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Kontemporär wie weiland „Formel eins“

■ Arte startet heute sein neues Pop-Magazin: „Tracks“, freitags, 19 Uhr

Im Kabel hat alles seinen Platz: MTV beispielsweise bespeist die Glasfasern ganztägig mit Popmusik, arte immerhin allabendlich mit Kultur. Kultur aber ist ja vielerlei und allemal mehr als bloß immer nur Popmusik. Popmusikkultur zum Beispiel. Deshalb startet arte, der europäische Kulturkanal, heute „Tracks – Das europäische Pop-Magazin“.

Programmatisch haben die Programmdesigner vor das „Tracks“- Emblem ein „>>“-Zeichen gesetzt – fast forward also, wie der Titelclip: Zu Drum'n'Bass-Klängen inszeniert er sich als eine Art Schnelldurchlauf durch die Ästhetiken der diversen Musik(video)- Genres. Leider folgt auf diese furios-respektlosen 60 Sekunden als „Tracks“-Auftakt bloß ein gänzlich uninspiriertes „Musik aus Irland“-Feature, sprich: Folk-Rock, Pop-Folk, Indie-Folk-Pop und ein bißchen Boyzone natürlich.

Aber ein Musikmagazin, das in seiner Presseankündigung 80er- Jahre-Vokabeln wie „flippig- frech“ oder „schräg“ verwendet, das Videos nur anspielt und dessen durchgängig hausbackener Off- Kommentar „fucking brilliant“ mit „irre gut“ zu übersetzen weiß, ist ohnehin nur bedingt kontemporär. So erinnert „Tracks“ denn auch eher an die gute alte Zeit, als „Formel eins“ noch das wöchentlich- rechtliche Musikvideo-Monopol innehatte. Doch das war vor über zehn Jahren, als man noch nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit nach Belieben zwischen MTV und Viva hin und her zappen konnte.

Der Kulturkanal arte indes läßt solche Einwände nicht gelten: „Tracks“ soll nämlich dazu beitragen, das von einer „ästhetischen Deformierung“ gefährdete „Qualitätsbewußtsein der jungen Leute zu fördern“ und bietet den 18- bis 25jährigen deshalb, so der Pressetext, „mehr als das übliche Blabla“. In der Tat hat „Tracks“ für Blabla wenig Zeit. Ein gutes Dutzend Acts in 30 Minuten – da muß man fix sein, nicht nur am Schneidetisch. Nein, auch der Zuschauer muß schon gut aufpassen, um sich in den ohnehin etwas kryptischen on tracks-, off tracks-, back tracks-, flash tracks-, super tracks- und future tracks-Rubriken zurechtzufinden. Die fast dreiminütige Einspielung eines „The Who“-Konzerts von 1969 dauert da schon eine kleine Ewigkeit, aber ein Ausschnitt aus einem Billy-Bragg-Video beispielsweise gerade mal 40 Sekunden – getreu dem dazu eingesprochenen O-Ton-Motto: „... und jetzt ist noch Zeit für einen alten Bekannten.“

Doch was will man von einem Musikmagazin erwarten, das die erst in Planung befindliche Folge „Nippon Sound“ mit dem Zusatz „eine in Europa wenig beachtete Musikkultur“ ankündigt... Christoph Schultheis

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