Konsum in Uganda: Elektronik gibt's beim Inder
Europäische Markenware sucht man in Ugandas Shopping-Malls meist vergeblich. Fast alle Waren kommen aus Asien. Die Händler ebenso.
KAMPALA taz | Der Parkplatz des großen Einkaufszentrums Lugogo in Ugandas Hauptstadt Kampala ist bis auf den letzten Platz belegt. Frauen und Männer schieben volle Einkaufswagen zu ihren Autos. Esther und Rebecca Obtanu stöbern durch die Regale. Die Schwestern suchen nach Sonderangeboten. Rebecca hat ihre sieben Kinder im Schlepptau, die sie in die Spielsachenabteilung zerren.
„Ich will eine Puppe“, quengelt die siebenjährige Tochter. Rebecca prüft die Verpackung sorgfältig: „Mit Plastikspielsachen aus China bin ich vorsichtig, denn man weiß nie, welche Giftstoffe darin sind“, sagt sie. Sie zeigt ihrer Tochter stattdessen einen Stoffteddybären. Die Kleine schüttelt den Kopf.
Der Teddy stammt laut Etikett aus den Niederlanden. Aber er ist doppelt so teuer wie die Puppe. Mutter Rebecca seufzt: „Es ist schwer geworden, Produkte aus Europa zu finden, überall gibt es nur noch Waren aus Asien.“ Ihre Schwester Esther zeigt auf den vollen Einkaufswagen. Sie zieht mit ihrem Ehemann in ein Eigenheim und besorgt die wichtigsten Haushaltswaren.
Auch Esther studiert jede Herstellerbeschreibung: Der Putzeimer kommt aus China, die Bettwäsche aus Bangladesch. Sie vergleicht das Sortiment der Bügeleisen: „Mein Mann sagt immer, ich soll bei elektronischen Geräten auf die Marke achten und wie viele Monate Garantie es darauf gibt“, sagt sie. Marken aus Asien seien zwar meist billiger, „aber wenn das Bügeleisen dann nach drei Monaten kaputtgeht, habe ich auch nichts gespart“. Esther entscheidet sich für das Marken-Bügeleisen eines europäischen Herstellers. Es kostet umgerechnet rund 35 Euro, doppelt so viel wie das chinesische Vergleichsprodukt. Gefertigt ist es in Indonesien.
Wählerische Mittelschicht
Noch vor zehn Jahren gab es kaum Einkaufszentren in Uganda. Als Rebecca und Esther jung waren, kauften sie auf dem Markt Bohnen und Reis. Seife und Streichhölzer gab es in einer kleinen Bude am Straßenrand. Gemüse und Obst wuchs im eigenen Garten. Heute gibt es in jedem Stadtviertel große Supermärkte, voller Waren aus aller Welt – nur nicht aus Europa. Afrikas kleine, aber rasch wachsende Mittelschicht ist jedoch wählerisch. Und klagt zunehmend über die importierte Billigware aus Asien, die rasch kaputtgeht.
Die Welt spielt längst woanders, sagen die taz-AuslandskorrespondentInnen und übernehmen die taz in einer Sonderausgabe zum Jahreswechsel. Ihre Berichte, Reportagen und Analysen zeigen, was in Asien, Afrika und Lateinamerika wichtig ist. Am Kiosk oder gleich am eKiosk.
Früher stammten die meisten Konsumgüter in Ostafrika aus Europa. Dies war den historisch gewachsenen Handelsbeziehungen aus der Kolonialzeit geschuldet. Rebecca erinnert sich, wie sie einst mit ihrem Mann den ersten Fernseher in London kaufte, als sie dort Verwandte besuchten. Ein Grundig-Gerät, sie brachten es im Flugzeug mit zurück.
Stereoanlagen und Computer – das waren noch vor wenigen Jahren Statusprodukte mit Seltenheitswert. Heute hat das jeder, der sich ein Wohnzimmer leisten kann und zu Hause Strom hat – zumindest die Billigvariante. In den Einkaufszentren türmen sich die Elektronikwaren, meist importiert aus Indien.
