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Konflikt zwischen Israel und PalästinaMit iPods gegen Siedlerangriffe

Die Menschenrechtsgruppe Betselem rüstet Palästinenser mit Kameras aus, damit sie Angriffe von Siedlern filmen. Vor Gericht könnten die Aufnahmen entscheidend sein.

Bei dem Dorf Asira al-Qibliya sollen israelische Siedler auf Palästinenser geschossen haben. Bild: Screenshot Youtube

JERUSALEM taz | Nicht mit Messern und Pistolen, sondern mit Videokameras und iPods rüsten sich die Palästinenser jetzt zum Kampf gegen die israelische Besatzung. Ob Schikanen von Seiten der ultraradikalen jüdischen Nachbarn in der Altstadt von Hebron, Provokationen von Kindern und Jugendlichen oder gezielte Angriffe durch organisierte Gruppen von Siedlern wie im Norden des Westjordanlands – kaum ein Übergriff bleibt noch undokumentiert. Und auch die nicht selten äußerst fragwürdige Rolle der israelischen Armee kommt dabei ans Licht der Öffentlichkeit.

Die Bilder aus dem Dorf Asira al-Qibliya, südlich von Nablus, vom vergangenen Wochenende lassen keinen Raum für Interpretationen. Vier Siedler, von denen drei mit Gewehren und einer Pistole bewaffnet sind, stehen zusammen mit drei israelischen Soldaten einer Gruppe steinewerfender Demonstranten gegenüber. Einer der Siedler geht in die Hocke, legt an und nimmt die Waffe wieder herunter. Er zielt erneut und schießt diesmal. Wenig später tragen die Palästinenser einen am Kopf blutenden Mann weg. Er war vor den Augen der Soldaten von einem Siedler niedergeschossen worden.

Die Armee betrachtet den Vorfall als „extrem schwerwiegend“, wie ein Armeesprecher später verlauten ließ. Militärische und polizeiliche Untersuchungen seien eingeleitet worden. Die israelische Menschenrechtsorganisation Betselem fordert Aufklärung und ein Verfahren gegen die Siedler und die Soldaten. „Die Armee ist verpflichtet, für Recht und Ordnung im besetzten Gebiet zu sorgen“, sagt Sarit Michaeli, Sprecherin der Organisation. Sie rechnet jedoch nicht damit, dass den Soldaten in diesem Fall disziplinarische Schritte drohen.

Mit dem Filmmaterial hat Betselem dennoch deutlich bessere Chancen, als vor Gericht allein auf Zeugenaussagen angewiesen zu sein, um den Schützen und seine Helfer zu belangen. Bereits vor fünf Jahren begann Betselem damit, palästinensische Familien, die an Orten wohnen, wo es häufig zu Zusammenstößen kommt, mit Videokameras auszustatten. Inzwischen sind rund 150 Geräte im Westjordanland im Umlauf und eine Handvoll auch im Gazastreifen.

Neben der verbesserten Beweislage vor Gericht zielt das Projekt der Menschenrechtsorganisation auf die Aufklärung der israelischen Öffentlichkeit, für die die Realität im besetzten Gebiet zumeist sehr weit weg ist. Die Bilder von Ashraf Abu Rahma, dem ein israelischer Offizier in dem Dörfchen Bil’in nahe Ramallah in den Fuß schoß, während Abu Rahma die Augen verbunden und die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden waren, flimmerten Dutzende Male über YouTube und auch über israelische Bildschirme. Auch der Fall eines dänischen Aktivisten, dem der Kommandant einer militärischen Einsatzgruppe geradewegs seinen Gewehrkolben ins Gesicht schlug, war nur deshalb in aller Munde, weil er vor laufender Kamera stattfand.

In Asira al-Qibliya waren drei „Amateurfilmer“ im Einsatz. Das Dorf liegt in der Nähe von Itzhar, einer als besonders radikal geltenden Siedlung. Immer wieder kommt es hier zu Provokationen und Übergriffen. „Unser Projekt hat nicht dazu geführt, dass die Siedler und die Soldaten die Gewalt einstellen“, sagt Michaeli, „aber wenigstens sieht die israelische Öffentlichkeit ab und an, dass in den besetzten Gebieten nicht alles so ist, wie es sein sollte.“ Außerdem fühlten sich die Palästinenser nicht mehr ganz so schutzlos wie ohne die Kameras.

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16 Kommentare

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  • S
    Senckbley

    "kaum ein Übergriff bleibt noch undokumentiert"

     

    Das stimmt nicht ganz. Ihre eigenen Provokationen filmen die Araber/Palästinenser natürlich nicht. Sie schonen ihre Akkus, um die Reaktionen der Israelis hierauf filmen können. Es ist auch nichts davon bekannt, dass in den Bomben- und Raketenwerkstätten der Hamas neuerdings Webcams installiert werden. Dabei wäre genau das doch mal ein Schritt hin zu wahrer Transparenz.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Ein weiterer Beitrag zum Frieden.

    Die internationalen Fotografen sorgen für Agentur- verbreitete Propaganda, die Hobby-Filmer für Nachschub bei Hass-Videos.

    Richt ja auch nicht, dass Nahostberichterstatter live vor Ort berichten, wenn ein Siedler ein armes Palästinenser-Kind überfährt. Nein, das war natürlich kein geplanter Hinterhalt und die "Jugentlichen" wollten ja auch nur mit Steinen spielen. Und die Presse war auch zufällig vor Ort.

    Natürlich hätte der "böse" Siedler sich und sein Kleinkind von "protestierenden Jugendlichen" steinigen lassen sollen. Jeglicher Protest ist ja gerechtfertigt. Und somit ist es auch legitim, wenn "Berichterstatter" nur Ausschnitte zeigen. Sonst könnte ja die Story gefährdet werden.

    Es lebe Pallywood!

  • HJ
    Hans Jakob

    Lieber Dirk,

    der einzige der hier wahrlich Galle speit bist du mit deiner verachtenswerten Polemik. Deine völlig unreflektierte Sichtweise zeigt, dass du sehr wenig von dem Konflikt verstanden hast. Es scheint mir, als bist du nur ein weiterer deutscher Sesselpupser, der aus seiner bequemen Heimstube aus seinen verblendenden Hass verbreitet.

     

    Hans

  • D
    digedag999

    aus dem westjordanland, von dem im artikel ausschließlich die rede ist, schiesst niemand raketen auf israel. sie verwechseln das mit dem gaza-streifen, der kommt aber in dem artikel nicht vor, weil es dort seit 2005 keine jüdischen siedlungen mehr gibt und somit auch keine radikalen siedler. das westjordanland ist völkerrechtswidrig besetzt (UNO-resolution 242) und deshalb sind dort siedlungen der besatzer ebenfalls rechtswidrig.

  • D
    digedag999

    aus dem westjordanland, von dem im artikel ausschließlich die rede ist, schiesst niemand raketen auf israel. sie verwechseln das mit dem gaza-streifen, der kommt aber in dem artikel nicht vor, weil es dort seit 2005 keine jüdischen siedlungen mehr gibt und somit auch keine radikalen siedler

  • L
    Lea

    Pellkartoffel, welche Maßstäbe setzt Du da an? Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? "Mein Land", "dein Land" - ich glaube, es ist etwas komplizierter - nur so ein Gefühl...

  • DG
    Dirk Gober

    Zuverlässig wie die Pawlowschen Hunde, die Judenhasser wie end.the.gebrabbel u.s.w., nur mit dem Untsrdchied, daß die Testhunde lernfähig sind.

    Sie lügen sich nur weiter in die eigene Tasche, indem sie (wahrscheinlich aus besagter mangelnder Lernfähigkeit) verschweigen, daß in diesen Gebieten niemals ausschließlich nur Palästinenser gewohnt haben, sondern auch immer Juden, sofern sie nicht, wie von den Hamas-Nazis in diesem Forum gewünscht, vertrieben oder ermordet wurden.

    Selbst das "geraubte" Land wurde zu Beginn und in der Fortsetzung der Wiederbesiedlung durch Juden den Palästinensern abgekauft und wer es als Frechheit ansieht, daß man auf seinem rechtmäßig erworbenem Eigentum besteht, zeigt seine ideologischen Hintergründe.

