Korrespondenten über ein Jahr Schwarz-Gelb: Ihr seid jetzt die besseren Niederländer
In Deutschland regieren eine nonkonformistische Ostdeutsche und ein schwuler Außenminister. Hier geht's oft toleranter zu als in Holland, meint der "Telegraaf"-Korrespondent.
Spätestens seit der WM in Südafrika war klar: Die Deutschen sind die besseren Niederländer. Sie spielten das schönere, schnellere Spiel. Froh und munter sah ich die Jungs von Jogi Löw große Gegner wie England und Argentinien an die Wand spielen. So wie "Oranje" es immer vorgemacht hat: Live fast, die young. Toll spielen und vor dem Finale ausscheiden. Mein Jugendtrauma.
ist Deutschlandkorrespondent für De Telegraaf, die größte Zeitung der Niederlande. Er lebt seit 1998 in Berlin.
Dagegen spielte Hollands "Elftal" so wie einst die deutsche Nationalauswahl mit einer Taktik des teutonischen Panzers. Es ging den Niederländern nicht um Ästhetik und das öffentliche Vorführen des Feindes. Nein, sie wollten gewinnen. Mit Disziplin. Kampfkraft. Siegeswillen. So wie die Deutschen es immer gezeigt haben. Es hat nicht geklappt.
Nach diesem Sommer war mir klar, dass ein deutsches Team voller Immigranten mehr Potenzial hat. Jetzt spielen dort Männer wie Özil und Khedira, Podolski und Klose, Cacau und Gomez, Marin und Boateng. Wir hatten schon seit Jahrzehnten Talente, die aus der ehemaligen Kolonie Surinam stammen: Gullit und Rijkaard, Winter und Kluivert, Seedorf und Davids.
Je länger ich in der Bundesrepublik lebe, desto mehr denke ich, dass es hier manchmal toleranter und liberaler zugeht als in meiner holländischen Heimat. In Amsterdam werden seit Kurzem im Rotlichtviertel De Wallen Stundenzimmer gegen Galerien eingetauscht. Auch zahlreiche Coffeeshops werden von der Obrigkeit zugemacht. Die starke Repression gegen Soft Drugs unter dem konservativen Premier Jan Peter Balkenende hat viele kriminelle Haschischhändler inzwischen nach Deutschland verjagt.
Und wie ist die Situation hier an der Spree? Viele Holländer sehen Berlin als die Partyhauptstadt Europas. Was die Deutschen über die Holländer sagen, sie seien so locker und cool, so tolerant und nett, das sagen die Bürger von Königin Beatrix mittlerweile auch über Berlin und seine umtriebigen Bewohner. So sympathisch und ungetrübt war das Verhältnis aber nicht immer. Die Sicht der Niederländer auf den großen Nachbarn im Osten war jahrzehntelang etwas zu negativ. Dagegen war das Bild, das viele Deutsche von dem kleinen Königreich an der Nordsee hatten, übertrieben positiv.
Zwischen Maastricht und Groningen hat sich in den letzten Jahren Grundlegendes verändert. Die Menschen dort sind seit zwei politischen Morden - an den Islamkritikern Pim Fortuyn und Theo van Gogh - nicht mehr so fröhlich-anarchistisch, wie die Deutschen denken, und die Haager Politik ist seit dem kometenhaften Aufstieg des Volkstribunen Geert Wilders schon längst nicht mehr liberal.
In Deutschland regieren seit einem Jahr eine nonkonformistische ostdeutsche Bundeskanzlerin und ein schwuler Außenminister. Und auf den Feldern der Bundesliga dominieren die holländischen Weltstars: Arjen Robben im Süden, Ruud van Nistelrooy im Norden und Klaas-Jan Huntelaar im Westen. Wer hätte das vor einigen Jahren gedacht?
Am Montag erscheinen in der Print-Ausgabe der taz elf Texte von Deutschland-Korrespondenten renommierter Auslandsmedien, die eine Zwischenbilanz über ein Jahr schwarz-gelbe Koalition ziehen.
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