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Kreditwürdigkeit der EurozoneHerabstufung Deutschlands droht

Eine US-Ratingagentur stellt 15 Eurostaaten unter verschärfte Beobachtung. Darunter auch Deutschland, das sein Toprating verlieren könnte. Kanzlerin Merkel reagiert gelassen.

Das Bonitätsorakel: Standard & Poor's in New York. Bild: dapd

BRÜSSEL dapd/dpa | Die grassierende Schuldenkrise könnte Deutschland seine Topbonität kosten. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) stellt den Großteil der Eurozone unter verschärfte Beobachtung. Sie kündigte am Montag eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Deutschland und Frankreich sowie weiterer 13 Staaten der Währungsunion an.

Als Grund nannte die Agentur am Abend nach Börsenschluss in New York die Verschärfung der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung. Im Falle einer Neubewertung könnte den betroffenen Ländern damit eine Herabstufung drohen.

Berlin und Paris reagierten gelassen auf die Ankündigung. Man nehme die Ankündigung zur Kenntnis, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Die von beiden Regierungen gemachten Vorschläge zur Reform der Währungsunion würden die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern.

Deutschland und Frankreich seien entschlossen, gemeinsam mit ihren europäischen Partnern und den europäischen Institutionen alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Dass auch die bisher mit der Bestnote "AAA" bewerteten Länder wie Deutschland und Luxemburg eine Herabstufung fürchten müssen, setzt die europäischen Regierungen in der Schuldenkrise zusätzlich unter Druck. Die systemischen Belastungen der Euro-Staaten hätten in den vergangenen Wochen ein Ausmaß erreicht, das erheblichen Druck auf die Bonität der Eurozone als Ganze ausübe, erklärte S&P.

Fehlende Einigkeit im Euroland

Die einzigen Euro-Staaten, die am Montag nicht unter Beobachtung gestellt wurden, sind Zypern und Griechenland. Die Kreditwürdigkeit Zyperns wird bereits überprüft und die Bonität Griechenlands ist aktuell die schlechteste aller Staaten der Welt.

S&P zeigte sich skeptisch, ob die Euro-Staaten sich tatsächlich auf weitere Maßnahmen zur Beilegung der Schuldenkrise einigen können. Die Ratingagentur registrierte "anhaltende Meinungsverschiedenheiten unter europäischen Politikern, wie der Krise begegnet werden soll".

Außerdem bestehe keine Einigkeit darüber, "wie langfristig mehr ökonomische, finanzielle und steuerliche Konvergenz unter den Mitgliedern der Eurozone hergestellt werden kann", hieß es in der Beurteilung von S&P. Als weiteren Grund für die Überprüfung der Bonität der Euro-Staaten nannte S&P ein erhöhtes Rezessionsrisiko.

Analysten bemängelten zudem, dass noch immer keine Pläne vorlägen, wie weiteres Wirtschaftswachstum in der Eurozone generiert werden könne und auf welche Art und Weise die öffentlichen Ausgaben auf lange Sicht reduziert werden sollen. "Wenn das alles ist, sind das wirklich schlechte Nachrichten für die Zukunft des Euros", sagte der Chefökonom des Londoner Forschungsinstituts Centre for European Reform, Simon Tilford, zu den Plänen von Merkel und Sarkozy.

"Beunruhigt bin ich nicht, erstaunt schon"

Experten stellten auch die Fähigkeit der Eurozone infrage, eine laxe Ausgabenpolitik ihre Mitglieder künftig zu unterbinden "Wenn du es nur entschieden und häufig genug sagt, glauben es die Leute vielleicht", sagte Guy LeBas vom Finanzdienstleiter Janney Montgomery Scott. "Im Moment aber glauben die Märkte 'Merkozy' nach meiner Einschätzung noch nicht."

Doch es gibt keinen Automatismus der Folgen einer Herabstufung: S&P hatte im Sommer die USA wegen ihrer überbordenden Schulden mit einer Herabstufung ihrer Bonität auf die zweitbeste Note "AA+" geschockt. Dennoch ist der Zinssatz eher gesunken, den die Vereinigten Staaten für neue Kredite zahlen müssen. Denn die Angst vor weiteren Verwerfungen in der Eurozone hatte viele Investoren ihr Geld in US-Anleihen stecken lassen.

