Kraft des Fußballs im Kosovo: Der Kick um Anerkennung
Der Kosovo spielt auch Fußball, um Aufmerksamkeit und politische Gewinne zu erzielen. Ein Grund, weshalb dort Felix Magath ein Trainerkandidat ist.
Vier Niederlagen sind es nun schon hintereinander. Am Mittwoch, beim 0:2 gegen Jordanien, verloren sich nur noch etwa 1.000 Zuschauer im Stadion „Fadil Vokrri“, das mitten in Priština liegt, der Hauptstadt des Kosovo. Das kleine Stadion, das nur ein Dach über der Haupttribüne trägt, war mit seiner Kapazität von knapp 15.000 Zuschauern mal viel zu klein für ein großes Spiel.
Angeblich hätten 200.000 Eintrittskarten für das Spiel gegen England verkauft werden können, das nun gerade mal zwei Jahre zurück liegt. Der Kosovo träumte davon, bei der Europameisterschaft 2020 mitspielen zu dürfen, und er war nach dem klaren 0:4 gegen England auch noch nicht aufgewacht. Es gab den zweiten Weg über die neue Nations League, in der ein Aufstieg aus der untersten Division und damit die Qualifikation für Playoffs gelungen war. Das 1:2 beim Nachbarn in Nordmazedonien beendete den Traum.
Gut ein Jahr ist das jetzt her. Die Euphorie ist verflogen, der Kosovo hat nur eines von sechs Spielen in der Division C der Nations League gewonnen, immerhin wurde der Abstieg vermieden. In der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2022 belegt die Mannschaft nach einer Heimniederlage gegen Georgien den letzten Tabellenplatz in der Gruppe. Trainer Bernard Challandes, ein Schweizer, musste nach dem 1:2 gegen Georgien gehen. Primož Gliha betreute die Mannschaft gegen Jordanien, am Sonntag beim abschließenden Spiel in der WM-Qualfiikation in Griechenland dürfte sein zweiter auch der letzte Einsatz sein.
Der Fußballverband des Kosovo sucht einen renommierten Trainer, und unter den Kandidaten taucht auch der Name Felix Magath auf. „Da ist etwas dran“, sagte jemand vom Deutschen Fußball-Bund der taz. Die Frage sei, das war bei einer indirekten Bestätigung aus dem kosovarischen Verband auch zu hören, ob Magath sich finanzieren ließe.
Streben in die EU
Sportpolitisch wäre die Verpflichtung des 68 Jahre alten Fußballlehrers sicher ein lohnendes Investment, denn es würde in einem großen und politisch bedeutenden europäischen Land wie Deutschland Aufmerksamkeit bringen.
Der Kosovo spielt Fußball um Punkte, aber vor allem um Aufmerksamkeit, da geht es ihm wie vielen anderen Staaten im Westbalkan. „Wir wollen in die EU“, sagt Eroll Salihu. Auch das verbindet den Kosovo mit den anderen Staaten des Westbalkans.
Eroll Salihu war lange Generalsekretär des Verbandes und ist nun „Generaldirektor Sport“ sowie Präsident des kosovarischen Sportgerichtes. Er weiß, dass es ein schwieriger Weg in die Europäische Union ist, ein sehr schwieriger. Der Westbalkangipfel Anfang Oktober in Slowenien verlief ernüchternd für sein Land, genau wie für Albanien, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro.
Fünf der 27 Staaten aus der EU erkennen den Kosovo nicht an, darunter ist auch Griechenland, der Gegner von Sonntag.
„Kein Problem. Das wird niemand merken. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zum griechischen Verband“, sagte Salihu der taz. Die kosovarische Flagge werde gehisst, die Hymne gespielt, wie auch schon bei den beiden jüngsten Vergleichen in der Nations League und dem Hinspiel in der WM-Qualifikation, das in Priština mit einem 1:1 endete.
Unter den EU-Staaten, die den Kosovo nicht anerkennen, findet sich auch Spanien. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Regierung in Madrid den baskischen und katalanischen Separatisten im eigenen Land keinen Vorschub leisten möchte.
Verbundenheit mit den USA
Als im vergangenen September die spanische Hymne beim Qualfikationsspiel in Priština gespielt wurde, blieben viele kosovarische Fans sitzen.
Geliebt werden in dem Staat mit seinen nicht einmal zwei Millionen Einwohnern hingegen vor allem die US-Amerikaner. Sie entschlossen sich unter dem damaligen Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1999, mit der aus Truppen der Nato gebildeten Kfor die UÇK die „Befreiungsarmee des Kosovo“, in einem Luftkrieg gegen die Serben zu unterstützen.
Der Kosovo war eine Autonome Provinz in der Teilrepublik Serbien, die zum Vielvölkerstaat Jugoslawien gehörte und dessen Rechtsnachfolger er wurde. Der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo strebte schon während des jugoslawischen Zerfallsprozesses nach Unabhängigkeit, die paramilitärische UÇK gründete sich 1994.
Zwar wurde der Kosovo 1999 nach dem von der Kfor schnell entschiedenen Krieg unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt, aber die Serben waren größtenteils verdrängt. Die Kosovaren feierten, bauten Bill Clinton später eine Statue in Priština und erklärten am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit. Deutschland erkannte den Kosovo drei Tage später an.
