Kosten für Elbphilharmonie explodieren: An der Nase herumgeführt
Hamburgs Elbphilharmonie wurde immer nur ein bisschen teurer - bis der Preis aufs Dreifache geklettert war. Jetzt steckt die Kulturpolitik der Stadt in der Falle.
HAMBURG taz | Damals, Anfang der 2000er, waren alle Parteien dafür, den exklusiven Touristenmagneten zu bauen. Eigentlich sollte sie ja ein Schmuckstück werden.
Dass Hamburgs Elbphilharmonie dann immer ein bisschen teurer wurde, sah man ihr nach, zunächst - bis der Preis auf das Dreifache geklettert war. Ab da nahm es das Volk übel. Verweigerte Identifikation. Sprach ketzerisch von darbender Subkultur und Ähnlichem. Da half es auch nicht, dass die Politiker die Philharmonie ein ums andere Mal als "Haus für alle" rühmten, dessen Karten ja so billig sein sollten. Der Lack war ab, noch bevor er aufgetragen war.
Das lag teils an der vom damaligen CDU-Senat forcierten frühen Ausschreibung - schließlich wollte man im Wahlkampf mit dem Projekt punkten. Hinzu kam ein Vertragskonstrukt, das die Glamour-Architekten Herzog & de Meuron nicht direkt mit der Baufirma verhandeln ließ, sondern die Stadt als "Projektsteuerer" zwischenschaltete. Das funktionierte aber nicht, im Gegenteil: Bald wusste niemand mehr genau, welche (teuren) Änderungen von den Architekten und welche von der Stadt gekommen waren. Baukonzern Hochtief, eifrig Nachforderungen stellend, lachte sich ins Fäustchen.
Vertragsstrafe in Millionenhöhe
All das sollte mit dem Hamburger Regierungswechsel im Frühjahr 2011 anders werden - obwohl nie klar war, was ein SPD-Senat neu bewegen sollte. Doch einen Versuch war es wert, und so trat sie gleich recht forsch auf, die aus Berlin eingeflogene Kultursenatorin Barbara Kisseler. "Keine Spielchen von Hochtief mehr", rief sie ein ums andere Mal aus, wenn neue Nachforderungen drohten. Nach dem dritten Mal glaubte ihr keiner mehr.
Jetzt, da Hochtief den Bau wegen eines Disputs ums Dach weitgehend eingestellt hat, rang sich die Stadt endlich durch, von Hochtief eine Vertragsstrafe von 40 Millionen Euro wegen zweijährigen Verzugs einzufordern. Es ist das erste Mal, dass die Stadt nicht als naiver Hanswurst auftritt, der vom mächtigen Baukonzern an der Nase herumgeführt wird - aber viel mehr ist es auch nicht.
Denn es wird weder den Ruf der Kultursenatorin noch den der hamburgischen Kulturpolitik retten. Kisseler ist vollauf damit befasst, die Löcher zu stopfen, die ihre konservativen Vorgänger hinterließen - mit einem leichten, wohl biografisch motivierten Faible fürs Theater: Die beiden großen Hamburger Bühnen bekommen mehr Geld und sind somit ruhiggestellt.
Das ungeliebte Erbe
Das Chaos im Museumswesen dagegen schwärt weiter. Kein einziges der vielen unterfinanzierten Häuser bekommt mehr Geld. Nebenher wird die Senatorin auch noch von ihrer eigenen SPD getrieben. Die beantragte die Auflösung einer wichtigen Museumsstiftung - zwei Tage, nachdem Kisseler für deren Erhalt plädiert hatte. Kisseler ruderte zurück und fand den SPD-Vorschlag dann auch ganz gut. Hausmacht sieht anders aus.
Und die Elbphilharmonie, die wohl erst Ende 2014 fertig wird? Ist - das gibt Kisseler inzwischen selbst zu - ein Erbe, das sie wenig liebt, an das zu glauben sie sich aber verpflichtet hat. Das mit dem Vorgeführtwerden allerdings, das ist noch nicht vorbei. Am Mittwoch nämlich berichtete die Bild, Hochtief habe soeben weitere 180 Millionen Euro gefordert. Der öffentliche Anteil an dem PPP-Projekt stiege somit auf eine halbe Milliarde. Hochtief dementierte zwar sofort. Die Kultursenatorin auch. Aber die Zahl ist in der Welt, und in Sachen PR wäre Hochtief damit mal wieder vorn.
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