Krieg in Libyen: Peking schaltet sich ein
Chinas Regierung denkt schon an die Zeit nach Gaddafi und an eigene Interessen. Das ist eine Abkehr vom bisher betonten Prinzip der Nichteinmischung.
PEKING taz | China will im Libyenkonflikt vermitteln und so seine Wirtschaftsinteressen sichern. Das wurde in dieser Woche deutlich, als Vertreter Pekings in nur wenigen Tagen sowohl Gesandte der libyschen Opposition als auch der Regierung von Oberst Gaddafi trafen. Pekings Ziel sei es, "einen Weg für einen libyschen Frieden" zu bahnen, meldete gestern das englischsprachige KP-Organ China Daily.
In Peking empfing Außenminister Yang Jiechi am Mittwoch seinen Amtskollegen Abdul Ati al-Obidi. Dieser habe um Chinas Unterstützung gebeten. Libyens Regierung sei bereit, den von afrikanischen Regierungen vorgelegten Plan für einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Tage zuvor waren chinesische Diplomaten in Doha wie im libyschen Bengasi mit Vertretern des oppositionellen "Übergangsrats" zusammengetroffen. Dabei hätten sie sich über chinesische Firmen in Libyen informiert, hieß es. Bald würden Oppositionsvertreter China besuchen.
"China ist über die sich verschlechternde humanitäre Lage in Libyen stark besorgt", erklärte der Pekinger Diplomat Chen Xiaodong. "Es ist höchste Zeit, eine Lösung zu finden." Damit scheint Chinas Regierung von ihrem traditionellen Prinzip der "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten" abzuweichen. Bisher hielt Peking in ähnlichen Situationen stets zu den Machthabern.
Mit Deutschland, Russland und Indien hatte sich China bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat im März über den Militäreinsatz gegen Libyen enthalten. Danach protestierte Peking aber immer wieder gegen die nach seiner Ansicht von der Resolution nicht gedeckten Nato-Luftangriffe.
Offenbar will Peking jetzt gute Beziehungen zur libyschen Opposition aufbauen, die eines Tages Ölfelder und Infrastrukturprojekte kontrollieren können, an denen chinesische Staatsunternehmen beteiligt sind. Nach Ausbruch der Kämpfe in Libyen schickte China erstmals Kriegsschiffe und Militärflugzeuge ins Mittelmeer, um mehr als 30.000 Landsleute zu evakuieren.
Dies zeigt wie viele Chinesen schon seit Jahren in Libyen arbeiten. Die Hälfte seiner Ölimporte bezog China 2010 aus Libyen und den Nachbarstaaten. Doch Pekings Verhältnis zu Gaddafi war nie besonders eng, da dieser mit seinen Verbindungen zu Taiwan die "Ein-China-Politik" verletzte.
Auch ein russischer Diplomat versucht nach einem Besuch der Rebellenhochburg Bengasi in Tripolis eine Vermittlung.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße