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KrebsforschungWie Aspirin den Krebs beim Streuen stört

Kopfschmerz, Kater – Krebs? Aspirin ist ein erprobtes Arzneimittel, das in Zukunft auch für Krebspatienten interessant werden könnte.

ASS: Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure wird für die Krebsforschung immer interessanter Foto: picture alliance

Aspirin, beziehungsweise der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS), steht bei den meisten vor allem als Mittel gegen Kopfschmerzen im Schrank, bekannt ist auch die blutverdünnende Wirkung. Schon seit einigen Jahren wird der Wirkstoff auch für die Krebsforschung immer interessanter: ASS scheint bei einigen Tumorarten das Wachstum von Krebsmetastasen günstig zu beeinflussen. Das ist relevant, weil die Heilungs- und Überlebenschancen von Erkrankten drastisch sinken, sobald der Tumor Metastasen bildet, also in andere Organe „streut“.

Jetzt hat eine Forscherinnengruppe aus Cambridge dafür erstmals eine Erklärung für den Mechanismus gefunden, der diese Wirkung erklärt. Hoffnung bedeutet das noch nicht für jetzige Patient*innen, aber doch für Fortschritte in der Krebstherapie.

Die Studie

Für die Anfang März im Journal Nature erschienene Studie haben die Wissenschaftlerinnen an Mäusen geforscht. Grundlage ihrer Arbeit war das Wissen darum, dass metastasisierende Zellen –anders als die Zellen des Primärtumors – im Anfangsstadium vom Immunsystem des Körpers noch relativ gut erkannt und bekämpft werden können. Wäre da nicht, und das zeigt diese Studie erstmals auf, das Molekül Thromboxan A2 (TXA2): Es wird von den Blutplättchen gebildet, die für die Gerinnung zuständig sind.

TXA2 fungiert als eine Art Tarnkappe, es macht die metastasierenden Zellen für die T-Zellen, die ein Teil des körpereigenen Immunsystems sind, quasi unsichtbar. Die Abwehr ist dann geschwächt, Metastasen breiten sich aus.

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Die Forschenden fanden heraus, dass Krebsarten wie Brust-, Haut- und Darmkrebs am Mausmodell weniger Metastasen in anderen Organen wie Lunge und Leber bildeten als bei unbehandelten Kontrollmäusen. Und sie konnten eine Ursache dafür identifizieren: ASS blockiert die Bildung von TXA2. Das tut es, indem es das Enzym Cyclooxygenase-1 (COX-1) in den Blutplättchen reduziert. Dadurch werden metastasierende Zellen für das Immunsystem wieder sichtbar, die T-Zellen können ihr Werk verrichten.

Was bringt’s?

Erst einmal das, was Mausmodelle für die Behandlung von Menschen eben bringen können: einen Anhaltspunkt. Um Menschen zielführend und sicher behandeln zu können, braucht es auch Studien an Menschen, und die sind zeit- und kostenintensiv

Allerdings wird die vorliegende Studie als wichtige Grundlagenforschung eingeordnet, vor allem als Forschungsansatz für die Behandlung von noch nicht metastasiertem Darmkrebs. Also vorsorglich einfach mal Aspirin einwerfen? Lieber nicht, denn ASS kann je nach Prädisposition und Vorerkrankung auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Auch ist jeder Krebs anders, es bleibt zu untersuchen, welche anderen Medikamente eventuell noch zielgenauer wirken. Weitere klinische Studien sind also notwendig – aber der Ansatz ist vielversprechend.

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4 Kommentare

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  • Skepsis ist ärtzlicherseits aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht unberechtigt.



    Das Mausmodell:



    "Für die Anfang März im Journal Nature erschienene Studie haben die Wissenschaftlerinnen an Mäusen geforscht. Grundlage ihrer Arbeit war das Wissen darum, dass metastasisierende Zellen –anders als die Zellen des Primärtumors – im Anfangsstadium vom Immunsystem des Körpers noch relativ gut erkannt und bekämpft werden können."



