Konflikte zwischen Tuareg und Mali: Sahara-Frieden auf Sand gebaut
Algerien vermittelt Friedensgespräche zwischen Malis Regierung und Tuareg-Rebellen. Es geht um Sicherheit in der bei Schmugglern und Terroristen beliebten Saharawüste.
BERLIN taz In Algerien hat ein neuer Versuch begonnen, die Sahara-Wüstenregionen zu stabilisieren, die den Süden Algeriens und Libyens mit dem Norden von Mauretanien, Mali und Niger verbinden. Vertreter der Regierung von Mali und Emissäre malischer Rebellen des Tuareg-Nomadenvolkes trafen sich am gestrigen Donnerstag zu Gesprächen in der Hauptstadt Algier.
Damit soll ein Konflikt eingedämmt werden, der nicht nur Mali destabilisiert. Neben den seit 2006 in Mali wieder aktiven Tuareg-Rebellen kämpfen im benachbarten Niger ebenfalls bewaffnete Tuareg-Gruppen, während in der gesamten Region der Grenzschmuggel blüht und die radikalen Islamisten der "Al-Qaida im Maghreb" ihre Aktivitäten ausdehnen. Im Februar entführten islamistische Kämpfer zwei österreichische Touristen in Tunesien und brachten sie bei Tuareg-Rebellen in Mali unter; sie befinden sich bis heute dort.
Die Nomadenvölker der Sahara fühlen sich seit jeher durch die Grenzziehungen der Region in ihrer Bewegungs- und Geschäftsfreiheit behindert. Mehrere Rebellionen bewaffneter Tuareg erschütterten Mali und Niger in den 90er Jahren, unterstützt von Libyen, dessen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi in ihnen Verbündete für seine Idee eines geeinten Sahel-Sahara-Staates unter seiner Führung sah. Im Mai 2006 griffen radikale Tuareg in Mali erneut zu den Waffen und forderten Autonomie für die Wüstenregionen Gao, Kidal und Timbuktu. Im Juli 2006 vermittelte Algerien ein Friedensabkommen für Mali, in dem die Rebellen ihren Autonomieanspruch fallenließen und die Regierung mehr Entwicklungsanstrengungen für die Wüstengebiete versprach.
Weil diese Versprechen aus Sicht mancher Tuareg-Führer nicht eingehalten wurden, mehren sich seit einem Jahr wieder Angriffe bewaffneter Tuareg. Allein zwischen April und Juli nahmen Rebellen 92 Regierungssoldaten als Geiseln. Einer ihrer wichtigsten Führer ist Ibrahim ag Bahanga, ein Tuareg-Militär, dessen Austritt aus Malis Armee 2006 der neuen Rebellion zugrundelag. Sein Schwiegervater Ama Ag Sidahmed verkündete im Juli 2007 die Gründung der "Tuareg-Allianz von Mali und Niger", in der sich Malis Tuareg-Kämpfer mit der in Niger kämpfenden Rebellenbewegung MNJ (Nigrische Bewegung für Gerechtigkeit) verbündeten.
Die Clan-Struktur der Tuareg-Gesellschaft bringt es aber mit sich, dass es so gut wie unmöglich ist, alle Tuareg unter einer Führung zu vereinen. Manche etablierte Tuareg in Mali halten ag Bahanga schlicht für einen kriminellen Mafiaboss, der mit seinen Freunden in der Wüstenstadt Kidal - wo Libyen kurz vor Ausbruch der Kämpfe 2006 ein Konsulat eröffnet hatte - einträgliche krumme Geschäfte macht und deswegen den Staat ablehnt. So bilden sich immer neue Splittergruppen, meist um einzelne Familien, die untereinander verfeindet sind. Mit einzelnen Fraktionen vermittelte Algerien am 23. Juli ein neues Abkommen. Darin versprachen die Rebellen, bis zum 15. August alle ihre Gefangenen freizulassen. Die Armee sollte neue Militäreinheiten, bestehend aus Soldaten aus den Nomadenvölkern, in die Wüste entsenden.
Weil aber die Tuareg sich nicht einig waren, wo genau diese neuen Militäreinheiten stationniert sein dürfen, verzögerte sich die Umsetzung der Vereinbarung. Nur 21 der 92 Soldaten in Rebellenhand kamen frei. Es gingen Gerüchte um, dass Milizen unter anderen Völkern Malis entstünden, um Tuareg zu vertreiben. Tuareg-Gruppen forderten auch, an der Sicherung der Grenze zwischen Algerien und Mali beteiligt zu werden. Die Grenzüberwachung wird von Algerien ausgebaut, als Abschottung von Migrationsrouten nach Europa.
Ob die neuen Gespräche von Algier zum Erfolg führen, ist zweifelhaft. Ibrahim ag Bahanga ist nicht beteiligt und verlangt stattdessen eine Vermittlung Libyens. Er soll angeblich malische Kriegsgefangene auf Basen im Tschad festhalten. Libyens Regierung appellierte jetzt an die Tuareg Malis und Nigers, die Waffen niederzulegen. Vermutlich will Libyen seinen erheblichen Einfluss in diesen beiden Ländern nutzen, um seinerseits als Vermittler aufzutreten. In diesem Fall könnte sich der Tuareg-Konflikt als Wettstreit zwischen algerischem und libyschen Einfluss fortsetzen. Manche politischen Kräfte Malis sind ohnehin davon überzeugt, dass Algerien und Libyen die Rebellen heimlich steuern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!