Holländische TV-Moderatorin: Im Visier des Volkszorns
Sylvana Simons erntete für ihr politisches Engagement für Frauen und Minderheiten einen Shitstorm. Am Dienstag erstattete sie Anzeige.
Moderierend, präsentierend, tanzend – die Niederländer mochten Sylvana Simons. Seit 2000 waren ihre Shows in Fernsehen und Radio beliebt, und die charismatische Gastgeberin, mal mit Dreadlocks, mal kahlgeschoren, schien ihren Platz gefunden zu haben: im Scheinwerferlicht zwischen Musik, Talk, Tanz und Quiz.
Nur: Sylvana Simons, 45, als Kind aus der ehemaligen Kolonie Surinam in die Niederlande gekommen, hat weiterreichende Ambitionen. Das zeigte sich schon, als sie einem Talkshowgast in die Parade fuhr, der Bootsflüchtlinge als „Schwärzchen“ bezeichnete.
Oder sie nutzte ihren Auftritt bei einer Theatertour, um sich über den rassistischen Gehalt des Sinterklaas-Gehilfen Zwarte Piet auszulassen, dessen Gesicht oft schwarz angemalt wird.
Da hörte es auf mit der Zuneigung. Das Publikum buhte Simons aus, sie flog aus der Tour. „Es sollte ein schöner Abend werden“, so der Produzent. Fazit: Wer die tradierten Symbole „holländischer Geselligkeit“ infrage stellt, kann sich auf der Beliebtheitsskala nach unten orientieren. Dies gilt auch für Prominente und vor allem für solche, die nicht blond und blauäugig sind.
Die Vorgeschichte sollte man kennen, um die jüngste Eskalation um Simons einordnen zu können. Mitte Mai gab die zweifache Mutter bekannt, der jungen politischen Bewegung DENK beizutreten, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, „die Minderheiten, aber auch Frauen in den Niederlanden widerfahren“. Ein enormer rassistischer Shitstorm ergoss sich über sie, gipfelnd in einer Facebook-Seite, die ihre Abschiebung „am Tag nach Sinterklaas“ fordert und tausendfache Likes erntete.
Am Dienstag erstattete Sylvana Simons Anzeige. Beklemmend ist indes nicht nur der Hass, der ihr entgegenschlägt. Die beiden türkischstämmigen Gründer von DENK pflegen einen durchaus ethnischen Politikansatz, sind notorische Erdoğan-Versteher, was Repressionen gegen Kritiker angeht, und auch beim Thema Genozid an Armeniern ankaratreu.
Ob das die richtige Umgebung ist für Simons? Jedenfalls zeigte sie unlängst Verständnis für die Verhaftung der niederländischen Kolumnistin Ebru Umar in der Türkei.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung