Konjunkturflaute in Europa: Pessimismus breitet sich aus
Ganz Europa rutscht in die Rezession. Doch während Italien schon 2007 ein Minuswachstum gab, setzt der Einbruch in Deutschland und Frankreich erst jetzt ein.
BERLIN taz Kein westliches Industrieland hat im zweiten Quartal derart schlecht abgeschnitten wie Deutschland: Hier schrumpfte die Wirtschaft um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal - im gesamten Euroraum waren es nur 0,2 Prozent, wie die Statistikbehörde Eurostat am Donnerstag in Brüssel mitteilte. Selbst ein Land wie Großbritannien schnitt besser ab, obwohl es früh von der Immobilienkrise erfasst wurde und die Häuserpreise dramatisch sinken. Allerdings ist dieses Bild statistisch ein wenig verzerrt: Wenn jetzt etwa Großbritannien mit einem Plus von 0,2 aufwarten kann, liegt dies auch daran, dass schon die vergangenen Quartale enttäuschend ausfielen, während Deutschland noch ein kräftiges Wachstum verzeichnen konnte.
Doch jetzt kündigt sich europaweit ein Abschwung an, wie auch der Ifo-Wirtschaftsklimaindikator für den Euroraum zeigt, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. In fast allen Ländern hat sich die Stimmung weiter eingetrübt und der Pessimismus ein neues Rekordniveau erreicht: Noch nie seit dem Beginn der Erhebung 1992 wurden die Aussichten für die nächsten sechs Monate als so schlecht eingestuft. Besonders negativ wird die aktuelle Lage in Italien, Spanien, Portugal, Irland und Belgien eingeschätzt.
Darin spiegelt sich wider, dass die Konjunkturflaute die europäischen Länder nicht gleichzeitig getroffen hat. So verzeichnete die italienische Wirtschaft schon Ende 2007 ein erstes Minuswachstum, während in Frankreich wie in Deutschland erst jetzt der Einbruch einsetzt.
Generell wurden von der US-Kreditkrise zunächst jene Länder getroffen, die stark von ihren Finanzdienstleistungen leben oder in denen die Hauspreise exorbitant gestiegen waren - und wo sich nun die hohen Baukredite bei steigenden Zinsen nicht mehr finanzieren ließen. Dies gilt für Spanien, Großbritannien oder Irland.
In einer zweiten Welle werden nun die besonders exportorientierten Länder erfasst. Dazu zählen Frankreich oder Deutschland, aber auch Schweden ist bei einem Nullwachstum angekommen. Als einziges Land in Skandinavien scheint noch Finnland zu boomen (allerdings fehlen dort die jüngsten Zahlen).
Doch nicht nur Europa leidet, längst hat die Krise auch andere Regionen erfasst. So zeichnet sich in Japan ein ähnliches Bild ab wie in Deutschland: Anfang des Jahres wuchs die Wirtschaft dort noch rasant - um jetzt im zweiten Quartal auf ein Minus von 0,6 Prozent abzustürzen. Das ist der stärkste Wirtschaftseinbruch seit dem Platzen der Internetblase 2001. "Die Daten hinterlassen bei uns den Eindruck, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgeglitten ist", kommentierte Chefvolkswirt Takahide Kiuchi von Nomura Securities. Als Rezession gilt, wenn eine Volkswirtschaft zwei Quartale hintereinander ins Minus rutscht.
Insgesamt ergibt sich für die Weltwirtschaft kein sonderlich erfreuliches Bild: In einer Merrill-Lynch-Umfrage halten inzwischen 48 Prozent der Experten eine weltweite Rezession innerhalb der nächsten zwölf Monate für wahrscheinlich. Im Juni waren es erst 34 Prozent. UH, LIEB
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