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Krieg in SyrienAssad zeigt sich, die Kämpfe dauern an

Der syrische Präsident Assad zeigt sich erstmals seit über einem Monat in der Öffentlichkeit. Die Kämpfe im Land gehen derweil weiter und die Oppostion fordert erneut einer Flugverbotszone.

Noch ist der syrische Luftraum souverän: Präsident Assad beim Gebet am Sonntag. Bild: dapd

BERLIN/BEIRUT dapd | Der syrische Präsident Baschar Assad hat sich erstmals seit dem blutigen Anschlag auf seinen innersten Machtzirkel im Juli wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Auf Bildern des Staatsfernsehens war am Sonntag zu sehen, wie Assad in der Rihab-al-Hamad Moschee in Damaskus betete.

Derweil ging das Blutvergießen auch zu Beginn der dreitägigen Feierlichkeiten zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan unvermindert weiter: Aktivisten berichteten am Sonntag von heftigem Beschuss in der von Rebellen gehaltenen Stadt Rastan.

In einem Vorort der Hauptstadt Damaskus wurden Aktivisten zufolge 40 Leichen entdeckt. Der neu ernannte Syrien-Gesandte Lakhdar Brahimi äußerte unterdessen bezüglich der Debatte über ein mögliches militärisches Eingreifen in dem Land große Skepsis. Über eine militärische Option zu sprechen, gleiche einem Eingeständnis des diplomatischen Versagens, sagte er der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview in Paris. Er hoffe sehr, dass eine militärische Intervention nicht nötig sei.

Assads erster öffentlicher Auftritt seit dem tödlichen Anschlag auf seinen Verteidigungsminister und drei weitere ranghohe Sicherheitsbeamte wurde offenbar von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Sicherheitskräfte hätten seit Samstagabend Zufahrtsstraßen blockiert und etliche Moscheen im Zentrum von Damaskus umzingelt, berichteten Anwohner. Mit dieser Taktik sollte offensichtlich Verwirrung über Assads Aufenthaltsort während der islamischen Feiertage gestiftet werden.

Anders als in früheren Jahren üblich war der Staatschef nicht in Begleitung seines Konvois zu sehen. Stattdessen zeigte ihn das Staatsfernsehen, wie er im Anzug auf dem Boden der Moschee saß. Wenig später stand er auf und reichte Behördenvertretern die Hände, bevor er das Gotteshaus wieder verließ.

Tausende protestieren gegen Assad

Unterdessen protestierten in Syrien am Sonntag tausende Menschen in Moscheen und Friedhöfen gegen Assads Regierung. Hintergrund war der Beginn der dreitägigen Feierlichkeiten zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan, in dessen Verlauf in Syrien zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Auf Videoaufnahmen, die Aktivisten ins Internet stellten, war zu sehen, wie zahlreiche Gläubige in einer Moschee in Damaskus rufen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Assad ist der Feind Gottes.“

Aktivisten meldeten am Sonntag heftigen Beschuss in der von Rebellen gehaltenen Stadt Rastan. Dabei sei eine Frau ums Leben gekommen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Angriffe galten den Angaben zufolge einem Friedhof in der Stadt, auf dem Menschen der Tradition gemäß Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen besuchten.

In einem Vorort der Hauptstadt Damaskus wurden Aktivisten zufolge 40 Leichen entdeckt. Alle Opfer seien Schussverletzungen erlegen, ihre Identität sei allerdings nicht bekannt, sagte der Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdul Rahman, am Samstag. Auch sei nicht bekannt, wer die Menschen in dem Vorort Al Tal getötet habe. In dem Ort hatte es bis vor kurzem schwere Kämpfe gegeben. Vor wenigen Tagen hatten die Regierungstruppen dann weite Teile des Gebietes unter ihre Kontrolle gebracht.

Nahe der Grenze zur Türkei bombardierte am Samstag ein syrisches Kampfflugzeug eine teilweise von Regimegegnern kontrollierte Kleinstadt. Acht Menschen seien bei dem Luftangriff auf Manbedsch am Nachmittag getötet und mindestens 20 verletzt worden, teilten Aktivisten mit.

