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Kreml vs. Pussy RiotVerteidigung legt Berufung ein

Gegen die Verurteilung zu zwei Jahren Haft gehen die Anwälte der drei „Pussy-Riot“-Musikerinnen in Berufung. Andere Bandmitglieder sollen im Ausland sein.

Lupenreiner Rechtsstaat: Gegen das Urteil vom 17. August gehen die Anwälte von Pussy Riot in Berufung. Bild: dapd

MOSKAU dapd | Pussy Riot wehrt sich gegen die Verurteilung von drei Aktivistinnen: Die Verteidigung der zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilten regierungskritischen Mitglieder der russischen Punkband hat am Montag Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Der Antrag sei an das zuständige Moskauer Chamowniki-Gericht übermittelt worden, sagte Anwältin Violetta Wolkowa. Die Vollstreckung des Urteils ist damit laut russischer Gesetzeslage vorerst ausgesetzt.

Sie hätten schnell gehandelt und die Berufungsklage zunächst nur kurz begründet, sagte Anwalt Nikolaj Polosow der Nachrichtenagentur Rapsi. Ein Nachtrag werde dem Gericht später übermittelt, sagte er. Eine Sprecherin des Chamowniki-Gerichts bestätigte den Eingang der Klage. Ein Datum für eine Verhandlung werde jedoch erst nach einer eingehenden Prüfung bekannt gegeben, sagte sie.

Die drei Aktivistinnen waren am 17. August nach rund fünf Monaten in Untersuchungshaft wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ verurteilt worden. Sie hatten im Februar mit bunten Häkelmasken auf den Köpfen - ihrem Markenzeichen - in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein sogenanntes Punk-Gebet aufgeführt und die Gottesmutter angerufen, Präsident Wladimir Putin zu „verjagen“. Ein Video der Aktion fand im Internet eine riesige Resonanz. Das Urteil hatte über die Landesgrenzen hinaus scharfe Kritik an der russischen Justiz und an der Amtsführung Putins hervorgerufen.

An der Protestaktion im Februar hatten sich insgesamt fünf Frauen beteiligt, nur drei wurden jedoch festgenommen und verurteilt. In der vergangenen Woche hatte die russische Polizei eine Fahndung nach weiteren Mitgliedern von Pussy Riot eingeleitet.

Am Sonntag teilte die Band auf ihrem mutmaßlichen Twitter-Konto mit, dass zwei Aktivistinnen ins Ausland geflohen seien, um sich vor der Verfolgung durch die Justiz zu schützen und um „ausländische Feministinnen“ für neue Protestaktionen zu rekrutieren.

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5 Kommentare

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  • G
    GWalter

    Das hätte Pussy Riot in Deutschland für eine Störung des Gottesdienstes gedroht:

     

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    § 103 StGB Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

     

    (2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11

     

    Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen. § 167 StGB - Störung der Religionsausübung (1)

     

    Wer 1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder

     

    2. * an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

     

    *(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.

  • B
    Benz

    @Lotta

    Die Anwälte der Pussen wissen, dass die Rechtslage ziemlich eindeutig ist, dass die Tat den Strafbestand des ''groben Unfungs aus Motiven religiösen Hasses'' erfüllt. Deshalb setzen sie auf die Politik, wollen das Verfahren politisieren. Ihre Verteidigungslinie: Unsere Klienten zwar ein Verbrechen begangen, dafür haben sie die richtige, nämlich westorientierte politische Einstellung, und müssen aus politischen Gründen freigelassen werden.

     

    Zum Glück liess das Gericht diese bizarre Argumentation nicht gelten. Im Gerichtssaal hat Politik nichts verloren.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    @Lotta

    Dsa "raushauen" ist vbei weiten schwieriger - in Rußland und auch anderswo, selbst hier !!! - als sie sich das vorzudstellen en scheinen.

     

    Die Reprssion, die Unterdrückung ist schon seit Jahrtauyssenden echt, konsequenrt und brutal!!

     

    Es isat immer wiedsr erstaunlcih, wiviel "Identifiaktion mit denm Aggrssoren, Repressoren" es da gibt - schhliesslich werden die meist GEWÄHLT.

     

    Dee repressive Charakter des normalisierten Wählers kommt da mit zum Vorschein. Der ist zäh und wird ständig neu organsiert und preproduziert. Genau gegen dessen un- vorbewusste Ressentiments richtete sich die Happening-Aktion. Ein Martyrium.

  • L
    Lotta

    Ich kann die Pussy Riot Propaganda nicht mehr hören, keiner kann ernsthaft den Putin für politisch so instinktlos halten sich mikromanagend in diesen Prozess verschärfend einzumischen. Statt die jungen Damen juristisch nach den Regeln der Kunst rauszuhauen, setzen die Anwälte auf Politik.

  • B
    Benz

    Eine Herabsenkung des Strafmasses wird es nicht geben. Aber vielleicht wird die Rekursinstanz zum Schluss kommen, dass das begangene Verbrechen mit nur 2 Jahren doch etwas gar nachsichtig bestraft wurde, und das Strafmass erhöhen. Hoffen wir das beste!

     

    Die Anstrengungen der russ. Polizei, die flüchtigen Mittäter aufzuspüren, sind sehr zu begrüssen. Dieses Verbrechen muss lückenlos aufgeklärt werden, damit den Opfern Gerechtigkeit widerfährt.