„Nicht vermittelbar“

Der grüne Baustadtrat Schmidt kritisiert die Gerichtsentscheidung zum Vorkaufsrecht scharf

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Florian Schmidt

Jahrgang 1975, ist seit 2016 grüner Stadtrat für Stadtentwicklung in Friedrichshain-Kreuzberg.

Interview Bert Schulz

taz: Herr Schmidt, Ihr Name steht schon fast als Synonym für die Nutzung des Vorkaufsrechts durch die Bezirke in Berlin – Sie haben damit mehrere tausend Wohnungen in landeseigene Hand gebracht. Sind Sie nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts arbeitslos?

Florian Schmidt (lacht): Natürlich nicht. Die Problematik, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung am Dienstag aufgeworfen hat, war uns bekannt: An dieser Stelle des Gesetzes ist das Konzept des Gesetzgebers nicht klar genug. Wir haben also keine irreparable Gesetzeslage, sondern es ist allen schon länger bewusst, dass hier eine Klarstellung vorgenommen werden muss. Das Land Berlin hatte im November 2020 im Bundesrat einen entsprechenden Antrag gestellt. Aber offenbar hat man die Problematik auf der Bundesebene unterschätzt.

Es ließe sich also leicht ändern?

Ich bin ganz froh, dass mit dem Neustart auf Bundesebene diese Reparaturen vorgenommen werden können, damit das Vorkaufsrecht, das ja in allen Großstädten in Deutschland seit Jahrzehnten angewandt wird, eingesetzt werden kann. Alles andere ist den Menschen in den Städten auch gar nicht vermittelbar.

Im Bund läuft es auf eine Ampel hinaus mit der FDP. Ich teile deshalb Ihre Hoffnung nicht, dass die neue Bundesregierung großes Engagement zeigen wird, eine investorenfeindliche Politik umzusetzen.

Ich glaube, dass das eine sehr spezielle Situation ist. Die bisherige Große Koalition hat die Frist für den Vorkauf von zwei auf drei Monate verlängert, das Vorkaufsrecht also gestärkt. Es muss jetzt wirklich erst einmal jedem bewusst werden, welch gravierender Bruch diese Entscheidung ist. Und hier zu sagen, das sei investorenfeindlich, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Insofern erwarte ich, dass der Status quo wiederhergestellt wird – damit die Herausforderungen der Zukunft angegangen werden können.

Was meinen Sie?

Klimaschutz in den Städten betrifft zum großen Teil die Dämmung von Gebäuden. Und das wird teuer. Wir können die Energiewende aber nicht umsetzen, wenn es gleichzeitig eine erhöhte Belastung der Menschen durch Spekulation gibt. Wir brauchen eine Atempause für die Mieterinnen und Mieter. Deshalb ist der Milieuschutz nicht nur für uns Grüne von extremer Bedeutung. Es müsste es auch für die SPD sein, weil sie ja stets das Soziale betont.

Was können Sie tun, bis das Gesetz eventuell angepasst wurde? Das Vorkaufsrecht war ja, wie gesagt, ein wichtiges Instrument.

Richtig, mit dem Vorkaufsrecht ist ein Baustein einer progressiven Stadtpolitik erst mal geschwächt worden. Aber es gibt andere wichtige Baustellen. Wir müssen schauen, welcher Schaden schon angerichtet wurde auf dem Wohnungsmarkt, etwa bei Häusern, die bereits in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden sind. Das wird ein großes Problem.

Aber das heißt, man kann das Vorkaufsrecht voerst nicht mehr ziehen?

Zunächst müssen wir das schriftliche Urteil prüfen. Aber, wie es aussieht, ist das jetzt wohl so. Das Oberste Gericht hat eine Interpretation vorgelegt, die denen der Vorinstanzen widerspricht und die auch wir für falsch halten.

Befürchten Sie Auswirkungen auf Häuser, für die das Vorkaufsrecht schon gezogen wurde?

Vorkaufsbescheide, die rechtskräftig sind, werden Bestand haben, insofern ist unsere Politik nicht umsonst gewesen. Wie es sich mit Abwendungen verhält, müssen wir noch prüfen.

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