Korruptionsaffäre: Landtag streitet über Filz-Ausschuss
Soll das Parlament parallel zur Staatsanwaltschaft die Korruptionsvorwürfe in Sachsen aufklären? Nein, sagt die CDU - eine Verhinderungsstrategie?
DRESDEN taz Mit dem Streit über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Korruptionsaffäre in Sachsen endgültig zu einem Politikum geworden. Vor allem die Regierungspartei CDU und die Opposition sind völlig zerstritten darüber, ob und wie die Aufklärungsarbeit der Staatsanwaltschaft von einem Untersuchungsausschuss im Landtag flankiert werden könnte. Bis Redaktionsschluss konnte sich der Verfassungs- und Rechtsausschuss nicht auf den Untersuchungsauftrag für das Gremium einigen - obwohl es bereits der zweite Anlauf war.
Der Untersuchungsausschuss soll auf einer Sondersitzung am nächsten Donnerstag eingesetzt werden. Laut Landesverfassung ist der Landtag dazu verpflichtet, wenn ein Fünftel der Abgeordneten dies verlangt. Dieses Quorum ist durch einen gemeinsamen Antrag der Oppositionsparteien Linke, FDP und Grüne mehr als erreicht.
Die Regierungsparteien SPD und CDU äußerten jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages. In der Landtagssitzung vor einer Woche scheiterte deshalb die sofortige Einsetzung des Ausschusses. Ein angefordertes Gutachten des Juristischen Dienstes im Landtag bestätigte die Bedenken. Dem war allerdings ein umstrittenes Treffen der Landtagsjuristen mit CDU-Vertretern vorausgegangen.
Laut Gutachten ist der Untersuchungsauftrag zu unbestimmt und enhält bereits Wertungen. Außerdem dürften nur abgeschlossene Verfahren Gegenstand der Untersuchung sein. Der Ausschuss sei unzulässig.
Rechtspolitiker der Opposition wiesen dies energisch zurück. Klaus Bartl von der Linksfraktion wertete das Gutachten als "Verletzung der Neutralitätspflicht der Verwaltung". Der juristische Dienst sei dazu da, den Fraktionen bei verfassungskonformen Formulierungen zu helfen. "Hier geht es in Wahrheit um eine Blockade des Untersuchungsausschusses durch Ministerpräsident Georg Milbradt und die CDU", so FDP-Politiker Torsten Herbst.
Milbradt hatte sich nach der Rückkehr von einer Chinareise in der Vorwoche in den Streit eingeschaltet. Das Oppositionsanliegen bezeichnete er als politischen "Klamauk". CDU-Abgeordnete, die sich mit den rechtspolitischen Sprechern der Oppositionsfraktionen Linke, FDP und Grüne auf Formulierungen des Untersuchungsauftrages verständigen wollten, wurden zurückgepfiffen. Für den Enthüllungsjournalisten Jürgen Roth ist klar, warum Milbradt ein dringendes persönliches Interesse an der Verhinderung des Untersuchungsausschusses haben muss: Norbert Steiner, ehemaliger Leiter des Leipziger Liegenschaftsamtes, hat Milbradt im Gespräch mit Roth schwer belastet. Milbradt hatte als Finanzminister in Sachsen Mietverträge für das Behördencenter Leipzig-Paunsdorf unterzeichnet, die einen Freund des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, den Bauunternehmer Heinz Barth stark begünstigen.
Die SPD befürwortet einen Untersuchungsausschuss und wird sich als Regierungspartei nach parlamentarischem Brauch deshalb auf der Sondersitzung der Stimme enthalten. "Das rate ich auch der CDU. Wenn sie Verfassungsbedenken hat, kann sie danach immer noch das Verfassungsgericht anrufen", sagte der SPD-Politiker Martin Dulig. Votiere sie mit ihrer einfachen Stimmenmehrheit gegen die Einsetzung, wäre das nicht nur ein Novum in der deutschen Parlamentsgeschichte, sondern würde Zweifel am Aufklärungswillen der Union nähren. Eine aktuelle Forsa-Meinungsumfrage sieht die CDU in Sachsen ohnehin nur noch bei 41 Prozent, die Linke hingegen bei 26 und die NPD bei 8 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit