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Konjunktur der schwimmenden DreckschleudernKreuzfahrer kommen in Scharen

Die Saison der Luxusliner im Norden beginnt, und es werden Rekorde erwartet. Das Geschäft boomt, doch viel sauberer sind die Schiffe immer noch nicht.

Sie startet wöchentlich jeden Sonnabend von Hamburg zum Trip auf die Nordsee: die „Aida Prima“. Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Königlich beginnt die diesjährige Kreuzfahrtsaison in Norddeutschland. Die „Queen Elizabeth 2“ der britischen Cunard-Reederei wird am Donnerstag als erster Luxusliner 2017 in Hamburg festmachen. In den anderen großen Kreuzfahrerhäfen Bremerhaven, Kiel und Warnemünde beginnt die Saison zumeist erst im April.

Das gediegene Ambiente an Bord der „QE2“ will die Hamburger Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) nutzen, um über die Planungen im Hafen zu informieren. Klar ist bereits, dass es am Terminal in der Hafencity weniger Platz geben wird, weil hier mit dem Bau des südlichen Überseequartiers begonnen wird. Dabei wird auch das provisorische Terminal aus übereinander geschichteten Containern entfallen. Künftig wird die Abfertigung der Passagiere im Erdgeschoss eines Luxushotels stattfinden, das direkt an die Kaikante gebaut werden soll. Das Terminal mit zwei Liegeplätzen soll mehr als 3.000 Passagiere gleichzeitig abfertigen können.

In diesem Jahr steuern nach Angaben des Betreibers Cruise Gate Hamburg noch 27 Passagierschiffe das Hafencity-Terminal an, etwa ein Achtel der insgesamt erwarteten Schiffsanläufe. 200 Schiffsanläufe mit mehr als 800.000 Passagieren erwartet Cruise Gate in diesem Jahr – der Rekord des gerade erst zu Ende gegangenen Jahres 2016 mit 171 Schiffsanläufen und 710.000 Passagieren wird nicht lange halten. Hamburg wird damit seinen Platz als drittgrößter Kreuzfahrthafen Nordeuropas hinter Kopenhagen und Southampton festigen. Stammgast wird weiterhin die „Aida Prima“ sein, die vom Terminal Steinwerder wöchentlich zu Trips auf die Nordsee aufbricht. Erwartet werden zudem zusätzliche Gäste, die sich von der Elbphilharmonie zu einem Zwischenstopp in Hamburg verleiten lassen.

Weiter im Aufwind sieht sich auch Rostock-Warnemünde. 2017 erwartet der Ostseehafen fast so viele Fahrgäste wie Hamburg: 800.000 Passagiere bei 192 Anläufen sollen es werden. Die Kreuzfahrtsaison an der Ostsee läuft vom 27. April bis 12. Oktober. In Kiel werden zwischen 9. April und 21. Oktober 128 Schiffe mit rund 420.000 Passagieren erwartet. Ein Höhepunkt der Saison ist die traditionelle Kieler Woche vom 17. bis 25. Juni, zu der 15 Kreuzfahrtschiffe einlaufen sollen. Bremerhaven will mit fast 100 Schiffen und 150.000 Fahrgästen ebenfalls Rekorde aufstellen.

Umweltschutz auf Schiffen

Für Frachter und Kreuzfahrtschiffe gelten künftig deutlich schärfere Umwelt- und Klimavorschriften.

Ab 2020 dürfen weltweit nur noch Treibstoffe eingesetzt werden, die höchstens 0,5 Prozent Schwefel enthalten. Bislang lag der Grenzwert bei 3,5 Prozent. Das hat die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO im Oktober in London beschlossen.

Ab 2019 müssen alle Reedereien ihren Brennstoffverbrauch zur Auswertung an die IMO übermitteln. Eine verbindliche Entscheidung für weitere CO2-Minderungsmaßnahmen soll dann 2023 „auf Grundlage einer soliden Datenbasis“ fallen.

Auch der Naturschutzbund Nabu begrüßt die Maßnahmen. Dennoch sei der Schiffskraftstoff immer noch 500-mal so dreckig wie LKW-Diesel.

Deutlich schärfere Bestimmungen gelten auf Nord- und Ostsee. Seit Anfang 2015 dürfen dort Handels- und Kreuzfahrtschiffe sowie Fähren nur noch mit einem Treibstoff unterwegs sein, der 0,1 Prozent Schwefel enthält. Seitdem ist dort die Luftschadstoffbelastung durch Schiffe erheblich zurückgegangen.

Und der Boom beim Neubau von Kreuzfahrtschiffen hält an. Das belegt eine Studie der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung im Auftrag der IG Metall Küste. Im Jahr 2010 wurden demnach 22 Luxusliner in europäischen Werften in Auftrag gegeben. 2015 waren es schon 40, im Vorjahr 55 Schiffe. Davon bearbeitet die deutsche Meyer-Werft 13 Aufträge in Papenburg im Emsland und sechs in ihrer Filiale im finnischen Turku.

2017 sollen zwei weitere Riesenschiffe die Meyer-Werft an der Ems verlassen, die für jede Schiffsüberführung in die Nordsee unter Protesten von Naturschützern extra aufgestaut werden muss: Die „World Dream“ soll sich im Herbst 2017 auf den Weg machen. Das mehr als 335 Meter lange Schiff soll Touristen in Asien herumschippern. Schon im Frühjahr geht die über 325 Meter lange „Norwegian Joy“ auf die Reise. Das Schiff der US-Reederei Norwegian Cruise Line soll vorwiegend chinesische Fahrgäste an Bord nehmen: China gilt der Branche als größter Zukunftsmarkt.

