piwik no script img

Deutsche Wirtschaft schrumpftEs geht abwärts

Erstmals seit vier Jahren verzeichnet die deutsche Wirtschaft ein Minuswachstum. Bald könnte es auch wieder mehr Arbeitslose geben.

Die Bürger knausern beim Konsum. Vielleicht weil zu wenig in der Geldbörse ist? Bild: dpa

BERLIN taz Der Aufschwung ist vorbei; die deutsche Wirtschaft schrumpft: Das Minus betrug 0,5 Prozent im zweiten Quartal, im Vergleich zum ersten Vierteljahr, wie das Statistikamt am Donnerstag bekanntgab. Ein Minuswachstum gab es zuletzt im Herbst 2004; seither ging es mit der Wirtschaft immer aufwärts.

Der jetzige Einbruch kam abrupt: Von Januar bis März hatte die deutsche Wirtschaft noch um 1,3 Prozent zugelegt. Dass die Wirtschaft ab April eine derartige Vollbremsung hinlegen konnte, ist zum Teil eine "technische Reaktion", wie es so schön im Wirtschaftsdeutsch heißt. Man könnte auch sagen: eine statistische Verzerrung. Da war zum einen der milde Winter, so dass die Bauwirtschaft weiter produzieren konnte. Die Aufträge konnten schon im ersten Quartal abgearbeitet werden und fehlen statistisch nun im zweiten. Zudem liefen Ende 2007 günstige Abschreibungsmodelle für Investitionen aus, was viele Unternehmen animierte, noch schnell zu bestellen - auch dies hat die Auftragslage im ersten Quartal künstlich nach oben getrieben.

Doch trotz dieser statistischen Effekte bleibt es alarmierend, wie schnell die deutsche Wirtschaft eingebrochen ist. Kein anderes westliches Industrieland hatte ein derartiges Minuswachstum im zweiten Quartal zu verzeichnen (siehe Spalte).

In Deutschland sind bislang vor allem zwei Gründe für den Rückgang verantwortlich: Die Unternehmen sparen bei ihren Investitionen und zugleich knausern die Bürger beim Konsum. Nur der Export sorgte bisher dafür, dass der Abschwung nicht noch krasser ausfiel: Im Juni konnte bei den Ausfuhren ein Plus von 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbucht werden.

Und wie geht es mit der deutschen Wirtschaft jetzt weiter? Die Experten sind sich uneins, was das Minuswachstum im zweiten Quartal zu bedeuten hat: War es nur eine Delle? Oder beginnt eine längere Krise? Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ist weiterhin optimistisch - und bleibt dabei, dass die deutsche Wirtschaft 2008 insgesamt um 2,3 Prozent zulegen könnte. Auch die Bundesregierung beharrt auf ihrer Prognose, die schon immer etwas bescheidener war, und geht weiterhin von einem Wachstum von 1,7 Prozent aus. Daher sieht das Wirtschaftsministerium bisher keinen Bedarf für ein Konjunkturpaket. Die Commerzbank hingegen ist deutlich pessimistischer: Ihre Analysten rechnen mit einem Abschwung. Auch die Deka-Bank sieht "Probleme an allen Fronten".

Die Pessimisten verweisen auf die sogenannten "Frühindikatoren", die als Erstes eine Krise anzeigen. Dazu gehört der Auftragseingang bei der Industrie. Und dort zeichnet sich eine dramatische Verschlechterung ab: Allein im Juni gingen die Aufträge um 2,9 Prozent zurück; im Mai hatten sie auch schon um 1,4 Prozent abgenommen. Besonders die Nachfrage aus den anderen Euroländern ließ nach: minus 7,7 Prozent. Es ist daher wenig tröstlich, dass der Export bisher die deutsche Wirtschaft gestützt hat - damit dürfte es bald vorbei sein.

Also wird nun darauf gehofft, dass die Binnennachfrage anzieht und die Bürger die Geschäfte stürmen. Schließlich sind die Tariflöhne deutlich gestiegen; und weil die Zahl der Stellen zunahm, könnten auch ehemals Arbeitslose wieder mehr Geld ausgeben. Doch sehr wahrscheinlich ist es nicht, dass die Kauflust steigt. Auch dazu hatte das Statistikamt am Donnerstag neue Zahlen parat: So ist bei Gaststätten der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um real 2 Prozent gesunken. Auch sonst halten sich die Bürger zurück, was nicht erstaunlich ist, wird doch alles teurer. Die Inflation bewegt sich weiterhin auf Rekordniveau und lag im Juli bei 3,3 Prozent. Die wichtigsten Preistreiber: Energie verteuerte sich um 15,1 Prozent und Nahrungsmittel um 8 Prozent.

Noch hat die Krise den Arbeitsmarkt nicht erreicht. Nur die Zahl der offenen Stellen sinkt bereits. Doch wenn der Abschwung anhält, dürften bereits ab Herbst wieder mehr Menschen ohne Arbeit sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    maryjane

    Schön formuliert; die Unternehmen sparen und die Bürger knausern.

  • V
    vic

    Aufschwung vorbei?

    Muss an den maßlosen Einkommenserhöhungen der gewöhnlichen Arbeiter und Angestellten liegen.

    Haben die Nieten in Nadelstreifen doch gleich prognostiert.

    Tja, Merkel.

    Wie redet man das nun wieder vom Tisch?

    Und noch was, ich werde nicht weniger ausgeben als in den Monaten zuvor. Da hatte ich auch schon nichts auszugeben.