Kosovo - und jetzt?: Georgische Abtrünnige im Kreml
Die abtrünnigen georgischen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien fordern in Moskau ihre Selbständigkeit ein. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili fühlt sich hintergangen.
MOSKAU taz "Ich möchte die Kollegen in Moskau daran erinnern, dass sie Leute empfangen haben, die sich mit der Anstiftung zu terroristischen Aktionen befassen", meinte Georgiens Präsident Michail Saakaschwili. Aus Anlass der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo waren die Präsidenten der abtrünnigen georgischen Teilrepubliken, Abchasien und Südossetien, nach Russland gereist und bekräftigten unter der Schirmherrschaft des Kreml noch einmal ihren Willen zur staatlichen Selbständigkeit. So meinte der abchasische Präsident Sergej Bagapsch, dass seine kleine Schwarzmeer-Republik sich schon demnächst mit der Bitte um Anerkennung an Russland wenden wolle.
Während Abchasien die volle Souveränität anstrebt, geht es Südossetien um die Eingliederung in die russische Republik Nordossetien. Eduard Kokoiti, Chef der Südrepublik: "Den Weg, den das Kosovo heute einschlägt, haben wir vor 17 Jahren begonnen."
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der UdSSR waren in Georgien ethnische Konflikte ausgebrochen, die in einem Bürgerkrieg endeten. 60 Prozent der abchasischen Bevölkerung waren damals Georgier, die aus der Küstenrepublik fliehen mussten oder vertrieben wurden. Seither wachen russische Friedenstruppen in den Republiken über den Waffenstillstand. Sie sind aber mehr Partei als neutrale Kraft. Russland nützte die Stützpunkte, um die fragile Staatlichkeit Georgiens zu untergraben, und stattete auch die Bürger der Teilrepubliken mit russischen Pässen aus.
Offiziell hält Moskau an der territorialen Unverletzbarkeit Georgiens fest, ist aber nicht an einer Lösung des Problems interessiert. Der Status quo gibt Moskau mehr Möglichkeiten, in die Region hineinzuregieren. Mit einer Anerkennung der Republiken ist daher nicht zu rechnen. Ein souveränes Abchasien entspricht weder Moskauer Vorstellungen noch russischen Wirtschaftsinteressen.
Würde Russland sich Südossetien einverleiben, zöge dies zudem weitere Kettenreaktionen nach sich: Die Ukraine müsste wegen der russischen Mehrheit auf der Krim unruhig werden und würde einen noch schnelleren Nato-Beitritt anstreben. Auch Nachbar Kasachstan hätte Grund zur Beunruhigung, denn dessen nördliche Gebiete werden vornehmlich von Russen besiedelt. Damit diese nicht auf die Idee kommen, den Anschluss an die Heimat zu fordern, müssten die Kasachen Umsiedlungspolitik betreiben.
Nicht zuletzt würde eine Anerkennung der abtrünnigen Republiken Georgiens auch im Nordkaukasus islamistisch motivierten Absetzbewegungen wieder Auftrieb verleihen. Russland fürchtet den Präzedenzfall Kosovo also nicht grundlos. Daher wird es im Fall Georgien diesmal ausnahmsweise kein Öl ins Feuer gießen.
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