Konservative Richtungsdebatte: "Tobin-Steuer ist ein Thema für CSU"
Die CSU sollte Attac nicht prinzipiell ablehnen. Denn dort gibt es einige gute Ansätze, um globale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, so CSU-Nachwuchspolitiker Manfred Weber
taz: Herr Weber, in Fulda tagte in der letzten Woche Attac. Ex-CDU-General Heiner Geißler war dabei, der Fuldaer CDU-Oberbürgermeister hat die Begrüßungsrede gehalten. Die Union scheint sich Attac zu öffnen. Und die CSU?
Manfred Weber: Zunächst muss man Attac mit einer Frage konfrontieren: Wie steht ihr zu Gewalt? Ich hoffe, dass sich Attac dagegen ausspricht.
Und wenn das geklärt ist?
Dann sollte sich die CSU mit den Forderungen beschäftigen. Die CSU als Volkspartei würde einen Fehler machen, wenn wir Globalisierungskritiker nur in die gewalttätige Randaliererecke stellen würden. Es gibt Licht und Schatten. Ich halte etwa eine Generalkritik an der Globalisierung für falsch, denn sie bringt schließlich Millionen Menschen Fortschritt und Wohlstand und ermöglicht den Austausch von Kulturen. Auch die ablehnende Haltung bei Attac bei der Privatisierung halte ich für falsch. Wir haben derzeit in Deutschland eine Staatsquote von 42 Prozent. Das tut einem freiheitlichen Gemeinwesen nicht gut, wir müssen hier zu mehr Eigenverantwortung kommen.
Wo sehen Sie Licht bei den Standpunkten von Attac?
Interessant ist die Forderung nach einem globalen Marshall-Plan. Die CSU sollte sich Gedanken machen, ob das der richtige Ansatz ist. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass Entwicklungshilfe kein vergeudetes Geld ist, sondern praktizierte Nächstenliebe. Das ist ein sehr christliches Anliegen, und das sollte die CSU auch sehr selbstbewusst sagen. Eine zweite Kernüberlegung, die auch Attac anstellt, ist eine Kontrollinstanz auf globaler Ebene. Wir haben derzeit nur eine Organisation, die klare, einklagbare Regeln setzt: die Welthandelsorganisation. Die WTO liberalisiert Märkte, schafft für ihren Bereich eine funktionierende Gerichtsbarkeit wie die EU-Zuckermarktordnung, die wir nach einem WTO-Schiedsspruch ändern mussten. Solche Strukturen brauchen wir auch, um soziale und ökologische Mindeststandards durchzusetzen.
Wer sollte die durchsetzen?
Die Weltarbeitsorganisation ILO und die Weltumweltorganisation Unep könnten verbindliche Standards entwickeln. Derzeit haben die Weltorganisationen eine Schlagseite hin zur Marktliberalisierung. Für die Weltbank gilt Ähnliches: Sie arbeitet derzeit zu stark auf Liberalisierung hin. Als gleichberechtigtes Ziel müsste die nachhaltige Entwicklung der Länder dazukommen.
Die Grundidee von Attac ist die Besteuerung internationaler Finanzströme. Wie stehen Sie dazu?
Die Tobinsteuer ist eine spannende Sache. Die EU-weite Einführung wurde ja bereits vom belgischen und französischen Parlament gefordert. Und ich glaube ebenfalls, dass angesichts der Gefahr für Währungsstabilität und im Endeffekt auch für Arbeitsplätze eine Steuer auf kurzfristige Finanztransaktionen Sinn macht.
Attac will auch den Zugang von Armen zu Medikamenten verbessern.
Zu Recht. Es gibt Millionen Menschen, die derzeit nicht an wirksame Arzneimittel kommen, weil die Markenrechte jeweils noch sehr umfassend greifen. Das kann sehr unmenschlich sein. Ich glaube, wir sollten dringend diese Strukturen, den Patentschutz für Medikamente lockern. Das hätte im Übrigen auch Rückwirkungen auf die CSU: Die Menschen nehmen uns die christliche Werteorientierung nur ab, wenn wir sie auch praktisch umsetzen.
Attac positioniert sich auch innenpolitisch: gegen Hartz IV oder gegen die Unternehmenssteuerreform. Hören Sie da ebenfalls hin?
Innenpolitisch ist bei Attac nichts Neues und Spannendes, das ist reine linke Politik. Wir müssen ganz klar unterscheiden zwischen den politischen Ebenen. Im internationalen System herrscht nur der Markt, und dort müssen wir das Primat der Politik zurückgewinnen. Die Innenpolitik dagegen ist deutlich überreguliert.
Trotzdem könnten Ihre Gedankenanstöße für Ärger bei der CSU sorgen: Von Günther Beckstein, Ministerpräsident in spe, hörte man nur Kritisches zu Attac.
Ich glaube nicht, dass es zu großen Reibereien in der Partei kommt. In der Abgrenzung zur Gewalt sind wir uns zu 100 Prozent einig. Und bei den inhaltlichen Punkten dürfte der christlich aktive Beckstein sehr offen sein für neue Anstöße.
Ist das nicht sehr idealistisch? Andere junge Unionskollegen - etwa Missfelder und Söder - haben jüngst den "neuen Konservativismus" ausgerufen.
Ich glaube, dass das Label "konservativ" allein zu wenig ist für die Entwicklung der christlichen Volksparteien. Um langfristig erfolgreich zu bleiben, ist ein starkes konservatives Profil in Verbindung mit ehrlicher christlicher Wertorientierung notwendig.
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