Diskussion um Flugverbotszone

Die syrische Opposition bekräftigte derweil ihre Forderung nach einer internationalen Einrichtung einer Flugverbotszone. Auf diese Weise würde Luftangriffe syrischer Regierungstruppen auf Rebellen verhindert und ein Schutzraum für Zivilisten geschaffen, erklärte der in Schweden ansässige Präsident des Syrischen Nationalrats, Abdelbaset Sieda, am Sonntag.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow sprach sich am Samstag in einem Fernsehinterview gegen die Einrichtung einer solchen Flugverbotszone aus. „Das wäre eine Verletzung der Hoheitsrechte, sollte dies Gebiete (im) syrischen Territorium einschließen, und der Charta der Vereinten Nationen“, sagte Lawrow Sky News Arabia.

Für eine Flugverbotszone sprach sich hingegen der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) aus. „In der Tat glaube ich, dass Assad keine Zukunft hat“, sagte er der Bild am Sonntag. „Das wird aber nicht das Ende des Blutvergießens bedeuten. Es ist eine große humanitäre Katastrophe, die sich da abzeichnet. Deswegen stehe ich der Einrichtung einer Flugverbotszone grundsätzlich positiv gegenüber.“

Unterdessen gingen die Spekulationen über den Aufenthaltsort von Vizepräsident Faruk al Scharaa weiter. Die syrische Regierung dementierte am Samstag Medienberichte, wonach Al Scharaa zur Opposition übergelaufen sein soll. Al Scharaa habe „zu keiner Zeit daran gedacht, das Land zu verlassen“, hieß es am Samstag in einer Erklärung seines Büros. Ein Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrats, Marwan Hdschi al Rifai sagte dem arabischen Fernsehsender Al Arabija hingegen, die Aussage der Regierung sei falsch.

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7 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Ich finde es wird immer absurder.. jeden Tag grausame Gewalt in Syrien, es sterben bis zu 200 Menschen, oftmals auch Kinder, Häuser und Eigentum wird im großen Maßstab zerstört...

    Und was machen wir?

     

    Die UNO schickt einen machtlosen Philosophen, der die Grundlage für sein zu erwartendes scheitern gleich am ersten Tag darlegt: Die Uneinigkeit des UN-Sicherheitsrat.

     

    Ein Ex-Außenminister denkt über eine Flugverbotszone nach, ohne dass die Konsequenzen und die Verantwortlichkeiten für die Umsetzung besprochen werden... das Thema ist zu ernst für Illusionen im luftleeren Raum.

     

    Deutsche Nachrichtensprecher erklären ein Flottendienstboot mit Aufklärungstechnik kurzerhand zum Spionagewerkzeug um und die Weitergabe von Informationen an NATO-Partner ist dann auch ganz schnell die "direkte Unterstützung" der syrischen Opposition???

    Abgesehen davon, dass Stunde und teilweise Tage vergehen, bis die Nachricht überhaupt ihre Destinationen erreicht, haben solch alte Nachrichten nunmal ihrer Natur nach eher dokumentierenden Aufklärungswert und sind als taktische Hilfestellung für die FSA folglich unbrauchbar.

    Die FSA ist zudem offenbar hinreichend selbst mit Aufklärungsmöglichkeiten ausgestattet - wie man an den andauernden Gefechten in und um Aleppo erkennen kann...

     

    Aber daraus wird dann schnell eine deutsche "Kriegsbeteiligung" herbeiphantasiert.... ????

     

    Der Despot selbst geht noch beten... so ganz auf PR will er offenbar nicht verzichten... aber die gezeigten Aufnahmen sind für seine Anhänger sicher alles andere als ermutigend.

    Zudem fehlt ihm nach wie vor jede politische Antwort auf die Situation in Syrien - dabei war doch nun mehr als lang genug Zeit zum nachdenken, oder?

     

    In Damaskus haben sich gestern diverse Brigaden der FSA zu internationalem Recht bekannt und die Verhinderung von Racheakten, sowie die Sicherung der öffentlichen Ordnung als ihre gemeinschaftlichen Ziele definiert... einerseits ein positives Zeichen... andererseits nicht wirklich ein Verhandlungsangebot... der Kampf geht weiter.

