Konflikt zwischen Russland und Georgien: Ende der Eiszeit?
Die Regierung in Moskau reagiert freundlich und nüchtern zugleich auf die Wahl beim südlichen Nachbarn. Das politische Klima dürfte wärmer werden.
MOSKAU taz | Russlands Premierminister Dmitri Medwedjew war recht guter Dinge. Sollte sich der Sieg der georgischen Opposition bestätigen, „würde die politische Landschaft Georgiens vielfältiger“, sagte er. Konstruktivere und verantwortungsvollere Kräfte zögen dann ins Parlament ein, so Medwedjew. Seine Partei, das Vereinigte Russland, sei jedenfalls zu einem Dialog über die Zukunft der russisch-georgischen Beziehungen bereit.
Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in Georgien im August 2008 haben beide Seiten die Beziehungen eingefroren. Wenn Moskau und Tiflis miteinander verkehren müssen, dann nur über die Vermittlung eines Dritten. Für Russlands politische Elite, allen voran Wladimir Putin, war Georgiens Präsident Michail Saakaschwili ein rotes Tuch, schon die Erwähnung des Rosenrevolutionärs brachte den Kremlchef zum Schäumen.
Die Abwahl Saakaschwilis könnte nun die Chance eröffnen, mit dem Nachbarn wieder ins Gespräch zu kommen. Im Vorfeld der Wahl war Bidsina Iwanischwili, Chef des siegreichen Oppositionsbündnisses Georgischer Traum, vom Konkurrenten Saakaschwili als Marionette Moskaus beschimpft worden. Dass der milliardenschwere Oligarch das Vermögen vor allem in Russland anhäufte, unterstrich die Legende.
Bisher keine Äußerung Putins
Nach dem Wahlsieg bleibt die russische Führung jedoch nüchtern. Kremlchef Putin äußerte sich auch zwei Tage nach der Wahl noch nicht. Die Freude über die Niederlage Saakaschwilis wird vom friedlichen Machtwechsel getrübt, der die Kaukasusrepublik der demokratischen Welt näher brachte – und indirekt den Autokraten in Moskau den Spiegel vorhielt.
Iwanischwili versprach auch, das Verhältnis zu Russland zu verbessern. Damit sprach er vielen Wählern, die dort Familie haben, aus dem Herzen. Trotzdem bleiben die Widersprüche und Interessengegensätze bestehen: Iwanischwili hob vor und nach dem Sieg seines Parteienbündnisses hervor, dass er an der Richtungsentscheidung Georgiens keine Korrekturen vornehmen werde: Georgien bleibt in der Spur – in Richtung Integration in Europa und Aufnahme in die Nato.
Das ist für den Kreml nicht akzeptabel. Schließlich besetzte Russland Georgien 2008, um die Integration der Kaukasusrepublik in den Westen zu unterbinden. An der Ausgangslage hat sich somit nichts verändert. Außerdem müsste Moskau bereit sein, über den Status der abtrünnigen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien neu zu verhandeln. Es ist aber kaum zu erwarten, dass der Kreml die internationale Anerkennung der separatistischen Gebiete noch einmal rückgängig machen könnte. Zumal Russland mit der Aufstellung russischer Truppen in Abchasien und Südossetien auch ein strategisches Ziel erreicht hat: einen vorgeschobenen Posten im Südkaukasus.
Iwanischwili sind die Hände gebunden: Es wäre politischer Selbstmord, Moskau in den abtrünnigen Gebieten Zugeständnisse zu machen. Zwischen Russland und Georgien dürfte sich daher zunächst nur wenig verändern.
Leser*innenkommentare
gustav
Gast
Sakaschwili war und ist ein gefährlicher
Spinner.
Der militärische Erstschlag ging
von Sakaschwili aus.
Ob der Mann dumm war oder es ein abgekartertes
Spiel Russlands oder westlicher Geheimdienste
war, weiß man nicht.
Wer aber so dumm ist, ist ein Sicherheitsrisiko
für jede Allianz, selbst wenn diese
möglich wäre.
Wenn die Führungskräfte der NATO
vernünftig sind, dann gewähren sie
einen Gürtel ABC-waffenfreier Staaten
ohne NATO-Zugehörigkeit, um eben keine
Paranoia und die Gefahr des jederzeitigen
Mehrfrontenkrieges für Russland zu
provozieren und halten sich strikt
an die Verträge zum Einigungsvertrag.
Anderenfalls ist die Unterschrift des
Westens in Militärfragen, das Papier
nicht Wert auf dem es geschrieben ist.
Die ehemaligen Staaten der Sowjetunion
müssen frei von ABC-Waffen sein.
Natürlich handelt es sich, um riesige
Reiche aus denen dereguliert große Gefahren
entspringen könnten.
Deshalb müssen neue Kontrollgremien her,
aber sie können nicht NATO-Mitglieder sein!
Thomas H
Gast
Völkerrechtlich ist doch völlig klar, dass die von Russland seit 1992 militärisch und genozidal(!!!) erzwungene Abtrennung und Besetzung von georgischem Territorium (nämlich den georgischen Regionen Abchasien und Südossetien) nichts anderes als ein schweres Verbrechen der Kreml-Herren darstellt, dass bis heute ungesühnt geblieben ist!
Darin sind sich im Grundsatz ALLE Georgier/innen einig, egal zu welchem politischen Lager sie gehören mögen.
Und Russlands antidemokratischer Zar Putin wird auch künftig (bis hin zur erneuten militärischen Aggression gegen die Souveränität Georgiens) absolut NICHTS unversucht lassen, um die erfolgreiche ökonomische und demokratische Weiterentwicklung der nationalen Souveränität Georgiens zu unterminieren, damit an der Grenze zu seinem neoimperialen und antidemokratischen russischen Großreich keine funktionierende georgische parlamentarische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sich etablieren kann, und Georgien wieder "Heim ins Reich" der russisch dominierten Autokraten-GUS gezwungen wird.
Keine nationale Regierung Georgiens wird sich Russland kampflos unterwerfen, ganz egal, welche georgische Partei auch immer demokratisch an die Regierung gewählt wird!
Der russisch-georgische Konflikt wird daher so lange weiter bestehen bleiben, so lange Russlands Verbrechen gegen Georgien nicht beendet und politisch wie juristisch durch die Weltgemeinschaft anerkannt und aufgearbeitet worden sind.
Einseitige Bemühungen des kleinen Georgiens, um eine Entschärfung des Konflikts mit dem Riesen Russland, hat es stets gegeben. Sie waren und sind erfahrungsgemäß zum Scheitern verurteilt, weil die neoimperialen Autokraten im Moskauer Kreml selbst keinerlei Interesse an friedlicher Koexistenz mit einem unabhängigen und demokratischen Georgien hatten und haben.
Denis
Gast
Sämtliches Leugnen hilft nicht mehr, die Kremlzwerge haben schon alles gestanden: Der kleinere Kremlzwerg hat zugegeben, dass Russland mit dem Krieg 2008 die Natomitgliedschaft von Georgien verhindern wollte, der größere Kremlzwerg hat erst neulich zugegeben, dass er die südssetischen Milizen bewaffnet hat, die 2008 dann die "ethnischen Säuberungen" durchgeführt haben und damit alle Georgier aus ihren Dörfern vertrieben haben. Die Vertreibung der Menschen war das Ziel des russischen Eingreifens, schon 1992 wurde dasselbe in Abchasien durchgeführt. Damals haben die Russen zusammen mit dem Terroristen Basajew die dort lebenden Georgier verjagt.
jan z.
Gast
Die USA und NATO haben die Christen im Nahen Osten und Kaukasus geopfert fuer das Oel der Sunnis von Saudi Arabien und das Geld der Emirate. Das Orthodoxe Russland (nicht Putin!) wird jetzt der Schirmherr der Christen im Nahen Osten (Syrien, Irak, Aegypten, Libanon) in Osteuropa (Serbien, Griechland, Zyprus) und im Kaukasus: Armenien und GEORGIEN.
Daniel
Gast
Liebe taz-Redaktion, es ist sehr zu begrüßen, dass in Georgien evtl. demokratischere Strukturen einkehren. Allerdings ist es falsch, dass Russland Georgien 2008 besetzte, um dessen Westintegration zu unterbinden. Südossetien wollte mit Nordossetien zusammenkommen und darauf hin sind georgische Truppen einmarschiert. Russland hat sich dabei sicherlich als großer Schutzherr aufgespielt, dennoch war dies eine Reaktion, keine Aktion.
gründlichere Recherche und nüchterne Berichterstattung, gerade aus der ehemaligen Sowjetunion, wären doch wünschenswert. zumal ich von Ihnen bessere Artikel gewohnt bin
Paul
Gast
Zitat: "Schließlich besetzte Russland Georgien 2008, um die Integration der Kaukasusrepublik in den Westen zu unterbinden."
das ist falsch! Es gingen Angriffe und Provokationen der georgischen Armee voraus, das ist heute bewiesen. Russland hat Georgien nicht "besetzt", sondern unterhält Stützpunkte im Norden Georgiens, die keinerlei Hindernisse für die dortige Bevölkerung bedeuten.