Kongo: Die Drei vom Baggersee

Die Bergbauprovinz Katanga verfügt über riesige Kupfer- und Kobaltvorkommen. Drei skrupellose weiße Geschäftsleute kämpfen um die Kontrolle der Millardenwerte.

Zwei Arbeiter in Katanga transportieren Säcke mit Erz - beim Machtkampf in der Region geht es aber um wertvollere Bodenschätze. Bild: reuters

Von der Luft aus betrachtet ist es eine Mondlandschaft aus Baggerseen inmitten grauer Hügel, teils mit staubig grünem Busch bewachsen. Unter der Erde erstrecken sich Milliardenschätze. Ein Achtel der Kupferreserven der Welt und die Hälfte der Kobaltreserven - zwei Rohstoffe, ohne die keine Industrie auskommt - sind in den Hügeln von Katanga verborgen, der Bergbauprovinz im Süden der Demokratischen Republik Kongo.

Die Reichtümer von Katanga weckten schon immer Begehrlichkeiten und machten den Kongo zu einem weltpolitischen Zankapfel. Heute liegen die meisten Minen still, höchstens, dass unter Lebensgefahr ein paar Schürfer per Hand buddeln. Die Regierung hofft, mit neuen Auslandsinvestitionen den Bergbau wieder in Gang zu setzen und damit das Land wiederaufzubauen.

Aber um die Kontrolle des Bergbaureviers ist ein skrupelloser Machtkampf ausgebrochen. Katangas staatliche Bergbaufirma "Gécamines", einst das größte Unternehmen Afrikas, wird aufgerieben in einem Kampf der Oligarchen. Drei der gerissensten Geschäftsleute des Kontinents stehen sich dabei gegenüber. Da ist der zeitlebens im Kongo etablierte Belgier George Forrest, unumstrittene Größe in der Geschäftswelt von Katanga. Da ist der jungdynamische Newcomer Dan Gertler, schwerreicher Diamantenhändler aus Israel mit besten politischen Verbindungen. Und da ist schließlich der Abenteurer Billy Rautenbach, Weißer aus Simbabwe mit schillernden Interessen von Südafrika bis nach Sudan. Mindestens einer von ihnen muss weichen.

Die Mine Kamoto ist das Herz von Kongos Bergbaurevier. 200 Kilometer Stollen winden sich in der Nähe der Stadt Kolwezi teils bis zu 500 Meter tief durch einen Boden, der mehr als drei Millionen Tonnen reines Kupfer enthält, mit einem konservativ geschätzten Marktwert von 20 Milliarden Dollar, dazu über 300.000 Tonnen Kobalt. Zu ihren besten Zeiten schaufelten die Gécamines-Bagger in Kamoto täglich 10.000 Tonnen Erdreich aus den Stollen.

Aber im September 1990 stürzte der zentrale Teil des Bergwerks ein und begrub nicht nur zahlreiche Bergleute, sondern auch Millioneninvestitionen. Neu investiert wurde unter der damaligen Mobutu-Diktatur nicht, das größte Bergwerk Katangas blieb dem Verfall preisgegeben, ebenso wie das ganze Land. Kamoto wurde vom Kronjuwel des Kongo zum Symbol des Niedergangs.

Nun will der größte Privatunternehmer des Landes Kamoto zum Symbol von Kongos Wiederaufstieg machen. Der Belgo-Kongolese George Forrest ist der große alte Mann des kongolesischen Bergbaus. 67 Jahre alt und im Kongo geboren, nachdem sein Vater 1922 aus Belgien einwanderte und die Erschließung von Katangas Bergwerken plante, gehört Forrest heute Kongos einziges multinationales Unternehmen, die "Forrest Group" mit Filialen in Belgien, Burundi, Südafrika und Abu Dhabi. Er sitzt in leitenden Posten vieler Bergbaufirmen. Anfang 2004, wenige Monate nach Kriegsende im Kongo, schloss Forrest zusammen mit kanadischen Goldsuchern einen Joint-Venture-Vertrag über Kamoto mit Kongos Staat ab.

