Kreative in Berlin: Zwischennutzer in der Zwickmühle
70 Künstler arbeiten in einem Atelierhaus, das an eine Wohnungsgesellschaft gehen soll. Die Künstler wollen bleiben. Wer sind die Guten, wer die Bösen?
Ginge es nach Klaus Winichner, wäre alles ganz einfach. Die 70 Künstler, darunter auch er, könnten im Atelierhaus Prenzlauer Promenade 149–152 bleiben. Dazu müsste der Liegenschaftsfonds nur darauf verzichten, den Plattenbau zu verscherbeln.
Ginge es nach dem Liegenschaftsfonds, wäre auch alles einfach. Der Verkauf nämlich ist gestoppt, nun soll das Grundstück an eine Wohnungsbaugesellschaft gehen: 30.000 neue Wohnungen will der Senat – ohne Grundstücke geht das nicht.
Ginge es nach Herbert Mondry, müsste der Senat auch die Lage der Künstler im Blick haben. 200 Ateliers seien derzeit bedroht, weiß der Vorsitzende des Berufsverbandes Bildender Künstler. „Die Bezirke wollen die Ateliers loswerden, und der Liegenschaftsfonds will keine Künstler, sondern vermarkten.“
Berlins Liegenschaftspolitik ist unübersichtlich geworden. Seit der Senat beschlossen hat, landeseigene Grundstücke nicht mehr nur nach dem Höchstgebot zu verkaufen, mehren sich die Begehrlichkeiten. In der Prenzlauer Promenade sind es zwei Gruppen, die beide bislang nicht zum Zug kamen. Nun sind Wohnungsbaugesellschaften und Künstler Konkurrenten. Unschwer auszumalen, wer dabei den Kürzeren zieht.
Klaus Winichner zieht vorerst an seiner Zigarette. Rauchverbot? Ach was, hier geht es ums Grundsätzliche. Auch mit der Wahrheit nimmt es der 45-Jährige nicht so genau. „Der Liegenschaftsfonds lügt, wenn er behauptet, dass hier nur Zwischenmieter seien“, echauffiert er sich – und gibt eine lustige Definition zum Besten. „Ein Zwischenmieter zahlt keine Betriebskosten.“
Die meisten Künstler in der Prenzlauer Promenade zahlen dagegen 2,50 bis 3,50 Euro. Ihre Verträge enden, wenn das Grundstück verkauft ist. Grund genug für den grünen Baupolitiker Andreas Otto, zu warnen: „Wenn nun alle Zwischennutzer bleiben wollen, wird keiner mehr solche Verträge abschließen.“
Herbert Mondry weiß um die vertrackte Lage. „Wir wollen ein Verkaufsmoratorium von zwei Jahren“, fordert er. In der Zwischenzeit soll ein Konzept für das Haus erarbeitet werden. Schließlich habe auch die Kulturverwaltung bei der neuen Liegenschaftspolitik ein Wörtchen mitzureden. Vielleicht gibt es an der Prenzlauer Promenade ja tatsächlich einmal beides: Ateliers und Wohnungen. Und natürlich rauchfrei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken