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Kosten für SanierungScheeles Ex-Firma braucht Geld

Die städtische Beschäftigungsgesellschaft HAB wird auf 40 Mitarbeiter geschrumpft. Für die soziale Abfederung dienen zehn Millionen Euro aus dem Sozialetat.

Hat womöglich wenig wirtschaftlich und zweckmäßig gehandelt: der heutige Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Bild: dpa

Der SPD-Senat will Haushaltsreste aus dem Sozialetat nutzen, um die Hamburger Arbeit Beschäftigungsgesellschaft (HAB) mit bis zu zehn Millionen Euro zu sanieren. Das geht aus einem Drucksachenentwurf vor, der der taz vorliegt. Die Reste kommen unter anderem aus den Etats für Kinder- und Jugendarbeit und für Integration und Opferschutz.

Die HAB ist seit Jahren Sorgenkind der Stadt. 1983 gegründet, um Sozialhilfeempfänger in das Leistungssystem der Arbeitslosenhilfe zu integrieren, verlor sie 2005 mit Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform ihren Daseinszweck. Detlef Scheele, von 1995 bis 2008 Geschäftsführer, mühte sich rührig um neue „Geschäftsfelder“. Von 2007 bis 2008 beispielsweise übernahm die HAB die alleinige Zuweisung der 1-Euro-Jobs und erhielt dafür weiter institutionelle Förderung in Millionenhöhe von der Stadt. Der Rechnungshof kritisierte dies als wenig wirtschaftlich und zweckmäßig. Außerdem hätte ein Interessenbekundungsverfahren stattfinden müssen, an dem sich freie Träger beteiligen.

Dies ist auch in späteren Rechnungshofberichten die Kritik. Die Stadt darf ein eigenes Unternehmen nur mit Aufgaben betrauen, wenn dies nicht auch freie Anbieter tun können. Unter dem scharfen Blick der Kontrollbehörde reduzierte die Stadt ab 2009 den HAB-Zuschuss und stellte die Förderung 2010 ganz ein. Seither zehrte das Unternehmen vom Eigenkapital.

Hamburger Arbeit

Bei der HAB und ihrer Tochtergesellschaft HAB Service sind 217 Mitarbeiter beschäftigt, davon 39 in der Hauptverwaltung und 178 in Maßnahmen.

Das Sanierungskonzept sieht eine Verkleinerung vor. Es bleibt ein Kernbereich von Sozialbetreuung und Schuldnerberatung.

Nicht mehr betreuen wird die HAB Arbeitsgelegenheiten, auch Ein-Euro-Jobs genannt. Die vorhanden Plätze sollen auf andere Träger übergehen.

Für Dienstleistungen der HAB Service wie die Schulversorgung werden neue Träger gesucht.

Eine 2009 von der damals zuständigen Wirtschaftsbehörde eingesetzte Projektgruppe kam zu dem Ergebnis, dass den „sinkenden Erlösen des Konzerns keine Aufwandsminderung gegenüberstand“. Daran wären Mängel der HAB-Geschäftsführung „hauptursächlich“.

Inzwischen ist die Lage so eng, dass der heutige Sozialbehörden-Staatsrat Jan Pörksen eine Radikal-Sanierung verhandelte. Bleiben soll nun nur die „Kern-HAB“. Das Programm der „40 flankierenden Sozialbetreuer“ für 1-Euro-Jobber soll dauerhaft an die HAB übertragen werden. Bei regelmäßiger Neuausschreibung ließe sich dies „schwerer realisieren als in öffentlicher Trägerschaft“, heißt es im Entwurf. Das ist pikant. Noch im Herbst durften sich alle Träger dafür bewerben.

Teile der HAB, etwa die Schulküchen, sollen an andere Träger übergeben werden. Für die übrigen der insgesamt 217 Mitarbeiter gibt es einen Sozialplan, der Abfindungen und eine Transfergesellschaft umfasst. Das wird teuer. Die Sozialbehörde schrieb am Freitag von sieben Millionen Euro. Der Drucksachenentwurf rechnet im „Worst-Case“ mit 10,7 Millionen Euro. Der Löwenanteil von 9,26 Millionen Euro speist sich aus „Resten“ des Sozialetats. Neben den oben erwähnten fließt auch Geld aus den Etats für Kinderbetreuung, Wohnungslosenhilfe und Opferentschädigung in den Topf.