    Es sei nur nebenbei erwähnt, daß heute Landverkauf durch Palästinenser an Juden bei Todesstrafe verboten ist - was die pickligen Amateurgroupies der Hamas in diesem Forum auch nuttenhaft totschweigen, es also gutheißen.

     

    Dennoch immer wieder schön, die ohnmächtige Empörung und Gallenspeierei der Geiferer zu lesen - und niemanden interessiert es wirklich:-).

  • B
    bull

    Was erwartet man von einem Verbrecherstaat?

  • PS
    Peter Silie

    "bösartige Leute" sind diejenigen, die Opas Traum von judenreinen Gebieten immer noch realisieren wollen, maoam! Hört mal auf die Palis. Kürzlich sagte selbst ein Hamasfuehrer, dass die Menschen die sich "Palästinenser" nennen, entweder Aegypter oder Jordanier seien. Wenn man von "Besatzung" redet, sollte man über die wahre, nämlich die arabische Besetzung sprechen. Basta.

  • N
    Name

    Pallywood? :)

  • P
    Pellkartoffel

    Die allermeisten der 300.000 jüdischen "Siedler" wurden in Samaria oder Judäa (manche nennen es "Palestina") geboren, es ist also ihr Land. Oder würde jemand behaupten, dass die Türken, deren Vorfahren Istanbul den Griechen gestohlen haben, heute kein Anrecht auf Istanbul haben? Das schlimme ist, dass die Siedler in ihrem eigenen Land auch noch von der IDF geschützt werden müssen.

  • M
    maoam

    Tja, broxx.

     

    Hast der Wahrheit wohl nicht viel entgegenzusetzen, so wie die ganze Zeit schon.

     

    Wir wissen es. Bösartige Leute sehen die jüdischen Siedler als Opfer. So auch du. Denn die armen Siedler wurden ja gezwungen palästinensisches Land zu rauben. Der jüdisch-israelischen Gesellschaft ist das Treiben ziemlich egal, es sind ja nur Palästinenser. Sie haben andere sorgen.....pickel und spröde Lippen. Zudem der Job als militärischer Vorposten der USA. Vollgestopft mit Waffen und Geldgeschenken; jährlich.

     

    Dazu sagen muss man nichts. Vermutlich bist du auch noch religiös.

     

    Wird das veröffentlicht, oder verschwindet mein Kommentar wieder in den Tiefen des www?

  • B
    broxx

    Filmen die dann auch die Raketenabschüsse der Hamas??? Oder ist das inzwischen unwichtig?

  • E
    end.the.occupation

    >> Nicht mit Messern und Pistolen, sondern mit Videokameras und iPods rüsten sich die Palästinenser jetzt zum Kampf gegen die israelische Besatzung.

     

    Die Palästinenser "kämpfen" mit der 'Videokamera'?

     

    Worin besteht denn der Kampf der Palästinenser - die seit Jahren von bewaffneten, von der israelischen Armee beschützten Siedlern aus Yitzhar attackiert werden?

     

    Und nun sollen die vor ein israelisches Gericht ziehen, weil diesmal nicht die israelische Armee einen der ihren erschossen hat - sondern ein von der israelischen Armee geschützer israelischer Siedler?

     

    Welchen Erfolg werden die Palästinenser wohl haben, vor einem israelischen Gericht?

     

    Wer fällt auf diese Besatzer-PR denn noch rein?

  • R
    R.J

    Man hätte erwarten sollen, die herbeigeeilte Soldateska hätte es als ihr ersten Anliegen betrachtet, überhaupt die Siedler vor dem Dorf als die eigentliche Konfliktursache wahrzunehmen und sie beiseite zu schaffen.

    Hingegen ließ man es zu dass einer von ihnen, unübersehbar mit seinen gemutmaßten knappen 300 Pfund Körpergewicht, mal eben seine Pistole hervorkramte, auswickelte und sich zielend niederkniete.

    Wie man dieses Auftreten dieser „gottesfürchtigen Siedler“ ansonsten betrachtet, sei mal dahingestellt.

  • RE
    Rudolf Eglhfer

    Und werden die Steinewerfer auch gefilmt bzw. filmen die sich selbst?

    War nur so eine Frage vom

     

    Rudolf