    (Quelle: Syrische Revolutionsseite bei Facebook --> YouTube Video)

     

    Und unser Außenminister setzt noch einen obendrauf, indem er sagt, dass einierseits Deutschland sich die Demokratie erkämpft habe - dabei haben zwei erschöpfende Weltkriege und die daraus resultierenden Bedingungen uns dies eingeprügelt... - und man deswegen andererseits auf der Seite der Freiheit stünde.... weswegen man seit 16 Monaten seelenruhig dabei zusieht, wie die Gewalt in Syrien mehr und mehr eskaliert und mehr und mehr radikale Gruppen Zulauf gewinnen und andere Feinde der Freiheit (Djihadisten) nach Syrien strömen, um dort für ein Kalifat zu kämpfen.... so ein Heuchler....

     

    Wie gesagt... es wird immer absurder...

  • E
    emil

    @joss

     

    es gibt keinen kausalzusammenhang zwischen den andauernden kämpfen und assads auftritt, insofern ist die überschrift auch nicht deplatziert sondern erklärt dir zwei dinge auf einmal.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Deutschland ist Kriegspartei obwohl es Syrien nie Krieg erklärt hat.Dazu kein Wort in der TAZ! Nur Fischers blutdrünstige Laberei! Wer als Vertretet einer Friedenspartei in den Bundestag gewählt wurde und sobald er an der Macht ist Kriege führt, bleibt für mich lebenslänglich unglaubwürdig.

  • J
    joss

    "Assad zeigt sich, die Kämpfe hören auf"

    DAS wäre doch mal eine Überschrift!

     

    Was soll Eure dämliche Übertitelung?

    Ist Assad ein Teufel oder gar ein Gott, der allein durch sein Erscheinen u.a. dschihadistische "Afghanistaner" zu Pazifisten und Demokraten macht?

  • J
    jupp

    Wie unterscheiden sich Aktivisten von Oppositionellen, Rebellen, Freiheitskämpfern, Terroristen?

    Existiert nach Informationen der TAZ eine Opposition, die auf eine "friedliche", also nicht gewaltsame Lösung setzt, sich auf die "gescheiterte Annan Mission" hätte einlassen wollen?

     

    Geben die fundamentalistischen Könige und Scheichs und der Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus dem neuen Vermittler eine Chance?

     

    Ist der Direktor der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdul Rahman derselbe, der in London residiert und regelmäßig seine Wahrheiten verkündet?

    Zitat TAZ:

    "Die syrische Opposition" (wer ist das??? ) "bekräftigte derweil ihre Forderung nach einer internationalen Einrichtung einer Flugverbotszone. Auf diese Weise würde Luftangriffe syrischer Regierungstruppen auf Rebellen verhindert (!!!) und ein Schutzraum für Zivilisten geschaffen, erklärte der in Schweden ansässige Präsident des Syrischen Nationalrats, Abdelbaset Sieda, am Sonntag."

    Fordert der auch für die "freie syrische Armee" FSA?

    Oder ist das wieder eine andere Organisation?

    Erkennt sie (die bewaffnete Opposition) endlich, dass z.B. die 2,5 Millionen Einwohner Aleppos nicht von ihr befreit werden wollen?

    Ignorieren die Forderer und Förderer (Clinton, Erdogan) einer Flugverbotszone die zivilen Kollateralschäden der Nato-Luftangriffe in Libyen?

    Mir scheint, es kommt ihnen auf ein paar tausend tote Syrer, hunderttausend ausgebomte Flüchtlinge mehr oder weniger nicht an.

    (Oder ist es nicht sogar Ziel der whahabitischen Terroristenherrscher vom Golf möglichst viele der ungläubigen Syrer umzubringen?)

    Aber was treibt den Friedens-Obama dazu an?

    Seinem möglichen Nachfolger, dem Mormonenmissionar Romney, traue ich sogar dieses Motiv zu!

  • T
    trianon

    Tja, Herr Fischer. Damals waren Sie ja auch für die Bombardierung Serbiens, da weiß man bei Ihnen ja, woran man ist. Grün ist eben nicht erst seit gestern das Allerletzte ...

     

    Übrigens kommt jetzt - so 13 Jahre im Rückblick - langsam auf, welche Tricks und Schweinereien Leute wie Fischer damals angewandt haben, nur um einen Krieg im Kosovo vom Zaun brechen zu können.

     

    Siehe auch hier:

     

    https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Rambouillet

  • RD
    Richard Detzer

    Irgendwie interessant, daß das keinen interessiert. Soviel zu den Chancen, den Krieg zu beenden.