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Konkrete Beweise für Tatbeteiligung sollen nicht mehr erforderlich sein

Neuauflage des § 129a-Prozesses gegen Luitgard Hornstein wegen Anschlags auf Dornier-Werk  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Vor der Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichtes in Stuttgart-Stammheim wurde gestern der zweite Durchgang im Prozeß gegen das mutmaßliche RAF -Mitglied Luitgard Hornstein eröffnet. Der erneuten Verhandlung gegen Luitgard Hornstein liegt ein Revisionsbeschluß des Bundesgerichtshofes zugrunde, der auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ein früheres Urteil aufhob.

In dem ersten Verfahren wurde Luitgard Hornstein wegen „mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Mißbrauch von Ausweispapieren“ zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Diese Strafe hätte hätte sie im August 1990 verbüßt.

Der Prozeß wird nun erneut aufgerollt, weil eine mögliche Beteiligung Luitgard Hornsteins bei einem Anschlag im Juli 1986 auf die Rüstungsfirma Dornier in Immenstaad aus formalrechtlichen Gründen vom Gericht nicht geprüft worden war. Zu Beginn der Hauptverhandlung stellten gestern die Verteidiger einen Befangenheitsantrag. Weil sich die Angeklagte in den letzten Monaten zweimal an befristeten Solidaritätshungerstreiks für die in Spanien inhaftierten Mitglieder der militanten Grapo beteiligt hatte, war ihr vom Vorsitzenden Richter Berrod eine Verlegung in die Haftanstalt Stuttgart-Stammheim angedroht worden. Der Antrag wurde verworfen.

Wichtigster Zeuge der Anklage war im ersten Verfahren wieder einmal der umstrittene Schriftsachverständige Hans Ockelmann. Der Hamburger Privatmann gutachtete, daß Frau Hornstein als Mitglied „einer kämpfenden Einheit“ innerhalb der RAF für den Dornier-Anschlag mit anderen Briefumschläge für Bekennerschreiben beschriftet und Warntafeln geschrieben haben soll.

Im Kreise seiner Sachverständigenkollegen ist Ockelmann mittlerweile aber voll auf dem Bauch gelandet. Seine Gefälligkeitsgutachten für den Generalbundesanwalt Rebmann gelten als unseriös und wissenschaftlich nicht fundiert. Seine Expertisen spielten bei der Verurteilung der anderen mutmaßlichen Mitglieder der „kämpfenden Einheit“ eine maßgebliche Rolle. Ockelmann wurde inzwischen auch von der Bundesanwaltschaft fallengelassen.

Wesentlich in dem jetzigen Vefahren ist aber der Versuch der Ankläger, zur Aburteilung das Indiz heranzuziehen, daß sich Frau Hornstein in „einschlägigen“ Kreisen bewegt und Kontakte zu Personen unterhalten habe, die entweder der „terroristischen Szene“ zuzurechnen seien oder auch nur Kontakte zur dieser unterhalten hätten. Die Grünen in Baden -Württemberg, die neben anderen auch diesen Prozeß beobachten wollen, haben die Konstruktion der Ankläger als „Kontaktschuldprinzip“ bezeichnet.

In der auf zehn Prozeßtage angesetzten Neuverhandlung sollen Beweise a la Ockelmann auch gar nicht mehr nötig sein. Allein sogenannte „Lebenstatsachen“ sollen nun auch die Beteiligung Hornsteins an dem Anschlag auf Dornier untermauern. Im ersten Verfahren hatten diese dazu gedient, im Urteil auf „Mitgliedschaft“ zu schließen.

Luitgard Hornstein habe sich mit „anschlagsrelevanten Themen“ wie dem militärisch-industriellen Komplex beschäftigt und sich konspirativ mit der RAF-Frau Eva Haule getroffen, als diese noch im Untergrund lebte. Angelastet wird ihr von der Bundesanwaltschaft weiter, daß sie sich am Hungerstreik der RAF-Gefangenen im letzten Frühjahr beteiligt hat.

Den Kern der „Lebenstatsachen“ bilden ihr freundschaftlicher Kontakt und ihre politische Nähe zu Christian Kluth, Andrea Sievering und Rico Prauß. Mit ihnen soll Luitgard Hornstein die „kämpfende Einheit“ gebildet haben, die den Anschlag auf Dornier gemeinsam ausgeführt hätte. Die Beteiligung der drei am Dornier-Anschlag gilt wiederum mit deren Verurteilung als „gerichtsbekannt“.

Wolfgang Gast

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