Die neue "Kamoto Copper Company" (KCC) bekam das Exklusivrecht auf die Mine, mit 75 Prozent Anteil für Forrest und Freunde. Es war ein gewagtes Unterfangen zu einer unruhigen Zeit, und Forrest bekam die Minen praktisch geschenkt. Seit 2006 heißt der private Teil des Joint Ventures "Katanga Mining". Im Vorstand sitzt Kongos Zentralbankchef Jean-Claude Masangu. Kritiker sagen, über Forrests Firmen sei auch der Wahlkampf von Kongos Präsident Joseph Kabila finanziert worden.

Seit wenigen Monaten wird in Kamoto wieder gebohrt. Schon Ende dieses Jahres soll exportfähiges Kupfer aus Kamoto auf den Weltmarkt kommen.

Solcher Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Die britische Camec (Central African Mining and Exploration Company) hat im Mai angefangen, Katanga-Aktien aufzukaufen - binnen weniger Wochen erreichte sie einen Anteil von 22 Prozent.

Camec ist ein Zwerg neben Katanga Mining, aber kein Unbekannter in Afrika. Die 2002 vom einstigen englischen Cricket-Nationalspieler Philippe Edmonds als Start-Up gegründete Firma ist immer dort, wo es spannend ist. Ihre Schwesterfirma "White Nile" hat von Südsudans Rebellen Ölfelder gekauft, in Katanga betreibt sie eine Kobaltmine.

Vor allem aber operiert Camec im Kongo über einen Intimfeind von George Forrest. Billy Rautenbach, ein Weißer aus Simbabwe und Freund des dortigen Präsidenten Robert Mugabe, hat schon viele seltsame Deals geschlossen. In den frühen 90er Jahren gründete Rautenbach, der eigentlich mit Vornamen Muller Conrad heißt, die größte Transportfirma des gesamten südlichen Afrika "Wheels of Africa" und baute ein Verkehrsimperium auf, das sogar die Hyundai-Vertretung in Südafrika umfasste. 1998 ernannte ihn Kongos damals noch neuer Präsident Laurent-Désiré Kabila zum Manager der Staatsfirma Gécamines; Simbabwes Präsident Mugabe, der Kabila zuvor Waffen geschenkt hatte, bekam dadurch Zugriff auf Kongos Bergbau. Das Geschäft hielt nicht lange, weil Katangas Geschäftswelt aufmuckte: Ende 1999 wurde der weiße Simbabwer Rautenbach durch den weißen Kongolesen Forrest ersetzt. Rautenbach wurde in Südafrika angeklagt, nachdem ein großer Teil seines Fuhrparks verschwand. Er setzte sich nach Simbabwe ab.

Der Haftbefehl aus Südafrika gegen Rautenbach gilt immer noch, aber nun drängt er zurück in den Kongo. Sein Kapital sind zwei Bergbaukonzessionen, die er für 80 Millionen Dollar an Camec verkauft hat; damit ist er bei Camec eingestiegen. Nun greift er gleich nach dem Bergbaujuwel "Katanga Mining". Der mächtige Forrest fackelte nicht lange. Kurz nachdem Camec in Aktion trat, leitete Kongos Regierung eine Untersuchung gegen die Firma ein.

Es funktionierte. Camecs Aktienkurse sackten ab, Katangas Kurse schnellten hoch. Camec musste reagieren: Am 9. Juli bot das Londoner Unternehmen 1,22 Milliarden Dollar für Katanga Mining, zwei Tage später schon 1,9 Milliarden. "Ich finde, die Firma ist viel mehr wert als das", sagte Katanga-Geschäftsführer Arthur Ditto ungerührt. Der Übernahmeversuch erwies sich als viel lukrativer als die Mine Kamoto selbst.

Am 19. Juli schließlich war Rautenbachs Spiel aus. In Katangas Hauptstadt Lubumbashi stempelten die Behörden "Einreise nicht gestattet" in seinen simbabwischen Pass, Soldaten eskortierten ihn zu seinem Privatjet und er musste das Land Richtung Simbabwe verlassen. Runde Eins ging an Forrest.

Aber entschieden ist nichts. Katanga Mining braucht Geld. Nach eigenen Angaben belaufen sich die Schulden des Projekts Kamoto auf 260 Millionen Dollar. Camecs Angebot steht noch, und ab dem 18. August darf es nach den Börsenregeln offiziell behandelt werden. Forrest bleibt verwundbar.

