Kreuzfahrtsschiff-Werften: Panamakanal durch Ostfriesland
Die Kreuzfahrtriesen der Meyer-Werft schaffen Jobs - und ruinieren die Ems. Umweltverbände schlagen vor, den Fluss mit einer neuen Wasserstraße zu entlasten.
Wieder ist ganz im Westen Niedersachsens ein Ozeanriese in die Ems geglitten. Am Dienstag hat die Meyer-Werft in Papenburg die 252 Meter lange "AIDAblu" fertiggestellt. Nächste Woche soll sie die 36 Kilometer über die extra aufgestaute Ems bis zum Dollart durchqueren.
Und hier liegt das Problem: Die Werft überführt immer größere Schiffe über die von Natur aus flache und schmale Ems in die Nordsee. Die Ausbaggerungen und Aufstauungen aber haben die Unterems in den letzten zwei Jahrzehnten von Deutschlands artenreichster Flussmündung zu einer leblosen, extrem verschlickten Wasserstraße verkommen lassen.
Dafür blüht und gedeiht die Werft im wirtschaftlich schwachbrüstigen Emsland. Bis 2012 will sie zwölf weitere Schiffe bauen, einige davon fast doppelt so groß wie die "AIDAblu". Aufträge mit einem Volumen von über 4 Milliarden Euro stehen in den Büchern, 2.500 Menschen sind direkt bei Meyer beschäftigt, ein Vielfaches bei Zulieferern.
Seit über 25 Jahren streiten sich deshalb Umweltschutzverbände und die regionale Wirtschaft. 2008 schlugen die Umweltverbände BUND und WWF Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) einen Kompromiss vor: einen Kanal neben der Ems, vom Werftgelände bis nach Leer nahe der Nordsee. Nach der Fertigstellung könnte die Ems renaturiert werden und künftig vom Schiffsverkehr verschont bleiben.
Die Werft war angetan: So könnte sie künftig mehr als nur zwei Schiffe pro Jahr ausliefern – im Moment darf der Fluss im Sommer nicht aufgestaut werden. Auch dem Landkreis gefiel der Vorschlag, denn das ständige Ausbaggern kostet über 20 Millionen Euro im Jahr. Regionale Wirtschaftsverbände wollen den Kanal gleich noch bis zum Dortmund-Ems-Kanal verlängern.
Eine Lenkungsgruppe in der Staatskanzlei prüft nun eine Machbarkeitsstudie. Am 17. Dezember beendete der Landkreis Leer seine regionalen Fachgespräche. "Die Studie ist gewollt," sagte der Landrat Bernhard Bramlage.
Das sehen nicht alle so. Die Anwohner der möglichen Trasse haben sich zu einer Initiative gegen den Kanalbau zusammengeschlossen. Sie haben ausgerechnet, dass der Kanal "so groß wie der Panamakanal" sein müsse. "Unwiederbringlicher Landverlust" und eine "schwere Störung der historischen Be-und Entwässerungssysteme" seien die Folge, sagt Sprecherin Doris Boekhoff.
Die Initiative fordert, dass die Meyer-Werft an die Nordsee umziehen soll. Boekhoff erbost besonders, dass die Anwohner nur am sogenannten Emsbeirat, einer Art regionalem Beratergremium, teilnehmen sollten. Die Lenkungsgruppe, die das Sagen hat, blieb ihnen jedoch versperrt - im Gegensatz zu einem Vertreter der Meyer-Werft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht