Krieg in Sudan: Kampf um die Nilbrücken
Die Kämpfe zwischen Armee und RSF-Miliz um Khartum und in Darfur werden heftiger. Südsudan und Kenia sondieren Friedensvermittlung.
Jebel Aulia und dessen Damm über den Weißen Nil ist ein strategischer Ort, weil dort eine der wenigen Brücken über den gewaltigen Fluss führt, der Sudan in zwei Teile schneidet. Die RSF startete Angriffe auf Jebel Aulia am Sonntag, einen Tag nach der Zerstörung der Shambat-Brücke in Khartum, die den Nordteil der Hauptstadt mit der Nachbarstadt Omdurman am Westufer des Nils verbindet. Für die RSF-Milizen in Khartum war diese Brücke eine wichtige Versorgungslinie.
Auch Sudans wichtigste Ölraffinerie El Jeili, rund 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt und unter RSF-Kontrolle, sowie wichtige Gebäude wie das Ölministerium und Krankenhäuser in Khartum wurden jüngst Ziel von Bombardierungen. Beide Kriegsparteien beschuldigten sich gegenseitig, Kriegsverbrechen zu begehen, indem sie zivile Infrastruktur zerstören.
Ein diplomatischer Ausweg wird nach wie vor intensiv gesucht. Nachdem die Gespräche im saudischen Dschiddah unter Schirmherrschaft Saudi-Arabiens und der USA keine Fortschritte gebracht hatten, traf sich Sudans Übergangspräsident, General Abdelfattah Al-Burhan, am Rande des Saudi-Afrika-Gipfels in der saudischen Hauptstadt Riad am vergangenen Wochenende mit seinem Amtskollegen Salva Kiir aus Südsudan. Dieser hat im Auftrag der regionalen Nachbarn ebenfalls eine Vermittlerrolle in Sudans Konflikt übernommen. Es war das zweite Treffen der beiden in wenigen Wochen.
RSF-Miliz erobert weitere Teile Darfurs
Südsudans Außenminister erklärte später, Kiir wolle demnächst ein Treffen sämtlicher politischer Führer sowie der Kriegsparteien Sudans organisieren, um die Friedensgespräche auszuweiten. Kiir hatte sich am Rande des Gipfels in Riad auch mit den Staatschefs Eritreas, Dschibutis und Kenias getroffen, um breite Unterstützung zu erhalten. Am Montag reiste Burhan unangekündigt in die kenianische Hauptstadt Nairobi weiter und sprach selbst mit Kenias Präsident William Ruto.
Nkweta-Salami, UN
Unterdessen erobern die Kämpfer der RSF-Miliz systematisch weiter die westsudanesische Region Darfur, aus der RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hametti, sowie die meisten seiner Kämpfer stammen. Lokale und UN-Quellen berichten von einem Massaker in der Stadt Ardamata in West-Darfur, wo die RSF zwischen dem 4. und 9. November von Tür zu Tür gegangen sein soll und über 1.000 Menschen getötet habe, hauptsächlich Angehörige der Massalit-Volksgruppe. Der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, forderte am Sonntag dringende internationale Maßnahmen, um „einen weiteren Völkermord“ in Darfur zu verhindern.
Die RSF-Kämpfer rücken nun auch auf die Stadt El Fasher zu, die letzte noch nicht von ihr kontrollierte Hauptstadt einer der fünf Provinzen in Darfur, mit einer Bevölkerung von mehr als einer Million Menschen. In der Hauptstadt von Nord-Darfur befinden sich auch die beiden größten Vertriebenenlager der Region mit über einer halben Million Geflüchteten.
Bislang galt El Fasher als vergleichsweise sicher und wurde somit Zufluchtsort für zahlreiche Zivilisten, die aus anderen Teilen Darfurs flohen. Der Grund: Bereits zwei Wochen nach Kriegsausbruch im April hatten lokale Führer für die Stadt einen Waffenstillstand ausgehandelt. Vereinbart wurde, dass die RSF auf der Ostseite der Stadt bleiben und die SAF auf der Westseite, wo sich das Hauptquartier der Armee befindet. Für den Schutz des Stadtzentrums mit seinen Märkten und Regierungsgebäuden war die Polizei verantwortlich. So blieb die Stadt von Kämpfen verschont, das Leben konnte halbwegs weitergehen.
Seit mehr als einer Woche versucht nun die RSF El Fasher einzunehmen und damit ihre Kontrolle über Darfur zu vervollständigen. Die heftigen Gefechte haben laut Angaben des „Sudan Transparency and Policy Tracker“ mehr als 80 Prozent der Bevölkerung in den Vertriebenenlagern erneut zur Flucht gezwungen. Die meisten wissen nicht, wohin sie sollen.
Clementine Nkweta-Salami, die stellvertretende UN-Sudan-Sonderbeauftragte, nannte in einem UN-Briefing in New York am vergangenen Freitag die Lage in Sudan eine „humanitäre Tragödie, die nur noch düsterer wird“.
„Ehrlich gesagt fehlen uns die Worte, um den Schrecken zu beschreiben, der in Sudan passiert“, sagte Nkweta-Salami. „Wir erhalten weiterhin unerbittliche und erschreckende Berichte über sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, gewaltsames Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen und schwere Verletzungen der Menschen- und Kinderrechte.“
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