piwik no script img

Krieg in SyrienAngeblich Beweise für Sarin gefunden

Nach Frankreich will nun auch die britische Regierung Beweise für einen Giftgaseinsatz gefunden haben. Die Stadt Kusair steht wieder unter der Kontrolle der Armee.

Haben sie wirklich gewonnen? Soldaten der syrischen Armee nahe Kusair. Bild: reuters

LONDON/BEIRUT/DAMASKUS afp/dpa/rtr | Die britische Regierung hat eigenen Angaben zufolge „physiologische Beweise“ für den Einsatz des Giftgases Sarin in Syrien. Beim Test von Proben aus Syrien seien Spuren von Sarin festgestellt worden, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in London.

Nach Einschätzung Großbritanniens seien die Chemiewaffen „sehr wahrscheinlich“ von den Regierungstruppen eingesetzt worden. Während eine „zunehmende Anzahl an begrenzten, aber überzeugenden Informationen“ für den Einsatz durch Damaskus vorlägen, gebe es bisher „keinen Beweis“ für einen Giftgaseinsatz der Rebellen.

„Der Raum für Zweifel“ zum Einsatz von Giftgas im Syrien-Konflikt habe sich weiter verkleinert, sagte der Regierungssprecher: „Der Gebrauch von Chemiewaffen ist ein Kriegsverbrechen.“ Syriens Präsident Baschar al-Assad müsse UN-Ermittlern „sofortigen und unbeschränkten Zugang“ gewähren, um die Vorwürfe zu überprüfen.

Frankreichs Regierung hatte am Dienstag erklärt, es gebe „keinen Zweifel“ mehr daran, dass das Giftgas Sarin in Syrien mindestens ein Mal durch „das Regime und seine Komplizen“ eingesetzt worden sei. Außenminister Laurent Fabius berief sich dabei auf Untersuchungsergebnisse französischer Experten. „Alle Optionen sind auf dem Tisch“, sagte Fabius. Der britische Außenminister William Hague forderte daraufhin eine sofortige Untersuchung durch die Vereinten Nationen.

Ob und von wem gegebenenfalls Chemiewaffen eingesetzt wurden, wird seit längerem diskutiert. US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Einsatz von Chemiewaffen als „rote Linie“, deren Überschreitung ein Eingreifen in den Konflikt rechtfertige. Sein Sprecher Jay Carney forderte am Dienstag aber weitergehende Informationen. Gemäß den bis dato vorliegenden Informationen aus Paris seien „noch weitere Prüfungen nötig, um feststellen zu können, von wem (das Gas) benutzt wurde, wieviel davon, und unter welchen Umständen“, sagte Carney.

Al-Kusair angeblich eingenommen

Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben zusammen mit der libanesischen Hisbollah-Miliz die seit drei Wochen umkämpfte Kleinstadt Al-Kusair nahe der Grenze zum Libanon eingenommen. „Es herrscht wieder Sicherheit und Stabilität in der Stadt“, meldeten die staatliche Nachrichtenagentur Sana und das staatliche syrische Fernsehen übereinstimmend am Mittwoch.

Regimegegner berichteten, die Rebellen hätten sich in der Nacht aus Al-Kusair zurückgezogen. Sie hätten dem Ansturm der Angreifer nicht mehr standhalten können, da ihnen allmählich die Munition ausgegangen sei. Die Staatsmedien meldeten, die Armee habe zahlreiche Kämpfer getötet, andere hätten sich ergeben. Die Rebellen hatten zuvor noch berichtet, sie hätten in Al-Kusair 15 Kämpfer der schiitischen Hisbollah getötet.

Fast alle Zivilisten waren in den vergangenen Wochen aus der Stadt geflohen. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter wies jedoch am Mittwoch auf das Schicksal von Hunderten von Verletzten hin, die sich noch in der Stadt aufhielten. Die syrische Regierung hatte Bitten vom Roten Kreuz abgelehnt, das in den vergangenen Wochen Zugang zu der belagerten Stadt gefordert hatte.

Aus Damaskus hatte es dazu geheißen, das Rote Kreuz könne Al-Kusair erst betreten, wenn die Kämpfe dort beendet seien. Flüchtlinge aus der Stadt hatten berichtet, es habe dort schon vor Wochen keine medizinische Versorgung mehr gegeben.

Kusair spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung von Handelswegen zwischen Syrien und dem Libanon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • KS
    Kritische Stimme

    Der Buergerkrieg in Syrien ist von langer Hand geplant von USA + Israel + Europa. Agenten + Kaempfer sind schon vor Jahren ausgebildet aus den Reihen von syrischen Aufstaendischen, bekannt mit Sprache + Situatie vor Ort. Die Kriegstreiber haben nie Gedacht dass der Assad mit Hilfe seiner Bevoelkerung solange standhalten wuerde.Deshalb muss jetzt etwas anderes passieren um Syrien unter Kontrolle zu bringen. Jetzt wird die Nato aktiviert, muessen in der Tuerkei Rakete aufgestellt werden, und findet man natuerlich Giftgas ALS Anlass fuer den Krieg (etwas aehnliches ALS in Irak). Warum tut man so verwundert ?,vielleicht haben die US+UK Giftgas an die Rebellen geliefert ,nach dem Irakdebakel will man Sicherheit

  • HS
    Hari Seldon

    @d.j.:

     

