at Tahrir al-Scham (HTS) getötet worden. HTS kontrolliert weite Teile Idlibs.
Die Lage in Idlib hat sich in den vergangenen Wochen durch einen Vormarsch der Assad-Truppen, die von der russischen Luftwaffe unterstützt werden, fast täglich verschärft. Mit jedem Dorf und jeder Stadt, die die Assad-Truppen im Süden der letzten Rebellenhochburg erobern, wächst der Strom der Flüchtlinge.
Die UN teilten am Dienstag mit, dass wegen der Assad-Offensive seit dem 1. Dezember letzten Jahres 520.000 Menschen ihre Häuser verlassen hätten und sich seitdem auf der Flucht befänden. „Es gibt keine sicheren Orte in Idlib mehr“, sagte Jens Laerke vom UN-Menschenrechtsbüro gegenüber der Nachrichtenagentur AP, „die Bomben fallen überall.“
Der größte Teil der Flüchtlinge – 80 Prozent von ihnen sind UN-Angaben zufolge Frauen und Kinder – bewegen sich auf die türkische Grenze zu. Ankara ist deshalb alarmiert und befürchtet, dass hunderttausende Flüchtlinge, darunter auch islamistische Kämpfer, über die gesperrte Grenze drängen könnten. Schon letzte Woche hatte Erdoğan angekündigt, man werde das zur Not militärisch verhindern.
Als in der Nacht auf Montag ein türkischer Militärkonvoi in Idlib auf dem Weg zur Verstärkung ihrer Beobachtungsstützpunkte von Assad-Truppen angegriffen und sechs Soldaten und zwei zivile Lkw-Fahrer getötet wurden, eskalierte die Situation.
Erdoğan orderte umgehend Gegenangriffe an. Laut türkischem Verteidigungsministerium wurden dabei insgesamt 73 syrische Soldaten getötet oder schwer verletzt. Noch in der Nacht auf Donnerstag sollen türkische Haubitzen einen Feldflughafen der Assad-Truppen beschossen haben.
Rückendeckung aus den USA
Sowohl militärisch als auch politisch sitzt Russland in Idlib nun zwischen den Stühlen. Moskau unterstützt seinen Protegé Assad, hat gleichzeitig aber mit der Türkei und dem Iran den sogenannten Astana-Prozess angestoßen, unter dessen Ägide mehrfach Waffenstillstandsvereinbarungen für Idlib zwischen Erdoğan und Putin verabredet worden waren.
Erdoğan sollte die Dschihadisten von HTS entwaffnen; Putin wollte dafür Assad zurückhalten. Beide Seiten konnten oder wollten diese Vereinbarungen aber nicht einhalten. Angesichts des Vormarschs des syrischen Regimes, das Idlib erklärtermaßen vollständig zurückerobern will, ist Erdoğan nun so unter Druck geraten, dass er selbst militärisch eingegriffen hat.
Das von ihm am Donnerstag gestellte Ultimatum soll nun Raum für Verhandlungen schaffen. Gelingt das nicht, muss Erdoğan den Einsatz erhöhen und mehr Truppen schicken. US-Außenminister Mike Pompeo hat bereits angekündigt, dass die USA die Türkei in diesem Fall unterstützen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“