Angela Merkel ist zwar keine Statue in Priština erbaut worden, aber die bald scheidende Bundeskanzlerin ist ähnlich beliebt wie Clinton. Deutlicher als viele andere Regierungschefs äußerte sie in den vergangenen Jahren, dass Serbien zunächst den Kosovo anerkennen müsse, um der EU beitreten zu können.
Einreise nach Serbien verweigert
Wie weit die beiden potenziellen Beitrittskandidaten aber noch auseinander liegen, zeigte sich kürzlich bei einer großen Sportveranstaltung. Einer kleinen Delegation des kosovarischen Boxverbandes wurde die Einreise nach Serbien zu den Amateurweltmeisterschaften in der Hauptstadt Belgrad verweigert.
An der Grenze ist das Auto mit Sportlern und Funktionären abgewiesen worden. Die Weiterfahrt wurde an die Bedingung geknüpft, die Trainingsanzüge mit den nationalen Symbolen im Kosovo zu lassen. Nicht akzeptabel, entschied die Delegation und bat die Politik um Hilfe. Die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz und Sportminister Hajrulla Çeku wandten sich an den Boxweltverband AIBA und die Botschafter der sogenannten Quint-Gruppe, Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens. Auch die EU sei benachrichtigt worden, genau wie Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.
„Es hat alles nichts geholfen“, so Gërvalla-Schwarz, die mäßig überrascht von dem Affront der Serben gewesen sei: „Das ist nur einer von vielen Fällen. Es war auch keine Entscheidung der Grenzpolizisten, sondern die kam von ganz oben aus Belgrad.“
Donika Gërvalla-Schwarz wuchs in Bonn auf und spricht perfekt Deutsch. Ihr Beruf ist es, sich in Diplomatie zu üben, doch wenn es um den größeren Nachbarn geht, legt sie die ab: “Ich als Außenministerin spreche nicht mit den Serben, weil es keinen Sinn macht. Die serbische Seite tut so, als seien wir noch im Krieg.“
Auch Fußballfunktionär Salihu beschuldigt die Serben, kein Interesse an einer Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts zu haben: „Serbien spielt mit zwei Karten. Sie setzen auf Russland als ihren Partner auf dem Balkan, aber wollen in die EU.“
Deutsche Hilfe für Kosovos Fußball
Der Eklat um die verweigerte Einreise zur Box-WM blieb bislang ohne Folgen. Ein Eingriff der AIBA zugunsten des Kosovo wäre auch überraschend gewesen, denn der Weltverband wird von Umar Kremlew geführt, einem Russen.
Russland, Bosnien-Herzegowina und Serbien sind gleich drei potentielle Kontrahenten, die von der Uefa als Gegner des Kosovo bei Auslosungen ausgeschlossen werden.
Serbien rief vor fünf Jahren den Internationalen Sportgerichtshof Cas an, um gegen die Aufnahme des kosovarischen Fußballverbandes in Uefa und Fifa zu intervenieren. Die Klage wurde jedoch abgewiesen. Damit hielt ein Beschluss stand, den sich zu einem großen Teil ein deutscher Funktionär auf die Fahne schreibt. „Ich habe sehr darauf eingewirkt, dass der Kosovo in die internationalen Verbände aufgenommen wird“, sagte Rainer Milkoreit der taz.
Der ehemalige Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes und mittlerweile 77-jährige Ehrenpräsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes ist über zwei Unternehmer aus dem sachsen-anhaltinischen Leuna zu seinem Engagement für den kosovarischen Verband FFK gekommen. Als einer der kosovo-albanischen Brüder kürzlich starb, kondolierte der FFK auf seiner Homepage.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
„Die Deutschen haben uns sehr geholfen“, sagt auch Eroll Salihu. Ein auch mit staatlichem Geld gefördertes Kooperationsprogramm sei allerdings inzwischen ausgelaufen. Den deutschen Entwicklungshelfer Michael Nies, als Technischer Direktor angestellt, müsse der kosovarische Verband inzwischen aus eigener Tasche zahlen, so Milkoreit.
Das Engagement für den Fußball im Kosovo hat Milkoreit den Titel eines Honorarkonsuls eingebracht. Er glaubt, dass „keines der Länder“, also auch nicht Serbien, die den Kosovo derzeit noch nicht anerkennen, bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben würden. Dies sei allerdings „ein Bauchgefühl“.
Eroll Salihu stützt die gleiche These auf den Umstand, dass die US-Amerikaner kürzlich Christopher Hill als Botschafter nach Belgrad entsandten. Der Diplomat war Unterhändler während und nach diversen Kriegen auf dem Balkan. „Die USA wollen nicht, dass Serbien von Putin gesteuert wird“, so Salihu. Daher würden sie darauf drängen, dass Belgrad sich zum Westen bekenne und – als Voraussetzung – den Kosovo anerkenne.
Umgekehrt würde das dann auch sofort passieren. „Wir haben überhaupt kein Problem mit dem serbischen Volk“, so Salihu. Auf der höchsten Ebene aber seien die gedanklichen Fronten erhärtet.
Um sie aufzuweichen, braucht der Kosovo Aufmerksamkeit, auch durch den Sport, in erster Linie durch den Fußball. Die Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland scheint derzeit allerdings ein ganz verwegener Traum zu sein.
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