Die Träger kritisieren das: „Es war ein Fehler, dass mit der Umstrukturierung der HAB so lange gewartet wurde, obwohl sie sichtbar nicht aus den roten Zahlen kam“, sagt Peter Bakker von der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit (BAG). Die Sozialplan-Zusagen gegenüber der Belegschaft müssten eingehalten werden. „Das darf aber nicht aus anderen Bereichen des Sozialhaushaltes finanziert werden.“

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4 Kommentare

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  • O
    observer

    Alle EIN-EURO-Jobs sind hinsichtlich der vorgeblichen Integrationsabsichten kontraproduktiv und meistens auch nicht wettbewerbsneutral. Man sollte sich nur mal die Tätigkeiten eines Flensburger "freien Trägers" im Arbeitsfeld Garten- und Landschaftsbau ansehen.

    Das Instrument ist nicht nur gänzlich ungeeignet, sondern schälich. Aber wo kläger, da kein Richter. Und die Jobcenter handeln nach der bekannten Tour: Nichts hören - nichts sehen - nichts sagen! Wie lange eigentlich noch?

    Herr Scheele kennt die Mißstände auch aus seinem eigenen früheren Laden "HAB", - vielleicht ist dies also auch späte Reue?

  • K
    Keller

    Den MitarbeiterInnen der HAB sei der Sozialplan gegönnt, auch wenn die anderen Beschäftigungsträger die Gelder für die Umstrukturierungen aus eigenen Mitteln aufbringen zum Teil in die Insolvenz marschieren müssen und sich nicht des Mitleids oder gar der Fürsorge von Herrn Scheele erfreuen können.

    Dass das Ganze nun aber mit max. 10,7 Mill. Weitgehend aus ´Restmitteln des Sozialetats´ finanziert werden soll, ist doch der blanke Hohn, wenn gleichzeitig von Herrn Senator Scheele mit der Brechstange die Kürzung von 3,5, Mill. Jährlich für die offene Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken durchgesetzt werden soll.

    Das Beispiel HAB zeigt weiter: monopolistische Strukturen, und dann noch in Spitzenpositionen nur nach ´parteiinterner Durchsetzungskraft´ besetzt, sind für wirtschaftliches Handeln ungeeignet. Das Paradebeispiel hierfür ist Herr Scheele.

    Die HAB hat unter seiner Leitung jährlich Millionen institutioneller Förderung vom Hamburger Senat erhalten, zum Teil trotzdem mit Verlust gearbeitet und die vom Rechnungshof verlangten Strukturveränderungen nicht durchgeführt (wer war bzw. ist eigentlich im Aufsichtsrat der HAB?). Und nun sollen sich die Träger von Maßnahmen im Kinder- und Jugendbereich von Herrn Scheele erklären lassen, wie man verantwortungsvoll mit Steuergeldern umgeht. Das darf doch wohl nicht wahr sein!

  • Z
    Zyniker

    Das Ganze ist ein Prima Beispiel, wie aus einer sozialen Einrichtung ein Selbstbedienungspfründetopf gemacht wird, bei dem es nur noch um die Mitarbeiter (mit Parteibuch ???) aber nicht mehr um die Bedürftigen geht.

  • D
    Detlev

    Die Vermittlung von Arbeitslosen in Aktivjobs bzw. AGHs durch die HAB war m.M. nicht nur schlecht, sondern auch illegal, weil dies eine Kernaufgabe der Vermittler nach damaliger Gesetzeslage war. Tatsächlich wurden die Arbeitslosen am Berliner Tor einfach in irgendeine AGH geschickt, ohne großes Zutun des Vermittlers. Die AGHs sind zudem auf ganzer Linie gescheitert, hatten kaum Effekt oder sogar negative Effekte. Hamburg lag damals (ab 2005) auf dem Niveau ostdeutscher Bundesländer, was Anzahl von AGHs anging. Das setzte sich sogar in Aufschwungsjahren (2008) fort. Scheele hat damals eine Maschine installiert, die eben die Kasse der HAB füllte, aber nicht die Zielvereinbarungen erreichte.

     

    Ich muss sagen, dass es mir schleierhaft ist, warum die SPD einen Detlef Scheele soweit befördert hat (Staatsrat im Arbeitsministerium und jetzt Senator). Von seiner Leistungsbilanz müsste er ständig degradiert werden, aber der SPD geht es wohl nicht um sachliche, nachvollziehbare Bilanzen, sondern vor allem um das richtige Marketing und das trauen sie diesem Mann zu.

     

    Diese Tausenden Arbeitslosen, die ausgebeutet worden, die an sinnlosen Maßnahmen teilgenommen haben und die nun hier lesen, wie luxuriös der Ausstieg für Scheeles Ex-Kollegen (darunter auch viele SPD-Mitglieder) gemacht wird, wird sich der Magen umdrehen.