Inder dominieren den Handel
Uganda hat traditionell enge Beziehungen zu Indien, da einst die britischen Kolonialherren indische Arbeiter nach Ostafrika gebracht hatten, um die Eisenbahntrassen zu verlegen. Die meisten Inder blieben, sie dominierten den Handel, sehr zum Leidwesen vieler Einheimischer. Diktator Idi Amin warf sie in den 1970er Jahren aus dem Land, Präsident Yoweri Museveni holte die Inder zwanzig Jahre später wieder zurück. Heute unterhalten sie Supermärkte und Elektronikfachgeschäfte.
Die meisten Pächter in der Lugogo-Mall, die einer südafrikanischen Einzelhandelskette gehört, sind Inder. Selbst die größte Industrieanlage Ugandas, die Mukwano-Gruppe, die von Bratöl bis zum Plastikstuhl alles Mögliche fertigt, gehört indischen Investoren, die zuerst 1904 nach Ostafrika kamen.
Das macht sich auch in der Verschiebung der Handelsströme sichtbar. Nur noch 14 Prozent der Importwaren der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), die mit Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi gut 130 Millionen Einwohner zählt und zu den am schnellsten wachsenden Regionen der Welt gehört, stammten 2013 noch aus der EU, hingegen 28 Prozent aus Asien.
Steuerfrei in Dubai
Indien ist mit 13 Prozent der Vorreiter, gefolgt von zehn Prozent aus China, fünf Prozent aus Japan. Aber auch Importe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sind mit 12 Prozent verbucht: das sind Produkte jenseits von Rohstoffen, die ebenfalls aus Asien stammen, in der Regel steuerfrei, weswegen viele afrikanische Händler nur bis nach Dubai fliegen anstatt bis nach Peking, um Waren einzukaufen.
Auch wer in Uganda in eine Apotheke geht, muss ausdrücklich nach Medikamenten aus Europa fragen. Sonst greift der Apotheker automatisch nach chinesischen und indischen Generika-Produkten, denn die sind billiger und ausreichend vorhanden. In den vergangenen drei Jahren hat sich der Import von Medikamenten aus Asien fast verdoppelt.
Ugandas Wirtschaft selbst ist noch nicht wirklich im Industriezeitalter angekommen. Das Land produziert frische Lebensmittel für die ganze Region, auch für die Bürgerkriegsländer Kongo und Südsudan. Fisch aus dem Victoriasee, vor allem der edle Victoriabarsch, gilt als Ugandas wichtigstes Exportprodukt. Einst wurde das Filet per Flugzeug direkt zum Hamburger Fischmarkt ausgeflogen, wo das Kilo bis zu 25 Euro kostet.
Aber auch diese Exportrouten haben sich gen Osten verschoben. Ugandischer Fisch wird heute vermehrt in China und Malaysia gegessen. Seit die EU unzählige Lebensmittelstandards und Biosiegel eingeführt hat, verschifft Uganda auch seine Ananas und Mangos lieber nach Asien. Für Rebecca und Esther heißt das alles, dass sie nur noch wenige Waren aus Europa in den Geschäften finden. „Es ist schwierig geworden, vor allem auch bei Kleidung, denn da bin ich wählerisch wegen des Stils“, sagt Rebecca.
Idi Amins VW-Käfer
Esther schiebt den Wagen durch die Lebensmittelabteilung. Ihre Kinder essen gerne Cornflakes zum Frühstück, erzählt sie: Sie hat die Wahl zwischen den teuren Cornflakes aus den USA und den preiswerteren aus Südafrika. Sie entscheidet sich für Letztere. Warum? „Meine Kinder mögen diese lieber, weil sie aus Maismehl sind – das schmeckt afrikanisch“, sagt sie und schiebt ihren vollen Wagen in Richtung Kasse.
Auf dem Parkplatz öffnet Rebecca Obtanu den Kofferraum ihres Großraumwagens, um die Einkäufe einzuladen. Die Familienkutsche stammt aus Japan, wie so ziemlich alle Gebrauchtwagen in Ostafrika. Ein europäisches, gar ein deutsches Auto – das ist noch immer ein Statussymbol. Doch während früher Ugandas Diktator Idi Amin einen deutschen VW-Käfer fuhr, hat sich der heutige Präsident Yoweri Museveni für ein asiatisches Geländewagenmodell entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP