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Konsumkritische Raver mitten im KonsumrauschDie Tofuschnitzelparty

Zur langen Nacht des Shoppings kommen fast 700.000 Besucher - und Hunderte konsumkritische Raver. Die Polizei schreitet ein.

"Zeigt dem Staat eure beste Seite": Aufgabenerledigung vor dem Reichstag bei der Tofuschnitzeljagd für den Weltfrieden am Samstag Bild: Archiv

Mehr als 500.000 konsumorientierte Berliner und Gäste der Stadt verfallen in einen regelrechten Kaufrausch. So hatten die Veranstalter vorab die 17. Lange Nacht des Shoppings gepriesen, bei der am Samstag die Geschäfte der City West bis 24 Uhr geöffnet hatten. Doch ein paar hundert Besucher waren nicht auf gefüllte Einkaufstüten aus. Sie suchten stattdessen mit Technomusik nach dem "Tofuschnitzel für den Weltfrieden" - bis die Polizei eingriff.

Berufsbedingt nüchtern berichtete die Polizei am Sonntag von einer "nicht angemeldeten Versammlung" am Vortag. Rund 50 bis 70 Personen hätten in einem Bekleidungsgeschäft randaliert. "Die teilweise maskierten und kostümierten Personen nahmen gegen 16.30 Uhr in dem Geschäft in der Tauentzienstraße Bekleidung von den Ständern und warfen sie im Laden umher. Einige Angebote wurden mittels mitgebrachter Preisschilder umgekennzeichnet", heißt es weiter in der Polizeimeldung.

Doch das wird nach Ansicht der Schnitzeljäger dem Geschehenen nicht gerecht. Tatsächlich hätten sich insgesamt fünf Teams mit jeweils bis zu 100 Leuten auf den Weg gemacht, berichtet ein "Martin" vom Organisationsteam - und das, obwohl auf einschlägigen Internetseiten die Tofuschnitzeljagd kurzfristig abgesagt worden war. Unter youtube.com zeigen Videos junge, ebenso bunt gekleidete wie gut gelaunte Menschen auf dem Weg vom Bahnhof Zoo zum Breitscheidplatz, die später ausgelassen in Geschäften zu Techno tanzten. Die nötigen Soundsysteme wurden auf Bollerwagen oder in Rollstühlen mitgeführt.

Laut einem der taz vorliegenden Programmzettel ging es nicht darum, ein wie auch immer geartetes Tofuschnitzel zu finden, sondern ein gutes Dutzend Aufgaben zu erledigen. Beim "Weltfrieden erknutschen" gab es etwa einen Punkt pro geküssten Passanten und gleich zehn pro Polizisten. Wer sich vor einer Kamera auszog, durfte sich fünf Punkte gutschreiben. Auch mussten Styroporbuchstaben an Passanten verkauft werden, um in Zeiten der Prekarisierung die Kasse durch Nebenjobs zu füllen. Zudem stand "eine Runde Sackhüpfen über den Kudamm" auf dem Programm, um den dortigen Kaufrausch zu bekämpfen. Und andernorts: "Zeigt dem Staat eure beste Seite: alle Ärsche Richtung Reichstag!" Zum Polizeieinsatz in einer H&M-Filiale führten die Aufgaben "Es lebe die Uniformität! Alle ziehen das Gleiche an" sowie "Außerdem ist es nicht fair, die Sachen für ein Hundertfaches ihrer Produktionskosten zu verkaufen! 1,99 klingt doch viel besser!".

"Wir versuchen, Politik mit Lebensfreude zu verbinden", erklärt Martin. Bei einer ähnlichen Jagd im Juli gehörte es zu den Aufgaben, die Bevölkerung in Friedrichshain-Kreuzberg über ihre Wahlmöglichkeiten beim Bürgerentscheid zu Mediaspree aufzuklären. Oder in der Bar 25 am Spreeufer umsonst einen Matetee zu bekommen. Klassische Linke würde so etwas für "Kindergartenscheiß" halten, meint Martin. Für die apolitische Technojugend aber sei eine solche konsumkritische Schnitzeljagd hoch politisch.

Für die Polizei war sie vor allem Anlass zum Einschreiten. Sie stellte nach eigenen Angaben einen 26-Jährigen als Verantwortlichen fest und ermittelt nun gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Drei der fünf Gruppen seien auf dem Rückweg von der Polizei begleitet worden, berichtet Martin. Eigentlich war noch ein Besuch der Alexa geplant. Dort sollte laut Aufgabenzettel im Mediamarkt alles angeschaltet werden, was lärmt. Das aber sei wegen der Polizeipräsenz abgeblasen worden.

Die Veranstalter der langen Nacht des Shoppings zählten übrigens insgesamt rund 680.000 Besucher.

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4 Kommentare

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  • TK
    Torsten Kunz

    @ matthias burr

     

    Dann mach doch was, was anderes zum Beispiel. Zweifeln kann jeder :)

  • TN
    tut nicht zur Sache

    Totaaal progressiv *gähhhn*

  • MB
    Matthias Burr

    Kampf dem Konsum - mit nackter Gewalt?

    Für mich klingen diese Aktionen eher spontan, undurchdacht und ziellos.

    Sie versuchen, "Politik mit Lebensfreude zu verbinden", sind aber hinterher ganz "apolitisch".

    Randale in Kaufhäusern, das Umherwerfen von Kleidung, die kollektive Entblösung des Hinterteils gen Reichstag und wilde Kostümierungen gelten als "große politische Aktionen". Ob sich unsere "Angie" wohl über diese nackten Hintern gefreut hat?

    Sackhüpfen, Styroporbuchstaben, Bullen knutschen: Adäquate Taten mit Unterhaltungswert! Herzlichen Glückwunsch; doch man fragt sich: Wo liegt hier der eigentliche Sinn des Ganzen? Ach ja, richtig. Wir tragen ab sofort alle Uniform, erknutschen uns den Weltfrieden und bekommen dann auch satte Bonuspunkte beim Programm-Guru. Das Konsum-Problem ist aufgehoben! Wahnsinn: T-Shirts kosten ab sofort nur noch 1,99, die Lebensfreude wächst im (Nicht-Konsum-)Rausch von solidarischen Tänzen zu Techno-Gedudel und Matetee gibts neuerdings umsonst. Passen uns die Attitüden der spießigen Linken nicht, dann drehen wir einfach im Mediamarkt alle Wecker auf, bis sie sich unserem "Kindergartenscheiß" anschließen. Spaß beiseite!

    Ich bin durchaus für politische Aufklärung, will mit meinem Beitrag auch niemanden beleidigen, bezweifle jedoch, dass durch solche Spaßaktionen dem Menschen aus der Masse ein Licht aufgeht - oder auch zwei, oder drei. Konsumkritik beginnt nicht bei nackten Ärschen - Konsumkritik beginnt bei uns selbst.

  • B
    b_i_d

    "Verstoß gegen das Versammlungsgesetz"? Man kann sich in auf ganz Berlin verteilten kleinen Grüppchen "versammeln"? Die deutschen Gesetze erstaunen mich immer wieder. Und noch mehr die Auslegung selbiger, wenn die Exekutive sich bemüht, einen dringend benötigten Tatbestand zu konstruieren...