Krankenhausreform: Krankenhäuser auf dem Trockenen
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert vom Bund Unterstützung. In Berlin wurde demonstriert – am Ende waren vor allem die Pflanzen glücklich.
W eil vielen Kliniken in finanzielle Not geraten, hat sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) am Dienstag vor dem Berliner Hauptbahnhof versammelt. Mehrere hundert Menschen scharen sich um die Tribüne, denn die Kassen der Krankenhäuser sind genauso ausgetrocknet wie Berlin selbst. Bäume und Sträucher hoffen auf Hunderte Liter Wasser für ihren Durst und den Krankenhäusern fehlen bis zum Jahresende bundesweit 10 Milliarden Euro, um ihre Haushaltslöcher zu stillen.
Aber der (Geld-)Regen blieb bisher aus. Bei den Sträuchern stranguliert der Klimawandel die Liquidität, bei den Kliniken sind es die Inflation, hohe Gaspreise und die Nachwirkungen von Corona.
Eigentlich ist eine Reform der Krankenhausfinanzierung geplant, weil die aber erst in drei bis vier Jahren den Geldhahn öffnet, brauche es sofort eine Unterstützung durch die Bundesregierung, so die DKG. Gegen halb zwölf fallen auf dem Washingtonplatz ein paar Tropfen von der dichten Wolkendecke – ob heute wenigstens die Pflanzen erlöst werden?
„Die Politik muss unser Rufen hören!“, motiviert Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, die Menge, die mit Trillerpfeifen antwortet. Der Protest hallt vom gläsernen Bahnhofseingang zurück und wird über die Spree Richtung Bundestag geworfen: die Demo ist weithin zu hören. „Wir stehen nicht nur im Regen, sondern es kommen Gewitterwolken auf uns zu“, mahnt Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer. Ein paar Demonstrant:innen gucken ängstlich in die Wolken, die sich immer stärker ergießen.
Johna spricht von einem potenziellen Krankenhaussterben, besonders im ländlichen Raum. 60 bis 80 Prozent der Kliniken würden rote Zahlen schreiben, sagt Oliver Heide vom Berliner DKG. In Berlin sind es rund 200 Millionen, die in diesem Jahr fehlen. Konkret fordert die DKG eine Kompensation der Verluste, einen Inflationsausgleich, eine vollständige Refinanzierung von Personal- und Sachkosten und eine „bedarfsgerechte Investitionsfinanzierung“. Der Gesundheitsminister hätte das Problem zwar erkannt, handele aber nicht, so Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzende der DKG.
Als sich die Demo auflöst, ist das Maximum an Regen für heute erreicht. Wenigstens die Pflanzen haben eine kleine Liquiditätsspritze erhalten. Den Sommer werden sie damit aber nicht überstehen – ähnlich wie viele Krankenhäuser, die drohen finanziell auszutrocknen. Sollten die Regierungskoalition nicht die Geldschleusen des Finanzministeriums öffnen, will die DKG bald die Straße des 17. Juni mit Menschen fluten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“