Kramp-Karrenbauer und Merkel: Die Verbündeten
Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer ist mit dem Wahlsieg im Saarland noch wichtiger geworden in der Partei. Und sie gilt als Stütze Merkels.
In neun weißen Rahmen ist da eine Figur zu sehen. Mal stützt sie eifrig die wackligen Seitenwände mit vollem Körpereinsatz, mal stopft sie ein klaffendes Loch im Boden. Dann wieder schaut sie gedankenverloren durch einen Spalt nach draußen. So in etwa – aktiv, reaktiv, analytisch – hat Annegret Kramp-Karrenbauer in den zurückliegenden sechs Jahren das Saarland regiert.
Nach ihrer zweiten Wiederwahl und sensationellen 40,7 Prozent ist die 54-Jährige nun endgültig zum Machtfaktor in der CDU geworden. Und zu einer noch engeren Verbündeten von Angela Merkel.
Ministerpräsidentschaften sind die harte Währung der Konservativen. Wer die nicht nur erringt, sondern, wie Kramp-Karrenbauer, erneut holt und ausbaut, wird noch wichtiger, wenn es um Merkels Nachfolge geht. Mag das Bundesland noch so klein sein – die CDU kann nicht mehr wählerisch sein. Außer Kramp-Karrenbauer und dem Hessen Volker Bouffier stellt die Partei nur noch zwei Ministerpräsidenten. Was man aus Sachsen und Sachsen-Anhalt so hört, ist alles andere als dazu angetan, den Amtsinhabern die Kanzlerschaft zuzutrauen.
Bei der nach Landtagswahlen üblichen Pressekonferenz in der Parteizentrale am Montag ist die Stimmung gelöst. Vor einem halben Jahr, nach der Berliner Wahlpleite, hielt die Vorsitzende hier eine selbstkritische Rede. „Wir müssen uns jetzt gleichsam selbst übertreffen – auch ich“, hatte sie mit Blick auf das anstehende Superwahljahr gesagt. Heute triumphiert sie in jenem Maße, den das Merkel’sche Gemüt zulässt. „Der Sonntag war erst mal so okay“, sagt Merkel und lächelt breit. Dort, wo sie herkommt, nennt man das den Brandenburger Superlativ.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Neben ihr steht Kramp-Karrenbauer im weißen Halbmantel. „Der Schulz-Effekt hat uns auf vierzig Prozent katapultiert“, freut sie sich. Tatsächlich aber ist der Wahlsieg auch anderen zu verdanken als dem SPD-Chef. Kramp-Karrenbauers Mannschaft hat 75.000 Haustürbesuche gemacht und jeden, der es hören wollte oder nicht, an die solide Regierungspolitik und den dräuenden Oskar Lafontaine erinnert.
Know-how war auch aus dem Konrad-Adenauer-Haus gekommen. Generalsekretär Peter Tauber kommt vor Beginn der Pressekonferenz nicht aus dem Schwärmen darüber hinaus, welch tolle Datenanalysen seine Parteizentrale zugeliefert habe. „Der Haustürwahlkampf hat uns noch mal zwei Prozent gebracht“, ist er sicher. Und dass das Saarland ein guter Probelauf für den Bundestagswahlkampf gewesen sei: „Ein Lehrstück für die Partei“.
So kann man das getrost sehen. Seit den reihenweise vergeigten Landtagswahlen 2016 mit einer immer stärker werdenden AfD war die Kritik an Merkel unüberhörbar geworden. In der Flüchtlingskrise rückte die CSU immer weiter von der Regierungschefin ab. Beim CDU-Parteitag peitschte eine Allianz aus Junger Union und dem Präsidiums-Youngster Jens Spahn das Nein zum Doppelpass durch. Die Mittelstands-Union beschwerte sich ständig. Und letzte Woche gründete sich auch noch eine „Freiheitlich Konservativer Aufbruch“ genannte Therapiegruppe.
Angela Merkel bläßt die Backen auf
All jenen schreibt Merkel an diesem Montag ins Stammbuch, die Saarland-Wahl zeige: „Wir gewinnen und wir verlieren gemeinsam.“ Gefragt, ob das Ergebnis für die Fortsetzung der Großen Koalition auch im Bund stehe, bläst Angela Merkel die Backen auf, bevor sie antwortet: „Ich weigere mich, im März zu erklären, was im September möglich ist.“
Gut, andere Frage: Hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer endgültig als Merkels Nachfolgerin qualifiziert? Wieder Pusten. Dann: Kramp-Karrenbauer sei eine tolle Ministerpräsidentin. Aber: „Ich bin jetzt die Kandidatin für diesen Wahlkampf“. Mit Betonung auf „ich“. Und schließlich: Sie brauche sich gar nicht mit der eigenen Nachfolge zu beschäftigen. „Das macht dann schon die Partei.“ Gelächter vor und auf dem Podium.
Eine, der auch schon mal Merkels Nachfolge zugetraut wurde, hat es vor der Pressekonferenz noch pointierter ausgedrückt. Man möge sich nicht um die Stimmung in der Partei sorgen, sagt Parteivize Julia Klöckner. „Im Konrad-Adenauer-Haus brennen keine Mülltonnen.“ In exakt sechs Wochen wird in Schleswig-Holstein gewählt. Dann sieht man sich wieder.
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