Es gibt eine einzige Mine in Katanga, die potentiell noch reicher ist als Kamoto. Kov (Kamoto-Virgule Oliveira) liegt direkt nebenan - ein gigantisches Loch, kaum erschlossen, aber potentiell wertvoller als die Wirtschaft halb Afrikas. Mehr als 6,7 Millionen Tonnen reines Kupfer werden hier vermutet, dazu 658.000 Tonnen Kobalt - doppelt so viel wie Kamoto. Projekte zu seiner Entwicklung liegen seit den 90er Jahren auf Eis.

Der Israeli Dan Gertler war 30 Jahre alt, als er 2004 ein Joint-Venture mit dem kongolesischen Staat zur Entwicklung von Kov schloss. Gertler bringt solides Geld mit und noch solidere Connections mit. Kürzlich zum orthodoxen Judentum übergetreten, ist er der Enkel des Gründers der Diamantenbörse von Israel und ein Freund von Ariel Sharon.

Mit Kongos gleichaltrigem Präsidenten Joseph Kabila versteht Gertler sich bestens. Schon 2000 hatte Gertlers Firma IDI im Kongo ein kurzlebiges Monopol zum Diamantenexport erhalten, und eine andere Gertler-Firma, Emaxon, kooperiert mit Kongos staatlichem Diamantenförderer MIBA. Angeblich war das Monopol eine Gegenleistung für israelische Militärhilfe zusammen mit Angola, wo Gertler ebenfalls ins Diamantengeschäft eingestiegen ist.

Kurz vor Kongos Wahlen 2006 schanzte Kabila Gertler auch eine Mine in Katanga zu, die ein in Ungnade gefallener Freund Rautenbachs hatte abgeben müssen. Am 12. Juli 2006 ging der von Gertler geführte private Teilhaber im Joint Venture für Kov in der neuen Holding Nikanor auf, in der sich Gertler zwecks Börsengangs mit Israels reichstem Milliardär und Diamantenhändler Benny Steinmetz zusammentat. Die neue Holding vermeldete in kürzester Zeit 375 Millionen Dollar Zeichungsinteresse an der Londoner Börse.

Was könnte ein besseres Geschäft sein, als direkt neben Kov auch die viel weiter entwickelte Mine Kamoto zu erwerben? Während die Abwehrschlacht von Katanga Mining gegen Camec lief, kaufte Nikanor ganz im Stillen ebenfalls Katanga-Anteile, und zwar 16 Prozent. Nun ist davon die Rede, dass Forrest Nikanor eventuell ganz ins Boot holt. Eine abenteuerliche Vorstellung: Kongos größter Diamantenhandler verbündet sich mit Kongos größtem Unternehmer zur Entwicklung der größten Bergwerke.

Wobei zu erwarten wäre, dass Forrest und Gertler nicht lange einträchtig zusammenarbeiten. Zwei Haifische passen kaum in einen Teich. Aber wenn einer draufginge, wären die Wellen hoch. Stürzt Forrest, gerät die Machtstruktur Katangas und damit die innenpolitische Machtbasis Kabilas in Turbulenzen. Zieht Gertler den Kürzeren, verliert Kabila seine finanzkräftigste Stütze mit seinem wichtigsten militärischen Alliierten Angola. In jedem Falle gäbe es so viele Ausgebootete im weiteren Umfeld, dass Kongos fragiler Frieden es wohl nicht überleben würde.

Runde Zwei ist also noch nicht entschieden. Nur ein Verlierer steht fest: Der Kongo insgesamt. Belgische Experten haben anhand von Weltbankstudien vorgerechnet, dass Kongos Anteil an den Fördergewinnen von Kamoto und Kov beispiellos niedrig sein wird: 1,5 bis 2 Prozent der Nettoeinnahmen. "Normal in Afrikas Bergbau sind Tantiemen von 1,5 bis 3 Prozent der Bruttoeinnahmen, also 10 bis 15 Prozent der Nettoeinnahmen", heißt es in einer unveröffentlichten Studie. Verdienen werden andere.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.