Kongo: Neue Skandale um UN-Blauhelme
Ein indisches Kontingent soll unlautere Geschäfte mit ruandischen Hutu-Milizen betrieben haben. Die UN-Führung will die Mission überprüfen
BERLIN taz Die Skandale um illegale Geschäfte der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) weiten sich aus. Nach den Berichten über Goldschmuggel durch pakistanische UN-Blauhelme im nordostkongolesischen Distrikt Ituri im Mai bestätigte die Monuc am Wochenende, dass auch gegen Blauhelme aus Indien ermittelt werde. Sie sollen in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu Goldhandel mit ruandischen Hutu-Milizen (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas, FDLR) getätigt haben. Die FDLR, hervorgegangen aus den für den Völkermord an über 800.000 Menschen in Ruanda 1994 verantwortlichen Kräften, steht international unter Sanktionen und gilt als Hauptverantwortlicher für die Gewalt im Ostkongo.
"Wir gestehen, dass es Vorwürfe gibt", sagte Monuc-Sprecher Kemal Saiki in Kinshasa. "Im Anschluss an diese Vorwürfe ist eine interne Untersuchung gestartet worden." Konkret beziehen sich die Vorwürfe auf den Ort Nyabiondo in Nord-Kivu, eine Hochburg irregulärer Milizen im Ostkongo, rund 80 Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Goma. Indische Blauhelmsoldaten dort sollen ihre Lebensmittelrationen an die FDLR-Milizen gegen Gold verkauft haben, heißt es in den Vorwürfen, die zuerst vor einem Jahr in internen UN-Berichten auftauchten.
Eigentlich gilt die FDLR im Ostkongo als Haupthindernis für eine Befriedung. Offizielle Politik der UNO im Kongo ist die friedliche Rückführung der FDLR-Kämpfer nach Ruanda. Aggressiven Militäraktionen gegen die Miliz hat sich die UNO zum Leidwesen der Kongolesen immer widersetzt, aber seit 2005 hat sie mehrfach Operationen der kongolesischen Armee gegen die ruandischen Hutu-Milizen unterstützt. Den neuen Berichten zufolge soll die indische Brigade der Monuc in Nord-Kivu, stärkste UN-Einheit der Region, damals aber regelmäßig die FDLR vorab über die Einzelheiten der Militäraktionen informiert haben.
Vielfach hatten sich Kongolesen in Nord-Kivu damals gewundert, warum die FDLR sich trotz der Angriffe rechtzeitig zurückziehen konnte - ein Phänomen, das bis heute andauert. Die jüngsten Angriffe der FDLR und der gegen sie ins Feld geschickten "gemischten Brigaden" von Kongos Regierungsarmee und kongolesischen Tutsi-Rebellen haben in den letzten Monaten über 160.000 Menschen in die Flucht getrieben. Die FDLR hat alle Angriffe zurückgeschlagen und kontrolliert bis heute Zinn- und Goldminen um Nyabiondo.
Die UNO will nun auf Beschluss von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Sonderteam zur Überprüfung der gesamten Blauhelmmission in den Kongo entsenden. Erst vergangene Woche hatte die UNO erklärt, dass ihre internen Untersuchungen bestehende Vorwürfe gegen pakistanische Blauhelme in Ituri wegen Goldschmuggels bestätigt hätten. Darüber hatten internationale Medien berichtet.
Die neuen Anschuldigungen erfolgen zu einem Zeitpunkt, wo UN-Hilfswerke immer deutlicher vor massiven Gewaltausbrüchen im Ostkongo infolge der gescheiterten Militäroperationen gegen die FDLR-Milizen warnen. Die "gemischten Brigaden" aus Regierungseinheiten und Tutsi-Rebellen sind dabei, auseinanderzufallen, und Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda warnte im Juni gegenüber der taz vor massiven Angriffen der Regierungsarmee gegen ihn mit Unterstützung von UN-Einheiten. Der indischen Brigade in Nord-Kivu hatte Nkunda gegenüber der taz noch ein vorbildliches Verhalten bescheinigt. "Die Inder haben den Prozess der Bildung der gemischten Brigaden begleitet, und wir haben mit ihnen gute Kontakte", hatte Nkunda gesagt. "Sie verstehen, dass ein Genozid gegen die Tutsi in Vorbereitung ist und dass man davor die Augen verschließt." Deswegen, mutmaßte er, sei die Monuc-Führung im Begriff, die Inder gegen Einheiten aus anderen Ländern wie Uruguay auszutauschen.
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