Deweil kritisierte der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, die drohende Herabstufung der Kreditwürdigkeit. "Beunruhigt bin ich nicht, erstaunt schon", sagte Luxemburgs Ministerpräsident am Dienstag im Deutschlandfunk. Vor dem Hintergrund der erheblichen Sparbemühungen in der Eurozone wirke die von der Ratingagentur angekündigte Überprüfung der Bonität "wie ein Keulenschlag". Der Schritt sei völlig überzogen und komme zur Unzeit, sagte Juncker.

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11 Kommentare

 / 
  • DO
    D. oh.

    mal ganz abweichend vom thema, aber ich finde es traurig dass eine zeitung wie die taz es nicht schafft, ihre artikel frei von rechtschreibfehlern zu veröffentlichen. und ja, ich weiß dass ich selbst gerade alles klein schreibe, aber ich bin ja auch keine tageszeitung. man kann übrigens in word mit der taste F7 die rechtschreibung überprüfen, ansonsten biete ich mich hiermit als korrektur-leser an :)

  • HR
    HP Remmler

    Diese Agenturen beurteilen ja nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen, und das sieht dann so aus:

     

    Letzte Woche wurde allen Ernstes gemeldet, S&P erwäge die Herabstufung der Kreditwürdigkeit des französischen Energiemonopolisten EDF für den Fall, dass Sozialisten/Grüne die Wahlen gewinnen (so was soll in Demokratien ja vorkommen) und die Ankündigung wahr machen sollten, die 22 ältesten französischen Atomkraftwerke abzuschalten.

     

    Hat S&P eigentlich Anfang März eigentlich auch Tepco gewarnt, man müsse im Fall eines Erdbebens/Tsunamis (so was soll in Japan ja vorkommen) mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit rechnen?

  • J
    Jürgen

    Komisch dass Merkel überhaupt gleich reagieren muss, wenn irgendwelche Kaffesatzleser pupsen.

    Jedenfalls wird es Zeit, dass der ganze Börsenquatsch auseinanderfliegt. Dass Investoren sonstwieviel Rendite absahnen wenn die Realwirtschaft GLÜCKLICHERWEISE nicht viel wächst, ist offensichtlicher Blödsinn.

    Übrigens hatte die CDU als Erfahrung mit dem 3. Reich gezogen, dass zentrale Wirtschaftsbereiche demokratisch kontrolliert werden müssen = verstaatlicht. Haben sie bloss vergessen und finanzieren sich regelmässig illegal, selbst Schuld wer sie wählt.

  • T
    tomlong

    Faschismus ist die offene terroristische Diktatur der aggressivsten Teile des Groß- und Finanzkapitals.

     

    Georgi Dimitroff 1933

     

    tomlong

  • AP
    Aristeros Politis

    Ich habe verstanden, dass die Bundesrepublik an eine ausgewählte Bietergruppe aus Großbanken zu lange vorbestimmten Terminen Staatsanleihen verkauft. Diese Banken nun verteilen die Anleihen auf dem Markt und machen dabei natürlich erheblich Gewinn. Ich verstehe aber nicht, warum die Staaten dies tun.

     

    Ich verstehe nicht, warum sich die Bundesrepublik nicht das Geld direkt bei ihren Bürgern besorgt: sei es über Steuern, sei es aber auch über direkte Kredite. Beispielsweise könnte sie das Angebot machen, dass man als Steuerbürger seine Steuern bis zu beispielsweise 5-fach überzahlt. Die Überzahlung wird mit zukünftigen Steuerschulden verrechnet und zu beispielsweise 2% verzinst. Die Banken wären aus dem Geschäft.

     

    Ich verstehe nicht, warum die Staaten die Finanzwirtschaft füttern. Ich verstehe auch nicht, warum die Staaten das Geld der Bürger einsammeln und an die Finanzwirtschaft lenken — beispielsweise die "Riester"-Rente —, um sich anschließend vom selben Wirtschaftssektor erpressen zu lassen. Erleben wir nicht gerade "Biedermann und die Brandstifter"?

  • K
    karakoram

    Hey, da müssen wir doch reagieren! Wir müssen einen Rettungsschirmschuldenbremsenhebel aufbauen. Dazu aber erstmal Transferleistungen u.a. weiter streichen - die Kohle muss ja wo her kommen. Und dann die Wettbewerbsfähigkeit steigern, also Löhne drücken und prekäre Arbeit weiter fördern. Obs funktioniert? Klar, aber nicht so wie es uns gesagt wird und nicht für die Menschen, die die Mehrheit des Volkes darstellen. Machen sollten wirs trotzdem, geht ja, es muckt ja keiner. Morgens in der Bahn lesen die Leute Bild. Da steht, es geht uns gut und die Maßnahmen müssen sein.