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    Eine Antwort aus 2013



    "Seit Jahrzehnten werden so genannte »Mausmodelle« in der biomedizinischen Forschung und Medikamentenentwicklung verwendet. Doch bei klinischen Studien, d.h, wenn die Wirkstoffkandidaten am Menschen getestet werden, erweisen sie sich fast immer als Fehlschlag. So haben 150 Substanzen, die sich im Tierversuch bei der Behandlung von schweren Entzündungen als wirksam erwiesen haben, allesamt beim Menschen versagt. Amerikanische Wissenschaftler untersuchten nun die Gründe für die schlechte Übertragungsquote."



    Quelle



    www.aerzte-gegen-t...en-mensch-und-maus

    • @Martin Rees:

      Tagesspiegel.de 2012



      „Wir testen gerade, welche Menschen am besten durch Cox-Hemmer vor Krebs geschützt werden und wer am anfälligsten für Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Blutungen ist“, sagt Cornelia Ulrich, Direktorin des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen und Wissenschaftlerin am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „Einfach allen Aspirin zu geben, ist nicht sinnvoll. Unter anderem unsere Gene bestimmen, wie groß der Vorteil..."



      "ASS blockiert die Bildung von TXA2. Das tut es, indem es das Enzym Cyclooxygenase-1 (COX-1) in den Blutplättchen reduziert. Dadurch werden metastasierende Zellen für das Immunsystem wieder sichtbar, die T-Zellen können ihr Werk verrichten."



      COX-2 in der Tumorgenese



      /



      "An fast allen Prozessen der Kanzerogenese ist COX-2 beteiligt – von der Bildung von Tumoren, über deren Blutversorgung bis hin zur Metastasenbildung. Zur Entstehung von Tumoren trägt COX durch seine Peroxidase-Aktivität bei. Als bifunktionelles Enzym fungiert COX nicht nur als Cyclooxygenase sondern auch als Peroxidase. Mit dieser Aktivität kann es Prokanzerogene wie Benzpyren in Kanzerogene umwandeln und produziert somit Mutagene im Gewebe."



      pharmazeutische-zeitung.de 2003

    • @Martin Rees:

      In dem link geht es nur um eine einzige Fragestellung: nämlich Entzündungen und Wirkstoffe dagegen. Hat also mit der Thematik im Artikel rein gar nichts zu tun. Ist auch nicht übertragbar.

      • @charly_paganini:

        Da Sie wohl auch Fachmann sind,es heißt: Skepsis ist hier angebracht



        "Über die Mechanismen, mit denen sich die Immunabwehr absichert, wusste man derzeit einfach noch sehr wenig. Auf irgendeine Weise sind alle Abwehrzellen und zahlreiche Botenstoffe darin eingebunden. Ein komplexes Netzwerk, auf dessen Spuren man nicht im Reagenzglas kommt. Für die Erforschung braucht es das Tiermodell. Ähnliches gilt für den Tumor selbst. Auch er „lebt“ ist einem ganz eigenen, ihn unterstützenden Ökosystem, aus Blutgefäßen, Signalmolekülen, Bindegewebe, Immunzellen und einer Matrix, die für die Verankerung des Gebildes im Gewebe sorgt. Auch das, was in einem Tumor abläuft, lässt sich im Labor nicht 1:1 nachvollziehen. Das führt in der Forschung hin und wieder zu Überraschungen. „Ein Wirkstoff kann in-vitro keinen sichtbaren Effekt haben, in-vivo aber trotzdem wirksam sein“, sagt Jäck."



        www.tierversuche-v...d-maus-zum-erfolg/



        Alternative Methoden sind vorrangig zu prüfen.



        "2023 wurden insgesamt 3.501.693 Tiere im Namen der Wissenschaft „verbraucht“, diese wurden größtenteils getötet."



        tierschutzbund.de



        Tierschutzbeauftragte an Forschungszentren waren ab d. 90ern wertvoll!