    Sie haben 200+% Recht. Trotz---bei vollem Respekt---ein Einspruch: Bei den Franzosen geht es nicht um Hollande (s. die Rolle von Sarko bei Libyen), sondern um die "Gloire" (und um die Interessen von "gewissen" Interessengruppen: Bitte, denken Sie nur an einen potenziellen Angriff gegen Iran über den Luftraum von Syrien, und stellen Sie die übliche Cui bono? Frage). Ausserdem sind sowohl Frankreich als die UK fast pleite, so braucht man einen Erfolgserlebnis. Aber in diesem Fall wird eher ein Katzenjammer kommen. Die Botschaft aus Moskau war ganz eindeutig. Dazu kommt noch eine---noch nicht veröffentlichte---NATO-Studie: Assad hat 65-70% Unterstützung in der Bevölkerung, die Rebellen maximum 10% (der Rest ist neutral). Vergessen wir es auch nicht, dass die Armee in Syrien eine Volksarmee ist: Falls das Volk mit Assad wirklich unzufrieden wäre, würde die Armee sehr schnell agieren. Aber der Anteil von Verrätern und Fahnenflüchtlingen aus der Armee war sogar deutlich unter 10%, und die Bevölkerung kooperiert mit den Assad-Truppen. Eigentlich ist das Spiel für die Kopfabschneider (pardon "Freiheitskämpfer") schon vorbei. Die Demonstrationen in der Türkey unterstützen die neokolonialistischen Wunschdenken auch nicht besonders.

     

    Zu den "Beweisen" aus Frankreich und UK: Wie können die Herrschaften beweisen, dass dieuUntersuchten Materialen nicht aus FRANKREICH und UK selbst stammen? Sogar BBC und CNN erwähnen nur "wahrscheinlich", und "it is believed": Tja, wie in der Sonntagskirche. Frankreich und UK machen sich wirklich lächerlich.

  • TE
    Thomas Ebert

    Die Wahrheit stirbt zuerst! Leider drängt sich bei solchen Nachrichten immer die Erinnerung an die Begründung für den Irak-Krieg ein. Auch dort war die britische Regierung überzeugt BEWEISE für Massenvernichtungswaffen zu besitzen. Die Teile der Wahrheit, Dank auch an Bradley Manning, die uns jetzt zugänglich sind, sprechen eine andere Sprache.

    Die Formulierungen der Verlautbarungen aus der Diplomatensprache übersetzt : "Wir wissen nichts, aber es könnte etwas sein, und vielleicht waren es ja Assads Truppen. Leider trauen wir unseren Informanten nicht so recht. Doch - in dubio contra Assad"!

  • J
    Jupp

    Wie man so hört, besteht hingegen Gewißheit über die schlechte Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen, etwa in Jordanien.

  • K
    Kunzel

    In der Türkei wurden Al-Nusrah Rebellen mit 2 Kilo Sarin festgenommen! http://www.todayszaman.com/news-317042-russia-waiting-for-turkeys-explanation-on-sarin-gas-link-in-bomb-attack.html Taz:" Na und!?" Wir sind doch nicht dazu da, um das auch noch zu berichten, geschweige denn die dots zu connecten!"

  • OR
    Opa Rodenwald

    Die britische Regierung muß die Weltbevölkerung schon für sehr debil halten, wenn sie ihre Lügen derartig durchsichtig gestaltet.

    Wenn irgendjemand Giftgas in Syrie eingesetzt hätte, würden ganz andere Bilder über die Computerbildschirme flimmern und dies von der Pro-NATO-Presse weidlich ausgeschlachtet werden.

    Außerdem ist es wohl eher den "Rebellen" zuzutrauen, daß sie wohl dosiert Giftgas einsetzen, um es der Regierung in die Schuhe zu schieben und eine Intervention a´la Libyen zu provozieren.

  • K
    Karl

    Tolldreiste Lüge, denn wie IMPA sich im Blut anreichern kann, wenn es maximal eine Exposition über den Inhalationspfad gegeben haben sollten das erklären die Franzosen nicht. (Das GB in der Lunge wird wieder abgeatmet, soweit nicht sorbiert)!

     

     

    Naja, eben der nächste Lügenversuch...

     

    Mal abwarten wann die Teflonrückstände aus den IR-Täuschkörpern als "Sarin-Nachweis" ausgegeben werden, ist doch schließlich einen C-F Bindung drin!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • D
    D.J.

    Frage mich, wie die SPD, die sich in der jüngsten Vergangenheit gern bei Hollande eingeschleimt hat, es ihrer Wählerschaft erklären wird, wenn der bisher unfähigste Élysée-Bewohner aller Zeiten (außer vielleicht Napoleon III.) einen Angriffskrieg gegen anzetteln wird. Dickes JA zur deutsch-französischen Freundschaft, nein zu diesem Wahnsinn.

    Ach so, das Giftgas - nicht nötig, das noch zu kommentieren, glaubt ohnehin niemand.

     

    Ceterum censeo: Mag sein, dass der Westen noch mal China und Russland auf Knien danken wird, verhindert zu haben, dass er im Verein mit den freiheitshassenden Regimen am Golf einen der schlimmsten Fehler der jüngsten Geschichte vollendet.

  • U
    Ute

    Bei den vielen Einschränkungen, die aus London und Paris mit den "Gewißheiten" mitgeliefert werden, bleibt eigentlich nichts übrig, das man als einwandfrei erwiesen halten kann - außer das Interesse Giftgaseinsatz zu behaupten.

     

    Eine Untersuchung durch die UN wäre wünschenswert, aber wie kann dabei die Neutralität und Objektivität gesichert sein, wenn sie von Goßbritannien und Frankreich gefordert wird?

     

    Bleibt zu hoffen, dass das Rote Kreuz nun in Kusair Hilfe leisten kann. Assad könnte Punkte sammeln, wenn er dies unverzüglich zu ließe - aber wer weiß, ob sich nicht noch wer dort verschantz oder irgendwer zu verbergen hat.