■ Kosovo: KFOR, UÇK und das Primat der Ethnopolitik: Die falschen Partner des Westens
Warum die Verwunderung? Jedes Kind im Kosovo hätte Nato-General Jackson, den MitarbeiterInnen von „Human Rights Watch“ oder denen des „Europäischen Zentrums für die Rechte der Roma“ vor dem Einmarsch der KFOR sagen können, dass mit dem serbischen Abzug die Zeit der Abrechnung gekommen ist. Die Entwicklung folgt einer denkbar einfachen Logik: SerbInnen und Roma haben uns unterdrückt – jetzt unterdrücken wir sie. Dass Nicht-AlbanerInnen, die trotz des serbischen Rückzug im Kosovo geblieben sind, höchstwahrscheinlich nicht an der dortigen Apartheidspolitik beteiligt waren, zählt nicht. Sie zahlen die Zeche, weil sie mit den Ex-HerrscherInnen die Nationalität teilen.
Zehn Jahre lang hat Belgrad die AlbanerInnen in der Provinz geprügelt, getreten, unterdrückt. Das sind zehn Erstsemester, die nicht auf die Universität konnten, zehn Einschulungsjahrgänge, die nie eine reguläre Schule besucht haben, und zehn verpasste Jahre für diejenigen KosovarInnen, die das Glück hatten, noch im alten Tito-Jugoslawien aufgewachsen zu sein. Um abzusehen, dass dafür nun irgendwer bluten muss, hätte die Nato nur ein Auge auf die Entwicklung in Kroatien nach der (Rück-)Eroberung der serbisch besetzten Krajina-Region werfen müssen. Oder auf eigene Erfahrungen in knapp vier Jahren Nato-Engagement in Bosnien. Die bosnische Serben-Chefin Plavšic oder der kroatische Präsident Tudjman dachten genauso ethnisch-nationalistisch wie Miloševic. Ihre Politik war entsprechend.
Trotzdem wiederholt die internationale Gemeinschaft nun im Kosovo ihren kroatischen und bosnischen Kardinalfehler und geht Bündnisse mit nationalistischen Kräften ein: Indem sie die UÇK zu ihrem Ansprechpartner erhob – und damit den Anspruch der Befreiungsarmee, Vertreterin aller Kosovo-AlbanerInnen zu sein, anerkannte –, hat sie diese nationalistische Organisation gestärkt und albanische Kräfte, die nicht dem ethnischen Dogma folgen wollen, geschwächt.
Die Vertreibung der Roma und SerbInnen zeigt, dass die balkanischen Eliten auch unter Nato-Aufsicht noch weit davon entfernt sind, das Primat der Ethno-Politik aufzugeben. Bis dahin muss die KFOR das Leben und Eigentum der Nicht-AlbanerInnen militärisch-polizeilich schützen. Gelingt dies nicht, dann hat das Bündnis zwar den Krieg gegen Miloševic' Jugoslawien gewonnen – aber den gegen die ethnische Politik, für die der Belgrader Potentat steht, verloren. Rüdiger Rossig
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