Konflikt um Nationalpark in Bolivien: Evo Morales ignoriert Indígenas
„Teile und herrsche“ ist das Prinzip des bolivianischen Präsidenten Evo Morales. So setzt er sich im Konflikt um die Straße durch den Tipnis-Nationalpark durch.
PORTO ALEGRE taz | Boliviens Regierung ist fest entschlossen, den Bau der umstrittenen Landstraße durch den Indígena-Nationalpark Isiboro-Sécure (Tipnis) fortzusetzen.
Als die rund tausend TeilnehmerInnen des 9. Marschs zur Verteidigung des Tipnis am Mittwoch nach zwei Monaten und 600 Kilometern Fußweg erschöpft in La Paz eintrafen, wurden sie erneut begeistert empfangen. Doch anders als im Oktober 2011 verwehrten ihnen Polizisten mit Tränengas den Zugang zur Plaza Murillo vor dem Regierungspalast.
Präsident Evo Morales, der nach der Ankunft des 8. Marschs noch einen Baustopp dekretierten musste, verweigert diesmal den Dialog. Innenminister Carlos Romero erklärte, man sei man bereit, mit 60 Vertretern der Region zu reden, nicht aber mit Adolfo Chávez und Bertha Bejarano, den „ethisch fragwürdigen“ Sprechern der Marschierer.
Bejarano sei wegen Drogenhandels verurteilt, Chávez in eine Glücksspielaffäre verwickelt, sagte der Minister, außerdem seien die beiden innerhalb der ostbolivianischen Indígenaorganisation Cidob umstritten.
Keine freie Befragung
Tatsächlich ist es der Regierung in den letzten Monaten gelungen, nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ das Blatt im Tipnis-Konflikt zu wenden. Nach einem Pro-Straßen-Marsch von Kokabauern, dem Kern von Morales’ politischer Basis, verabschiedete sie im Februar das Gesetz 222, demzufolge nun eine Befragung zum Straßenbau organisiert wird.
Die Cidob lehnt das Vorhaben als „betrügerisch und illegal“ ab, denn anders als nach UN-Standards vorgesehen, finde sie weder vor Projektbeginn noch „frei“ oder gar nach umfassender Aufklärung der Betroffenen statt.
Vor allem sollen die gut organisierten Kokabauern, die in den letzten Jahrzenten in den Park eingedrungen sind, mitstimmen. Im sogenannten Polígono 7, der von Südosten her wie ein Keil in den Park hineinragt, erhoffen sich an die 20.000 Cocaleros weiteren Aufschwung – ihre Ernte landet größtenteils bei der Kokainmafia.
Seine Kampagne für den Straßenbau unterfütterte Morales mit der Verteilung von Außenbordmotoren, Handys oder Lebensmitteln. Auf internationalen Konferenzen ließ er Broschüren verteilen, in der die angeblich bedauernswerte Versorgung der Tipnis-Bewohner mit Schulen oder Gesundheitsposten geschildert und Verbesserung in Aussicht gestellt wird.
Konzessionen an Ölmultis
Das zähle nicht, sagt Sarela Paz, Koautorin einer Umweltstudie über den Tipnis, denn die Lage sei im jetzt schon viel zugänglicheren Polígono 7 kaum besser. Entscheidender sei wohl etwas anderes: „2007 hat die Regierung Ölkonzessionen an zwei Multis vergeben, doch ohne Straße werden die nicht aktiv.“
Die 306 Kilometer lange Straße von Villa Tunari in der Kokaregion Chapare bis San Ignacio de Moxos gehört auch zu einer geplanten Verbindung vom südlichen Teil des brasilianischen Amazonasgebiets bis zu den Pazifikhäfen in Peru oder Chile, über die Agrarprodukte oder Mineralien nach Asien verschifft werden könnten.
Dass sich jetzt auch rechte Politiker für die Tiefland-Indígenas starkmachen, treibt viele Aktivisten ins Regierungslager. Vizepräsident Álvaro García Linera erklärte am Donnerstag, „einige falsche Linke“, darunter Umweltaktivisten, Indígenas und frühere Weggefährten, bildeten die „Vorhut der faschistischen Rechten“.
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