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Korruption und Medien in TschechienMaulkorb für die Presse

Medien sollen Informationen über einen Korruptionsfall aus dem Netz nehmen. In den Artikeln geht es um Fördergeld im tschechischen Sport.

Probleme mit der Presse: Präsident Zeman und Putin am Sonntag in Peking Foto: ap

PRAG taz | Der tschechische Präsident Miloš Zeman ist, wie hinreichend bekannt, ein Meister des diplomatischen Smalltalks. Gar nicht mehr an sich halten konnte Zeman, als er jüngst beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking auf sein Herrchen, Russlands Präsidenten Wladimir Putin, traf. „Es gibt zu viele Journalisten, sie sollten liquidiert werden“, witzelte er Putin auf dem Weg zu einer Pressekonferenz zu. Der reagierte eher peinlich berührt, denn es ist bekannt, dass der Kreml Zeman nicht besonders ernst nimmt.

Die jüngste tschechische Geschichte kennt bislang nur einen Fall, in dem eine Journalistin liquidiert werden sollte. 2002 vereitelte die Polizei einen Auftragsmord an der bekannten Investigativjournalistin Sabina Slonková. Hinter dem Mordkomplott stand ein ehemaliger hoher Staatsbeamter, der für den damaligen tschechischen Spitzenpolitiker Jan Kavan gearbeitet hatte.

Kavan war von 1998 bis 2002 Außenminister im Kabinett des damaligen Premiers Zeman. Slonková blieb ein Einzelfall. Gefahr für Leib und Leben droht Journalisten in Tschechien allen feuchten Träumen des Präsidenten zum Trotz bislang nicht.

Dafür aber etwas anderes: Zensur. Während Zeman in China mit lupenreinen Demokraten kuschelte, verteilte die Staatsanwaltschaft in Prag Maulkörbe: Das Webportal aktualně.czund der Server des öffentlich-rechtlichen tschechischen Rundfunks sollten Informationen über einen Korruptionsfall aus dem Netz nehmen. Ansonsten drohen Sanktionen von bis zu 50.000 Kronen (knapp 2.000 Euro).

Es handele sich hier um laufende Ermittlungen, erklärte Staatsanwalt Ondřej Trčka das Verbot. Aufgrund der Informationen, die in den Artikeln gegeben werden, sei es möglich, Zeugen zu identifizieren. Außerdem erfülle allein die Tatsache, dass die Medien über die Einleitung des Strafverfahrens berichten, den Tatbestand der Strafvereitelung, so Trčka.

Der Korruptionsfall ist brisant. Es geht dabei um den Missbrauch von Fördergeldern im tschechischen Sport. Der Chef des tschechischen Fußballverbandes, Miroslav Pelta, ist angeklagt, mit der zuständigen Staatssekretärin im Ministerium für Bildung und Sport, Simona Kratochvílová, über die Vergabe von Fördergeldern bestimmt zu haben. Keines der 50 Projekte, die im gegebenen Zeitraum vom Ministerium gefördert wurden, entspricht den gesetzlichen Kriterien für eine Förderung, so die ermittelnden Behörden.

Webportal will klagen

Nutznießer der Fördergelder war auch Tschechiens bedeutendster Fußballverein Sparta Prag, wie auch der Fußball­verband selbst. Pelta und Kratochvílová, die zudem ein Verhältnis haben, sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Gegen weitere Verdächtige, ­unter ihnen eine weitere Geliebte Miroslav Peltas, wird ermittelt.

„Wir werden überhaupt nichts aus dem Netz nehmen“, erklärt Vladimír Piskáček. Der Journalist leitet die Redaktionen des Verlagshauses economia, zu dem auch das Webportal aktualnš.cz gehört. Kurzfristig hatte der Verlag den besagten Text zwar tatsächlich zurückgezogen. Inzwischen steht er aber wieder online. (Lesen Sie hier auch die deutsche Übersetzung.)

Wir werden ­überhaupt nichts aus dem Netz ­nehmen

VladimÍr PiskáČek, Journalist

„Wir haben mit unseren Anwälten gesprochen und werden klagen“, so Piskáček gegenüber der taz. Laut dem bekannten Medienanwalt Aleš Rozehnal hat die Prager Staatsanwaltschaft mit ihrer Forderung „ihre Vollmachten überschritten“. Die gesetzlichen Grundlagen für einen solchen Schritt fehlen, so Rožehnal. „Jegliche Eingrenzung der Freiheit des Wortes kann nur aufgrund eines Gesetzes auferlegt werden, und die Restriktionen müssen klar, bestimmt und voraussehbar sein“, erklärte er.

In den tschechischen Gesetzbüchern sucht man vergeblich nach Paragrafen, die eine solche Zensur ermöglichen. Tschechiens oberste Staatsanwältin Lenka Bradáčová bezeichnete die Zensur als legitim und im Einklang mit der europäischen Gesetzgebung. Wie der Fall ausgehen wird, bleibt abzuwarten.

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