Kritisch sehen weiterhin Umweltschützer die Kreuzfahrerei. Sie weisen auf Beeinträchtigungen für Umwelt und Gesundheit durch schädliche Schiffsemissionen hin (siehe Kasten). Denn die regenerative Energieversorgung der Schiffe durch Landstrom oder verflüssigtes Erdgas (LNG) funktioniert entweder gar nicht oder nur in wenigen Fällen. Da gebe es, beklagt der Naturschutzbund Nabu, noch viel Nachholbedarf.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Passagier- und Kreuzschiffahrt erzeugt etwa 1 bis 1,5% aller Schiffsbewegungen weltweit. Sie ist aber weitaus lukrativer, als die Frachtschiffahrt. Das bedeutet, der enorme Entwicklungsschub der letzten zwei Jahrzehnte im Bereich der Antriebstechnik wäre ohne die Erlöse aus der Kreuzschiffahrt gar nicht denkbar. Das umfasst sowohl die Abgasreinigung, die Verwendung neuer, weniger schadstoffbelasteter Treibstoffe, als auch z.B. die Optimierung des Strömungswiderstandes durch geänderte Rumpfformen, Oberflächen und Anstriche.

     

    Dies alles sind Entwicklungen, die früher oder später auch der Frachtschiffahrt zu Gute kommen werden. Dass dies eher früher als später geschieht, dafür ist dann auch die Politik verantwortlich.

  • So ist es halt mit vielen unserer Mitbürger.

     

    Mit dem Cayenne beim Biomarkt vorfahren, die Energiewende beklatschen, denken mit ein paar kWh Ökostrom rettet man das Klima - aber sich bewusst machen, dass tausende Tonnen Stahl halt viel Energie zur Bewegung brauchen, das macht keiner. Physik wurde ja abgewählt...

  • Angesichts des unvorstellbaren Drecks, den so ein Schiffsriese in die klare, Meeresluft bläst, müssten die Schiffe Namen von Lungenkrankheiten tragen, nicht „Carnival Freedom" sondern schlicht und einfach „Cancer“ ... eigentlich müsste man Warnhinweise auf die Schiffsrümpfe pinseln...

    Ohne Spass – eine 17 Tage Rundreise „Spitzbergen – Kiel“, verursacht satte 10 Tonnen Co2 - pro Nase ! (nachzuschauen auf: http://www.atmosfair.de )

    Das entspricht circa 60 tausend Autokilometer...

    und was auch weh tut, ist dieser Gigantismus, die Geschmacklosigkeit jener verkommenen Schwimmburgen, die bis zu achttausend, fressende, saufende und ausscheidende Menschen in ihren Hohlräumen beherbergen ...das ist wie eine irrsinnig grosse Legebatterie... … apropo – 140.000 Eier werden z.B. auf dem Kreuzfahrtschiff Allure of the Seas (Verlockende See) pro Woche verzehrt... neben 160.000 Kilo Obst, Gemüse und Fleisch... und die Hälfte der Lebensmittel wird weggeschmissen !

    Wer jemals All inclusive gebucht hat, weiss wie sich Menschen am Buffet aufführen – bis sie sich durch– und alles angefressen haben...doch am schlimmsten sind die völlig entgleisten Proportionen jener Kloschüsseln, die aus der Perspektive einer kleinen Seitengasse Venedigs wirken wie ein sanitär gewordener Alptraum... und wenn sich der Inhalt dieser schwimmenden Pups-Burgen wie ein Rohrbruch in die engen Gassen der Hafenstadt ergiesst – ein plappernder, knipsender, posierender, nach Duschgel stinkender Haufen...

    … dann, spätestens dann, ist man sicher, dass der Sturz der Erde in die Sonne,

    die einzige Rettung für die Milchstrasse und die sie umgebenden Galaxien ist, bevor sich die Menschheit in Raumkreuzern zu den Sternen aufmacht !

    • @Karo:

      Selbst mit vollen 17 Seetagen in der Suite der größten Schiffsklasse komme ich "nur" auf etwa 8 Tonnen CO2. Zudem bietet atmosfair ja eine "Kompensationszahlung" für das beunruhigte grüne Gewissen an. Früher war dieses Modell in klerikalen Kreisen unter dem Namen "Ablasshandel" ein echter Renner.

       

      Und der Vergleich mit Autokilometern ist wenig hilfreich, es sei denn man hat im Auto auch gleich noch das Restaurant, Theater, Kino, Fitnesscenter, Hotel und alles andere eingebaut. Ach, haben Sie nicht? Dann hat man Ihnen mit dem Vergleich einen schönen Bären aufgebunden. Aber Onkel Klaus, der alte Töpfer, der guckt doch so lieb beim Leute-verarschen. Fast wie Mutti. Beide durften ja auch mal als "Umwelt"persiflagen ein bisschen herumregieren. Und beide fanden auch die Atomkraft immer ganz supi, schadstoffarm und umweltfreundlich.

       

      Die "schwimmenden Pups-Burgen" haben übrigens Kläranlagen an Bord. Soviel Wasser, wie sie dem Meer entnehmen und in ihren Entsalzungsanlagen aufbereiten, soviel auf Trinkwasserniveau geklärtes Brauchwasser geben sie auch wieder zurück. Ich sehe schon, Sie haben sich wirklich "eingehend" mit dem Thema "Kreuzfahrtreisen" beschäftigt. Etwa so, wie sich ein Dreijähriger mit einer Ausgabe von Science beschäftigt. Da sind ja auch immer ein paar großformatige bunte Bildchen drin. Die "Meinung" basiert dann auf textfreier Eigeninterpretation dessen, was man meint erkennen zu können.

    • @Karo:

      Schön.