Konsequenzen aus dem Brexit: CDU und SPD streiten um die Lösung
Schäuble kritisiert die EU-Investitionspläne von Gabriel. Er will dagegen zwischenstaatliche Verhandlungen auch ohne die Führung der EU-Kommission durchsetzen.
In der Frage, wie die EU nach dem britischen Ausstiegsbeschluss jetzt weitermachen soll, nahm Schäuble den SPD-Außenminister ins Visier. Das von Frank-Walter Steinmeier organisierte Außenminister-Treffen der sechs EU-Gründerstaaten kurz nach dem Brexit-Votum vom 23. Juni habe nur zu Verstimmungen geführt. „Es ist nach dem Treffen genau das geschehen, was viele im Vorfeld befürchtet haben. Diejenigen Staaten, die nicht zu dieser Gruppe gehören, waren verunsichert und haben sich ausgeschlossen gefühlt.“ Es gelte alles zu unterlassen, „was die Kluft zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern vergrößert“.
Steinmeier sprach am Wochenende selbst die Befürchtung an, dass Deutschland in der EU als zu dominant angesehen werde. Der Deutschen Welle sagte er: „Wir haben immer wieder die Gleichzeitigkeit – von der Erwartung an Deutschland, aber auch von der Befürchtung, dass Deutschland zu stark wird in Europa.“ Deshalb dürften die kleineren Mitgliedsstaaten nicht überfordert werden – geichzeitig müssten sie immer wieder mit einbezogen werden.
Schäuble plädierte in dem Interview für „Schnelligkeit und Pragmatismus“ bei der Lösung von Problemen in Europa – notfalls auch ohne Führungsrolle der EU-Kommission in Brüssel. „Wenn die Kommission nicht mittut, dann nehmen wir die Sache selbst in die Hand, lösen die Probleme eben zwischen den Regierungen.“
Probleme schnell lösen
Außerdem brachte der Finanzminister erneut die Idee eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ins Spiel: „Wenn nicht alle 27 von Anfang an mitziehen, dann starten halt einige wenige.“ Die EU müsse „jetzt vor allem bei einigen zentralen Problemen zeigen, dass sie diese schnell lösen kann. Nur so werden sich die Leute überzeugen lassen und wieder Vertrauen fassen.“ Neben der Flüchtlingskrise nannte Schäuble den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
Eine bessere EU-Politik mit Blick auf die hohe Erwerbslosigkeit unter jungen Menschen forderte am Samstag auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In ihrem Video-Podcast sagte sie, nötig seien Veränderungen „bei den Angeboten für die Jugend“. Die Kanzlerin nannte als Schwerpunktthemen der EU „Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Wachstum“, innere und äußere Sicherheit, die Terrorismusbekämpfung und den Schutz der europäischen Außengrenzen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte bei einer Konferenz seiner Partei in Berlin, das Votum der Briten gebe die Chance, Europa so zu verändern, dass es wieder mehr Zustimmung erhalte. Der Vizekanzler kritisierte Pläne für härtere Sparauflagen in notleidenden Ländern. Die EU sei zunehmend gespalten in den ärmeren Süden und den reicheren Norden. Die einen verstünden die EU als „Zwangsjacke“, die anderen müssten verstehen, dass wachsender Druck nichts bewirke.
Der Wirtschaftsminister hatte am Donnerstag bei einem Treffen mit dem linken griechischen Regierungschef Alexis Tsipras mehr Wachstumsimpulse für EU-Krisenländer gefordert. „Wir haben gerade gesehen, arme Leute stimmen für Out“, sagte Gabriel mit Blick auf das Brexit-Votum. In der Neuen Osnabrücker Zeitung plädierte er zudem für eine kleinere EU-Kommission: „Ein Europa, in dem 27 Kommissare sich beweisen wollen, macht keinen Sinn. Auch hier tut eine Verschlankung gut.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“