Konzert D'Angelo in Köln: Shit. Damn. Motherfucker.
Der Voodoo-Priester des Neo-Soul ist zurück. Nach zwölfjähriger Bühnenabstinenz triumphiert D'Angelo am Ende eines umjubelten Konzerts im Kölner E-Werk.
Nein, er hat ihn nicht gespielt. Den Song, wegen dem D’Angelo alle kennen. „Untitled (How does it feel)“ heißt er und sein Video machte den US-Soul-Sänger, der eigentlich Michael Eugene Archer heißt, vor zwölf Jahren in allen Wohnstuben bekannt.
Halbnackt steht D’Angelo vor einem schwarzen Hintergrund, die Kamera fährt langsam an seinem Körper entlang, jeder Muskel spannt und löst sich wieder, so intim war Soul niemals wieder.
Auch am Dienstag in Köln, bei seinem ersten Deutschlandkonzert nach zwölf Jahren, kann er diesen Bildern nicht entkommen. Obwohl er alles daransetzt, stattdessen die Musik sprechen zu lassen. Bis die Pressefotografen vor der Bühne verschwunden sind, versteckt sich D’Angelo hinter E-Piano und Gitarre. Kein „Hello Cologne“, keine Moves. Der „Playa“ aus dem ersten Stück seines Sets – es muss jemand anders sein.
Wer aber ist D’Angelo heute? Im Jahr 2000 war alles eindeutig. D’Angelo, das war nicht nur ein Körper, sondern vielleicht der Talentierteste unter all den Neo-Soul-Musikern. Anders als seine Freunde von The Roots waren seine Tracks zwar klassisch instrumentiert, aber ihnen fehlte der Ballast der Geschichte. „Voodoo“, sein zweites Album, ist ein modernistisches Meisterwerk, das mit analogen Mitteln den digitalen Minimalismus vorwegnahm. Bis heute hat es keinen Nachfolger.
Die Makellosigkeit verloren
In den Nullerjahren folgte ein Absturz, wie er im Rockstar-Handbuch steht: Kokain, ein gescheiterter Entzug, ein Autounfall, bei dem er fast gestorben wäre. Das letzte Lebenszeichen waren Fotos, die einen aufgedunsenen D’Angelo 2010 auf einem New Yorker Polizeirevier zeigten. Er hatte eine Zivilpolizistin für eine Prostituierte gehalten und ihr ein Angebot gemacht.
„Das hat er doch gar nicht nötig“, meint eine Bekannte, als ich ihr nach dem Konzert davon erzähle. Und sie hat recht. An diesem Abend steht D’Angelo geheilt auf der Bühne. Nur die Makellosigkeit hat er verloren. Stattdessen macht er aus seiner Patina eine Tugend. Er kommt auf die Bühne, beginnt mit zwei Tracks aus „Voodoo“.
Er und die Band tragen Schwarz, die Lightshow ist spärlich. Und auf D’Angelos Gitarre ist sein Name als glitzernder Schriftzug aufgeklebt – ironische Geste oder ernstgemeinter Versuch, ein wenig Glam zu erzeugen? So richtig schlau wird bei diesem Comeback niemand.
Gut 1.000 Fans haben den Weg ins E-Werk gefunden, trotz des Eintrittspreises von 50 Euro, obwohl keinerlei Werbung gemacht wurde und es einer der seltenen Abende ist, an dem man sich in Köln zwischen einigen guten Konzerten entscheiden musste. Und weil sich D’Angelo bitten lässt, werden die ohnehin hohen Erwartungen unerträglich.
Unfassbar aufregende Songs
Diese Nervosität überträgt sich bald vom Publikum auf die Bühne. D’Angelo wirkt zaghaft, druckst sich um seine Starrolle herum, stattdessen müssen seine Background-Sänger den Kontakt zum Publikum suchen. Und D’Angelos langsam dahinfließende, in ihrer spärlichen Zurückhaltung unfassbar aufregende Songs, sie werden zerrieben zwischen den Rockgitarren der technisch perfekten Band, die sich durch ihr Set hetzt.
Nach 90 Minuten wird die Bühne dunkel, ein wabernder Synthesizer flutet den Raum und der Exodus zur Raucherterrasse setzt ein. Sollte es das gewesen sein? Der brillanteste Musiker seiner Generation hat abgewirtschaftet, seine Songs durch den Griff zur Rockgitarre ruiniert, und ist verdammt, in Zukunft den Retrozirkus zu bedienen? Ein trauriges Ende – schon weil er mehr als dieses dröge Klischee verdient hätte.
Mitten im Gewaber gehen zwei Spots an. D’Angelo sitzt auf der Bühnenmitte am Piano. Er schnippt mit den Fingern, wir schnippen mit. Dann haucht er ein leichtes Flehen ins Mikrofon: „Woohoohoohoo“. Und wir flehen mit. Ein paar Klaviertöne und dann: „I want some of your brown sugar“. Und wir singen mit, werden zur Backingband: „Woohoohoohoo – I want some of your brown sugar.“
Er flüstert seine Geschichte
Und D’Angelo beginnt, auf dem Klavier improvisierend, flüstert uns seine Geschichten ins Ohr und ist auf einmal wieder der Voodoopriester des Neo-Soul. Die Band findet in den Groove, den sie durch virtuose Tempowechsel bricht und neu errichtet.
„Left & Right“ wird von einem HipHop-Jam zur Funk-Revue. Und D’Angelo zum Katalysator afroamerikanischer Musikgeschichte: Mal ist er Prince, dann spielt er wie James Brown mit dem Mikrofonständer, schließlich gibt er Stevie Wonder hinter seinem Piano.
Zum Finale spielt der 38-Jährige „Shit Damn Motherfucker“. Eine alte Geschichte: Bester Freund spannt bestem Freund die Freundin aus, bester Freund schreibt einen Song darüber. Am Dienstag mündet er in einen zehnminütigen Jam, nach dem wir D’Angelo selbst seine Gitarrensoli verzeihen. Tausend Zuschauer jubeln minutenlang für eine Zugabe. Was für ein Abend. Shit. Damn. Motherfucker.
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