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■ Kosovo: Unabhängigkeitsforderungen nicht verteufelnAllein gelassen

Noch vor Wochen waren die Menschen im Kosovo hoffnungsfroh. Denn der Westen schien kein neues Bosnien mehr hinnehmen zu wollen. Der Optimismus von damals ist verschwunden. Denn seitdem von Nato-Luftangriffen nicht mehr die Rede ist, greifen die serbischen Sicherheitskräfte wieder verstärkt an. Kaum hat der internationale Druck nachgelassen, gibt es im Kosovo erneut Vertriebene. In den Dörfern südlich von Mitrovica – und nicht nur dort – brennen wieder Häuser. Die „gemischten Dörfer“ werden von Albanern „befreit“.

Die Ratschläge der internationalen Gemeinschaft klingen für die kosovo-albanische Bevölkerung wie Hohn. Wenn, wie jetzt in Bonn, von dem kosovo-albanischen Präsidenten Rugova gefordert wird, die „Kämpfe“ einzustellen und an den „Verhandlungstisch“ zurückzukehren, so zeigt sich für die Menschen hier, daß von der internationalen Gemeinschaft wohl kaum ernsthafte Hilfe zu erwarten ist. So wie während all der Jahre, als man es bei passivem Widerstand belassen hat.

Von politischem Druck, wenigstens Rechtssicherheit im serbischen Staat durchzusetzen, war nichts zu spüren. Voraussetzung für eine erfolgreiche Diplomatie müßte aber sein, die Ansprüche beider Seiten überhaupt erst einmal anzuerkennen. Während die serbischen Ansprüche weitgehend akzeptiert sind – ohne zu fragen, ob das Konstrukt, der Kosovo sei historisch immer ein Teil Serbiens gewesen, überhaupt gerechtfertigt ist –, sind es die der Kosovo-Albaner nicht. Daß die Albaner – die ja schon vor der Einwanderung der Serben hier lebten und fast 90 Prozent der Bevölkerung stellen – nach all ihren Erfahrungen mit der serbischen Repression den Wunsch nach Unabhängigkeit nicht in die Waagschale von „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ werfen dürfen, gibt der serbischen Argumentation von vornherein mehr Gewicht. Wie soll da ein echter und tragfähiger Kompromiß entstehen?

Das Erscheinen der kosovo-albanischen Widerstandsorganisation UCK hat auch mit dieser internationalen Haltung zu tun. Während die UCK alle Kraft darauf konzentrieren muß, die militärischen Angriffe abzuwehren und weitere ethnische Säuberungen zu verhindern, kristallisiert sich heraus, daß sie den Kampf um die Unabhängigkeit des Kosovo aufgenommen hat. Ohne diesen Wunsch nach Unabhängigkeit zu akzeptieren, machen Verhandlungen keinen Sinn mehr. Folglich darf diese Option nicht von vornherein verteufelt werden. Erich Rathfelder

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