Kongress Arbeit und Gesundheit: Ausgeliefert auf dem Rad
Die Arbeitsbedingungen bei den Lieferdiensten sind weiterhin schlecht. Ein Diskussionsveranstaltung sucht nach Lösungen.
Der Investment-Hype um Lieferdienste wie Getir, Wolt und Lieferando in Berlin mag vorbei sein, doch die Arbeitsbedingungen in der Branche sind immer noch mies. „Ich habe viele Rider gesehen, die nach einer Verletzung einfach weitergefahren sind“, berichtet Wolt-Mitarbeiter Muhammad Bhatti. Viele hätten Angst, in der Probezeit ihren Job zu verlieren, auf den sie angewiesen sind.
Die Frage, wie sich die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern lassen, diskutierte Bhatti zusammen mit anderen Teilnehmer:innen am Dienstagnachmittag auf dem Panel „Ausliefern first, Gesundheit second?“. Die Diskussionsveranstaltung fand im Rahmen des Kongresses „Armut und Gesundheit“ an der FU statt.
Robert Rath, Direktor des Landesamtes für Arbeitsschutz, betonte, dass seine Behörde in den letzten Jahren einige Erfolge erzielen konnte. Besonders in der Hochphase vor zwei Jahren, als fast jeden Monat ein neuer Anbieter auf den Markt drängte, hatte die Behörde viel Aufklärungsarbeit leisten müssen. So sei es keine Selbstverständlichkeit gewesen, dass das Fahrrad ein Arbeitsmittel sei, dessen Sicherheit der Arbeitgeber gewährleisten muss.
Bei den „Hubs“ genannten Verteilstationen von Online-Supermärkten wie Getir, Flink oder Gorillas hat die Behörde die Kontrolldichte stark erhöht. Bei Mängeln wie versperrten Notausgängen, Stolpergefahr oder ungeprüften Elektrogeräten wurden viele Hubs zeitweise dichtgemacht. „Am Ende der Pandemie hatten wir das Gefühl, die Szene ein wenig kontrolliert zu haben“, sagt Rath.
Gute Arbeit in weiter Ferne
Der Weg zu flächendeckend sicheren und guten Arbeitsbedingungen in der Branche ist trotzdem noch lang, dass zeigen nicht nur Bhattis Erfahrungen bei Wolt. Insbesondere migrantische Beschäftigte sind nicht ausreichend über ihre Rechte im Krankheits- oder Kündigungsfall informiert. Prekäre Beschäftigung, die selten über die Probezeit hinausgeht, und Aufenthaltsgenehmigungen, die bei Jobverlust auslaufen, tun ihr Übriges, günstige Bedingungen für Ausbeutung zu schaffen.
Rider und Lieferando-Betriebsrat Eric Reimer will daher mit der von ihm entwickelten App Courier Orange Rider:innen ermutigen. In 12 verschiedenen Sprachen können diese sich über ihre Rechte informieren. So setzt Lieferando Fahrer:innen häufig unter Druck, bei gefährlichen Wetterlagen trotzdem zu arbeiten. „Wir dürfen bei schlechtem Wetter pausieren, aber Lieferando will das nicht“, erklärt Reimer. So lädt die App Wetterwarnungen vom Deutschen Wetterdienst und klärt über die Rechtslage auf.
Letztendlich führe aber kein Weg an Betriebsräten vorbei, sagt Veit Groß von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Lieferdienste versuchten immer wieder, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern – bislang gibt es nur einen bei Lieferando. „Da wird versucht, elementares deutsches Arbeitsrecht zu umgehen“, kritisiert Groß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!