  • HS
    Herab stufung

    Was bedeutet das de-facto ?

    Wer eine 5 hat, hat auch nicht bestanden. Wer non-investment-grade steht ("ramsch"-Formulierung welche sich die Taz nicht aneignen sollte) darf von vielen Fonds nicht gekauft werden.

    Manche Fonds dürfen keine Aktien unter $ 10 kaufen.

    Kann es sein, das es eine Regel gibt, das eine Rating-Agentur egal ist ? Aber wenn eine zweite sagt, muss man die Abstufung wirklich vollziehen und z.b. weniger Anleihen kaufen ?

    D.h. wenn eine Agentur USA von AAA auf AA+ runterstuft ist es egal weil ja weiterhin zwei Agenturen AAA sagen. Erst wenn eine zweite Agentur das macht, müssen die Firmen sich dran halten. So wie die Punkte beim Boxen. 3 von 3 Box-Punkt-Richtern oder 2 von 3 Box-Punkt-Richtern definieren (fast) immer wer gewonnen hat.

    Solche Hintergrund-Infos fehlen halt durchgängig in der Wirtschaftspresse und nur hier und da schnappt man mal etwas auf. Das mit dem 2-define-Agentur-Prinzip kann falsch sein, vielleicht erinnere ich mich auch nur unklar und es stimmt.

     

    Dann wäre wichtig, wer die Anleihen überhaupt hält und kauft. Dem Asiaten ist es möglicherweise egal. Er will auf Euro diversifizieren und kauft das sicherste "Sparbuch": Deutsche Anleihen. Ein wahrer kapitalistischer Markt wäre transparent und man wüsste das. Merkel weiss auch genau, an wen sie monatlich die Zinsen überweist. Gibt es davon keine Länder-Statistik ? Das stimmt zwar nicht 100% weil die Chinesen auch Französische Konten haben könnten aber als erste Stufe nähme man diese Verteilung. Warum haben Schröder-Trittin das in 7 Jahren rot-grün nicht aufgedeckt und klargemacht ?

     

    Wenn Formel1 die Regeln ändert, damit die Autos langsamer werden, ändert sich an der Reihenfolge nicht notwendig etwas. Wenn Obama weg ist, geht die Konjunktur hoch und die Unternehmen wachsen gigantisch und MErkel muss 4-6% bezahlen anstelle wie heute 2% statt dann mal die Schulden zurückzuzahlen.

  • M
    Micha

    Man müsste Hrn. Juncker mal fragen, wann denn der richtige Zeitpunkt für die Herabstufung einer Kreditwürdigkeit eines Staates ist. Tatsache ist doch das erhebliche Risiken für die Zukunft des Euro bestehen, und deswegen jeder Investor kritisch überlegen muss, ob er sein Geld in Staatsanleihen anlegt. Da dürfte doch jedem klar sein, dass ein AAA Rating nicht der Wirklichkeit entspricht.

  • M
    Maik

    Ich bin froh, dass es diese Rating-Agenturen gibt. Sonst würden wir nur noch angelogen. Bereits angekündigt war die Herabstufung für den Fall, dass Eurobonds, bzw Transferunion, bzw Fiskalunion drohen. S&P hat schlicht erkannt, was Sache ist: Deutschland haftet für ganz Europa und steht mit dem gesamten Volksvermögen ein für die Fehler anderer. So etwas ist niemals tragbar und einem solchen Doofland auch noch überhaupt Bonität zuzusprechen, ist grotesk.

    Und es ist unfaßbar, daß das Volk immer noch freundlich zusieht, wie seine politische Einheitsparteienkaste aus SPD/GRÜNEN/CDU/CSU/FDP ihm gerade das letzte Hemd auszieht, um es zum Pfandleiher zu tragen.

  • R
    reblek

    Könnte mal jemand erklären, warum diese Ratingagenturen in der Gegend herumbewerten dürfen, warum jemand auf sie achtet und hört und wie sie sich finanzieren?

  • PS
    poor standard

    ..als international anerkannte und unabhängige Ratingagentur vermelde ich hiermit Merkels und Sarkozys unwiderrufliche Herabstufung auf totalen Junk-Status.

    sie können nun offiziell bei Nacht ohne ihre Kreditkarten am Omonia-Platz abgesetzt werden.